28. Oktober 2023 - Ayutthaya
KM 8403
Der Regen zwingt uns heute einen ungewöhnlichen Rhythmus auf. Indoor Aktivitäten und Kaffee. Alles beginnt mit einem schwarzen Himmel und einer fragwürdigen Wettervorhersage, dass es heute sehr viel besser und sonniger wird, als gestern. Als wir auf der Bergziege sitzen, hängen schwerfällige, schwarze Regenwolken über unserem Hotel. