26 November 2023 - Von Chiang Kham nach Phayao
KM 11738
Von heißer Luft getrieben, schweben die weißen Papierlaternen langsam in den tiefschwarzen Vollmondhimmel, wo leichter Wind sie sanft über den dunkeln See weht. Menschen stehen im Kreis und entzünden die kleinen Feuerringe im Innern der Laternen, halten sie aufrecht, bis sich genügend heiße Luft für den Auftrieb gesammelt hat, auf das die Himmelslaternen, wie sie hier in Nordthailand genannt werden, sich zunächst zögerlich, dann aber doch schneller in den Nachthimmel erheben. Der große Platz an der Phayaos Seepromenade ist voller Menschen. Teenagergruppen, Freunde, Familien mit kleinen Kindern, alle stehen im Kreis, und harren der
heißen Luft. Interessant ist, dass kurz vor dem Abheben der Laternen, in allen Gruppen ein kurzer, verharrender Moment eintritt, bevor sie den unteren, mit dünnem Draht eingefassten, Rand der Laterne loslassen. Dieser kontemplativer Moment gehört ganz dem Gebet, unabhängig davon, um welche Gruppe es sich handelt. Wenn die Laterne entschwebt, halten alle ihre Hände zu einem Wai vor der Brust oder dem Kopf gefalten. Natürlich wird auch dieser Moment tausendfach digital festgehalten, wir sind schließlich in Asien. Aber, ganz ehrlich, sich diesem Lichterspiel und dem friedlichen Moment zu entziehen, ist schier unmöglich. Zumal man gezwungen ist, sich dem Tempo der Flammen und der heißen Luft anzupassen, sodass die Dynamik des Festes eher gesetzt und entschleunigt ist.
Wir sitzen mal am Rand, mal stehen wir inmitten der Menschengruppen und genießen, wie eine Laterne nach der Anderen in den Himmel steigt. Faszinierend, zumal wir niemals zuvor bei einer derartig großen Veranstaltung, ein derart unkompliziertes, entspanntes und friedvolles Miteinander erlebt haben.
Es ist der Abend vor Vollmond und hier werden gerade zwei Feste gleichzeitig gefeiert, einmal Loi Krathong und einmal das Yipeng-Laternenfest, auch Yee Peng genannt. Das Yipeng-Laternenfest hat seinen Ursprung in der Lanna-Kultur in Nordthailand. Yi Peng bedeutet „der zweite Vollmond“ von Lannas Kalendermonat und ist eigentlich ein ziemlich religiöses Ereignis, bei dem verschiedene Arten von Laternen vor dem eigenen Haus aufgestellt werden, um die Verehrung Buddhas zu zeigen. Inzwischen hat sich aber auch das gemeinsame "versenden" von Himmelslaternen etabliert, um Gottheiten und Geister im "hohen Himmel" anzubeten . . .
Nach einem frühmorgendlichen Kaffee verlassen wir Chiang Kham bei strahlenstem Sonnenschein und erfrischenden 24 Grad, Richtung Bergland. Unser Hotel war frühstückslos, mehr so ein Straßenmotel, aber sauber und relativ gepflegt. Das über Google ermittelte Café hat geschlossen. Es ist Samstag und normalerweise haben gerade dann Cafés und Restaurants hier geöffnet. Doch es ist der Samstag vor dem Novembervollmond und dann ist hier in Nordthailand Loi Krathong und das Yipeng-Laternenfest. Damit gehen alle Uhren anders. Wir finden aber eine Kaffeeschmiede, dessen Weihnachtsdekoration am Eingang uns jedoch sehr irritiert. Weihnachtliche Stimmung haben wir hier gar nicht, wie auch, bei dem überaus angenehmen sommerlichen Wetter? Da es für uns seit über 4 Monaten nur heiß, schwül oder sonnig war, ist so ein Weihnachtsbaum irgendwie fehl am Platze. Zumal in diesem buddhistischen Land wirkt es einfach nur wie kommerzieller Tand. Der Kaffee ist so stark, dass ich nicht umhin komme, mir einen Milchnachschlag zu holen, bevor Anni mich am Fuße unserer Sitzgruppe, herztechnisch wiederbeleben muss. Wir haben heute eine kurze, 150 Kilometer Etappe, was bedeutet, dass wir gemütlich übers Land fahren. Zunächst geht es in Richtung Nan, einem Hochland, dass
unmittelbar an der Grenze zu Laos liegt. Doch die eigentliche Tour durch Nan, werden wir erst in ein paar Tagen machen. Daher biegen wir dann nach Pang in Richtung Pong ab, was wieder mehr westlich liegt, sodass wir nachmittags in der Provinzhauptstadt Phayao ankommen. Der geneigte Leser fragt sich jetzt sicherlich, ob das ganze Ping Pong hier ein Witz ist, aber die Dörfer heißen wirklich so. Also geht es heute von Ping, sorry Pang, nach Pong und dann nach Phayao. Nicht nur in den größeren Städten rüstet man sich für die Licherfeste, auch auf den Dörfern werden immer noch eifrigst Laternen gebastelt und aufgehängt. Wir sind sehr gespannt, wie es heute Abend in Phayao sein wird, so laternentechnisch.
Heute ist alles dabei, so für den versierten und passionierten Motorradfahrer. Wirklich, Anni ist sogar der Meinung, dass wir heute die schönste Strecke unserer gesamten Reise gefahren sind. Ob es die schönste Etappe war, weiß ich nicht, aber es war tatsächlich eine der abwechslungsreichsten Routen, die wir in den vergangenen Wochen und Monaten gefahren sind.
Chiang Kham liegt eher in einer Ebene, während sich das unübersichtliche Gewirr der kleinen Landstraßen, die alle in die Provinz Nan führen, durch hügeliges oder bergiges Dschungel- oder Farmland auszeichnen. So muss die Bergziege sehr steile und schmale, zuweilen sehr zugewachsene Dschungelsträßchen bewältigen. Dann können wir es, in leicht und sanft geschwungenen Hügellandschaften, locker laufen lassen, bevor die gesamten 120 PS benötigt werden, um landwirtschaftlich kultivierte Steilhänge zu erklimmen. Hier und da passieren wir eine Farm, die sich auf den Anbau von Kannabis spezialisiert hat. Interessant ist, dass es verkauft wird, aber nicht wirklich besessen werden darf. Wenn ich das richtig verstanden habe. In den Cannabis-Dispenseries, die es besonders in Chiang Mai und Chiang Rai gibt, kann man natürlich alles Mögliche kaufen, wobei vermutlich häufig ein smarter Vertreter des Gesetzes mit involviert ist. Der Kunde sieht sich beim Verlassen des bewusstseinserweiternden Shoppingparadieses, plötzlich einer unverhofften Polizeikontrolle ausgesetzt, die mit einer
saftiges Geldstrafe (gerne mal so 500€!!!) enden kann. Hier auf dem Land, stehen fast ausschließlich nur noch traditionelle Thaihäuser. Natürlich gibt es im jedem Dorf auch die üblichen Parvenüs, die in neumodischem Beton und italienischen Balustraden machen, aber die
meisten Häuser sind aus massivem Holz, auf Stelzen mit mehreren Vordächern, die für den nötigen Schatten gegen die intensive Sonneneinstrahlung sorgen. Leider können wir keines besichtigen, denn mich würde interessieren, wie die Temperatur im Innern ist. Vermutlich ist es sehr angenehm, denn auf allen Seiten haben sie Fenster, dass bei Wind sehr schnell eine mögliche Hitzestauung vertrieben werden kann. Unsere Pause machen wir kurz vor Pong, denn
unsere Mägen knurren und so eine reine Koffeindosis zum Frühstück ist nicht ausreichend, wenn man ein schweres Motorrad durch die Berge steuern soll und gleichzeitig noch die Verantwortung für Passagiere in der 1. Klasse hat. Wir finden einen Überlandsupermarkt, der von der Sonnenbrille über Fischfutter zum Schokobrötchen alles hat. Außerdem haben sie Fanta - meine Fanta! Die Fanta meiner Kindertage! Grell orange eingefärbt, ungesund bis unter die Zehennägel, aber der Geschmack meiner Kindertage. Hoffentlich ist genügend E605 Farbstoff drin, oder was auch immer das farbenfrohe Gesöff in den frühen Tagen meines hoffnungsvollen Daseins intus hatte, damit die Zeitreise in die 70er auch gelingt.
Herrlich, schmeckt wie Zuckerplastik, dazu ein völlig vitaminfreies, ernährungstechnisch wertloses Milchbrötchen mit ungesunder Milchschokolade. Großartig! Vor meinem geistigen Auge manifestieren sich schlecht kolorierte Agfafotos, von wunderschönen, warm-sonnigen Bornholmaufenthalten meiner frühen Jahre. Kinder lieben grelle Lebensmittel, egal wie alt sie sind. Jawohl - und Spass dabei! Derart gestärkt geht es wieder auf die Piste.
Von den ca. 40.000 Wats in Thailand, haben wir bestimmt schon 10.000 gesehen. Wenn man von solch exotischen Orten, wie der Weiße und Blaue Tempel mal absieht, sehen alle mehr oder minder gleich, oder zumindest ähnlich aus. Doch manchmal wird man wieder mal vom Leben überrascht. Kurz hinter Pong, fliegen wir an einem sehr ausgefallenen Eingangstor zu einem Wat vorbei, sodass ich die Bergziege noch einmal wenden muss. Das Tor besteht aus zwei großen Betonelefanten, über deren aufgerichtete Rüssel stilisierte Nagas laufen. Ich will wieder ein Watposingfoto mit der Bergziege. In Anbetracht, dass die Bergziege mit uns fast 400 Kilogramm gesamt auf die Waage bringt, ist ein Gruppenfoto mit den beiden Betonellis wohl gerechtfertigt denke ich. Auf und weiter. In der warmen Nachmittagssonne erreichen wir Phayao, dass am Phayao-See liegt. Die Stadt mit ihren fast 500.000 Einwohnern, ist die Hauptstadt der
gleichnamigen Provinz. Diese Provinz breitet sich inmitten einer malerische Berglandschaft des Phi-Pan Nam Gebirges aus. Als wir in das Zentrum fahren neigt sich die Straße leicht zum See ab und gibt uns den Blick auf ein, im Dunst gelegenes Bergmassiv frei. Bis auf fast 1700 m Höhe (Doi Luang) steigen die Gipfel dieser Provinz an. Der See ist ein Stausee, der durch den Fluss Mae Nam Ing entsteht, welcher seinerseits von Westen her die Provinz durchfließt und später - wie kann es auch anders sein - südöstlich in den Mekong mündet.
