18. Februar 2024 - Bangkok
KM 19.084
Am frühen Morgen rolle ich die Bergziege aus der Hotellobby des Samer Hotels. Zwei kleine Stufen und wir stehen auf dem Gehsteig in der morgendlichen Schwüle. Vorgestern hatten wir etwas Regen, sodass der Folgetag zwar heiß, aber nicht drückend war. Heute morgen jedoch, schlägt einem die hohe Luftfeuchtigkeit mit aller Kraft entgegen. Auf der Stelle tritt mir der Schweiß aus allen Poren. Bangkok liegt immer noch unter einem bleigrauem Dunstschleier, nur hier und da bahnt sich die Sonne erbarmungslos durch die fahlen Wolkenbänder. Die Luft steht und ich merke, wie sich langsam mein Tshirt völlig durchnässt. Wir müssen heute das Hotel wechseln. Wir ziehen in ein Flughafenhotel um, da morgen die Bergziege zu einer Spedition kommt, die für die Verpackung zuständig ist. Das Hotel ist ungefähr 30 Kilometer vom Distrikt
Nr. 1 entfernt und liegt im 5 Kilometerradius von Flughafen, Logistikunternehmen und PT Air Cargo. Sightseeing in Bangkok ist nun vorbei und es wird ernst. Das Gepäck muss umsortiert werden, wobei wir entscheiden müssen, was in die Holzkiste nach Indien kommt. Am 21.02. haben wir schon einen Termin beim Zoll, wo alle Formalitäten erledigt werden müssen, damit die Bergziege ins Flugzeug darf . . .
Während ich heftigst schwitzend die Bergziege bepacke, kommt die Hotelmanagerin, der geneigte Leser erinnert sich - die junge Dame, die in Deutschland studiert hat - und überreicht uns einen Glücksbringer. Das ist ein kleines Beutelchen, welches wir mit zwei Schnüren am Koffer befestigen können. Dabei sollen wir alles "Schlechte", was uns auf der Fahrt begegnet, in dieses "Beutelchen" packen und so ist eine glückliche und sichere Weiterreise garantiert. Außerdem hat sich noch die das Hotellogo - eine Blüte - darauf gehäkelt. Nun kann nichts mehr schiefgehen. Während wir schon unsere Mopedjacken überwerfen, hält ein Taxi vor dem Hotel und die Hotelbesitzerin steigt aus. Sie war im Wat und hat noch einen wunderschönen und vor allen Dingen, gesegneten Ringelblumenkranz erworben. Der soll uns außerdem zusätzlich sicheres Geleit vor allen bösen Geistern geben. Mein Gott sind diese Menschen herzig. Wir sind
ganz gerührt. Nun kann aber auch nichts mehr schief gehen. Wir erleben wieder einen ziemlich emotionalen Abschied von Menschen, die uns in ihr Herz geschlossen haben und umgekehrt. Die Familie nimmt uns ein heiliges Versprechen ab, wenn wir je wieder nach Bangkok kommen, auf jeden Fall bei ihnen zu bleiben. Was soll man sagen, angesichts der liebenswürdigen und warmen Herzlichkeit, die die Menschen dieses Erdteils uns jeweils als Reisegeleit geben?
Entsprechend aufgewühlt, drehen wir nach dem Frühstück noch ein paar Runden durch die Altstadt von Bangkok. Königspalast, Wat Phrae Kaeo, Wat Pho, am Chao Phraya River entlang, bis wir uns schließlich aufmachen und Richtung Sukhumvit fahren.
Gestern nachmittag haben wir noch einen langen Spaziergang durch das Viertel gemacht. Dabei haben wir noch das ein oder andere Wat gefunden, mal mehr, mal weniger berühmt und auch besucht. In Bangkok ist es eigentlich immer ratsam, eher am frühen Nachmittag mit den Watbesuchen zu beginnen. Es sei denn man möchte die großen Buddhas sehen, dann muss man morgens dahin, da die Figuren ja alle nach Osten schauen. Nachmittags ist es aber meist viel angenehmer von der Temperatur her und die morgendliche Bewölkung hat sich oftmals auch aufgelöst. Außerdem sind die meisten Touristen dann schon durch mit Kultur und somit beim Shopping- oder Restaurantprogramm angekommen, Etliche natürlich auch beim Kiffen und Saufen. Wer weiß dass schon? Wir durchqueren unser kleines Hotelviertel und gelangen
südöstlich der Khao San Road zum Wat Bowonniwet. Zum Teil wird es gerade renoviert, was bedeutet, das einer der Viharne komplett in Gerüst und Folie eingepackt ist. Wir haben inzwischen. so viele einzigartige und auch ausgefallene Wats gesehen, dass uns eigentlich nicht mehr so viel überraschen kann. Wie bereits gesagt, manchmal ist der Watbesuch visuell inflationär. Aber das Wat Bowonniwet hat einige Besonderheiten. Zumal eine goldene Stupa, die vor blauem Nachmittagshimmel funkelt immer seinen Reiz hat. Doch neben der schnöden goldenen Stupa, ist dieses Wat die letzte Ruhestätte zweier ehemaliger Könige der Chakri-Dynastie, König Vajiravudh (Rama 6) und König Bhumibol Adulyadej (Rama 9). Das Wat ist sehr verwinkelt, mit vielen kleineren oder auch größeren Gebäuden. Vielfach sind chinesische
Architektureinflüsse auf diesen Tempel aus dem frühen 19. Jahrhundert sichtbar. Der Tempel ist ein Zentrum des Thammayut-Nikaya-Ordens, des thailändischen Theravada-Buddhismus. Bowonniwet war und ist ein wichtiger Schutztempel für die herrschende Chakri-Dynastie. Hier studierten und dienten viele königliche Prinzen und Könige als Mönche, darunter auch König Bhumibol und sein Sohn, der heutige König Vajiralongkorn. Ich nehme mal an, dass das hier ein erstklassiger Tempel ist, also, ein königlicher Tempel erster Klasse! Stand nämlich nirgendwo geschrieben. Muss aber wohl, denn die goldene Stupa beherbergt die Reliquien und die Asche der thailändischer Könige. Im großen Usobot steht eine ziemlich eindrucksvolle Buddhafigur herum, die angeblich 1257 n. Chr. gegossen wurde, um die große Freiheitsparty von den Khmer
zu feiern. Neben dem östlichen Eingang ist eine kleine Klosterzelle, erhöht auf die Mauer gebaut worden. Ziemlich prächtig wie wir finden, so mit den verschachtelten, mehrfarbigen Stufendächern und mit den stilisierten, vergoldeten Nagas an den Giebeln. Ein Tempelmitarbeiter erklärt uns, dass das die Mönchszelle für die Prinzen und Könige war. Zumindest während ihrer Zeit als ordinierte buddhistische Mönche. Durch das mittlere Fenster, zeigten sich die Monarchen dann wohl auch manchmal dem einfachen Volke. Daher hats da so einen angedeuteten royalen Balkon. Hut ab, so groß ist die "Zelle" gar nicht, da kann der ein oder andere Souverän schon mal Demut gelernt haben!
Bangkoks Altstadt ist voll von Wats und ich möchte den geneigten Leser hier nicht mit Stupas, Usobats und Buddhas langweilen. Dennoch ist es spannend, wenn man so im Gewirr der Gassen auf ein Klostertor stößt, mit dem man gar nicht gerechnet hätte. Mit einem Male stehen wir auf dem Hof eines verlassenen Wats, besser gesagt, eines menschenleeres Wats. Gehört eher zur ärmeren Fraktion der Bangkoker Wats, denn hier herrscht kaum Vergoldung, so im architektonischen Sinne. Hier ist weiß die Farbe der Stunde. Einige Stupas, Usobots und Viharne sind großzügig auf dem Klosterhof verteilt, wohingegen die Häuser mit den Klosterzellen wieder mal einen entzückenden kleinen Stadtcharakter haben. Natürlich unterstreicht das milde Nachmittagslicht wieder mal den anheimelten Charakter der Anlage, ohne Frage!
Wenn man von den engen Gassen, dann unvermittelt in eine so großzügig gestaltete Anlage kommt, wird einem klar, warum die Menschen hier oft "durch das Wat durchgehen" oder hier verweilen, sich treffen oder was-weiß-ich-hier-so-machen. Die Ruhe ist immer wieder eins der augenscheinlichsten "Markenzeichen" thailändischer Wats. Und, nicht die unterwürfige, andächtige Stille unserer Kirchen, nein, hier tobt normales Leben. Dann kann man schon mal, so in kontemplativer Stille, vor einer Buddhafigur sitzen, dann klingelt ein Handy und der Angerufene beginnt freudig zu telefonieren. Da bleiben die übrigen Gläubigen einfach entspannt. Stelle der geneigte Leser sich jetzt mal vor, im Kölner Dom, ein klingelndes Handy, auch noch das Gespräch angenommen und geführt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich da so verschwommen einen Scheiterhaufen, unten, da so am Ufer des Rheins . . .
Unser Spaziergang führt uns durch dunkle Gassen, vorbei an Suppenküchen, Privathäusern, durch Parks. Hin zu den großen Prachtstraßen Bangkoks, an denen meistens Kasernen der königlichen Regimenter liegen. Über den Straßen spannen sich Rahmengebilde mit den Antlitzen der königlichen Familie, deren Gesichter, häufig schon von der Sonne verblichen, milde auf den allabendlichen Stau hinabblicken. Im dämmrigen Licht des frühen Abends passieren wir
einen weiteren Teil der alten Festungsanlagen, bevor die Sonne malerisch hinter dem Wat Ratchanatdaram untergeht. Den Abend verbringen wir mit melancholischem Packen, denn uns ist klar, dass unsere Zeit in Südostasien nun zu Ende ist. Dennoch nehmen unsere Herzen schier unendlich viele Erinnerungen mit, deren goldenes Licht in dunklen Momenten sicherlich ein Lächeln auf unsere Lippen zaubern wird.
Die Fahrt über die Sukhumvit Richtung Flughafen dauert, zumindest laut Navi, nur eine Stunde und zweiundvierzig Minuten - für 30 Kilometer. Die Sukhumvit Road oder auch Highway 3 ist eine der Hauptstraßen in Thailand und außerdem eine wichtige Landstraße, die 399 Kilometer von Bangkok nach Kambodscha führt. Eigentlich kann man ohne Navi von Bangkok bis nach
Kambodscha fahren. Neben der Sukhumvit, die übrigens nach dem fünften Chef des Highways Department, Phra Bisal Sukhumvit, benannt wurde, durchziehen noch drei weitere Landstraßen ganz Thailand: die Phahonyothin Road (Autobahn 1), die Mittraphap Road (Autobahn 2) und die Phetkasem Road (Autobahn 4). Damit könnte man, theoretisch, ganz Thailand bereisen, ohne eine Karte oder ein Navi. Tatsächlich haben wir auf unserer Reise auch alle vier Hauptverkehrsadern benutzt. So muss ich mich nicht auf das Navi konzentrieren, sondern kann mit ziemlich entspannt durch den Verkehr wuseln. Auf zum Flughafen. Bonne nuit folks!
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