Am frühen Abend finden wir uns an der Uferpromenade ein, wo die Bürger von Phayao zwei Naga und eine kleine Pagode in Ufernähe in den See gebaut haben. Überall stehen Stände, wo man die schwimmenden Gestecke für Loi Krathong oder die Himmellaternen für das Yipeng-Laternenfest erwerben kann. Es ist schon richtig was los, von überall strömen die Menschen her.
Die bunten Loi Karton Laternen hängen zwar überall in der Stadt und in den Wats, aber auch hier an der Uferpromenade hat man ein riesiges Bambusgestell aufgebaut, an dem die Laternen aufgehängt werden. Es herrscht Jahrmarktstimmung, gepaart mit spiritueller Lebensart. Familien picknicken, Kinder laufen überall rum, verliebte Teenager posen schüchtern vorm Sonnenuntergang und die Verkäufer von Lotterielosen wittern überall locker sitzenden Geld.
Als die Sonne hinter den Bergen verschwindet wird eine erste Himmelslaterne entzündet und verschwindet leise schwebend in den violetten Sonnenunterganshimmel. Damit scheint der Bann gebrochen und auf einmal beginnt ein wahres Laternenvorglühen an der Uferpromenade.
Der Höhepunkt des Yipeng-Festivals sind natürlich immer die Himmelslaternen. Die Laternen sollen all die "unglücklichen Dinge wegtragen" und den Weg für Glück und eine glänzende Zukunft ebnen. Im Grunde ist der allgemeine spirituelle Gedanke hinter beiden Festen identisch, ob es Lichtergestecke von Loi Krathong sind, die eben ihrerseits auf die Wasseroberfläche des Sees ausgesetzt werden oder die Himmelslaternen von Yipeng. Egal, was auch immer jeder Mensch damit verbindet, das Licht der bunten Lampions und die sanft leuchtenden Himmelslaternen, erzeugen eine warme und charmante Atmosphäre.
Dieses Fest regt uns dazu an, völlig über die Strenge zu schlagen. Wir geben tatsächlich 9,50€ aus. Ein Novum, so viel Kohle haben wir schon lange nicht mehr auf den Kopf gehauen. Wir futtern uns durch die gesamte thailändische Küche durch. Frühlingsrollen, gegrilltes Rinderfleisch, Glasnudeln, frische Ananas und Melone, Kokosnusssmoothie. Hier gibt es alles, lokale Fischspezialitäten, Tintenfisch, verschiedene Süßspeisen, unendlich ist das Angebot. Das geht sogar so weit, dass es an einem Stand Plattfisch gibt. Nicht dass man hier Flundern kennen würde, bei Weitem nicht. Nein, es gibt eine Fischpresse, die sieht so aus, wie eine alte westfälische Handmangel. Vielleicht ist es sogar eine, wer weiß das schon? Auf jeden Fall, wird der Fisch dadurch gemangelt und ist praktisch zum Verzehr vorbereitet. Man lernt doch nie aus. Wer braucht schon Flundern aus der Nordsee, wenn man zu Loi Krathong den Fisch auch gemangelt bekommt! Bonne nuit folks.
KI ist keine Stimmungskanone:
Es gibt keine offizielle Statistik über die Anzahl der Brände, die durch fliegende Papierlaternen verursacht werden, aber es gibt einige Schätzungen und Beispiele. Laut einer Studie des Instituts für Schadenverhütung und Schadenforschung (IFS) waren Papierlaternen für 0,1 Prozent der Brände in Deutschland zwischen 2002 und 2012 verantwortlich1. Das entspricht etwa 20 Bränden pro Jahr. Die meisten dieser Brände waren relativ harmlos, aber einige hatten schwerwiegende Folgen. Zum Beispiel löste eine Papierlaterne im Jahr 2009 einen Brand in einem Recyclingbetrieb in Siegen aus, der einen Schaden von 6 Millionen Euro verursachte2. Im Jahr 2013 verursachte eine Papierlaterne einen Brand in einem Affenhaus im Krefelder Zoo, bei dem mehr als 30 Tiere starben3.
Papierlaternen sind in vielen Bundesländern…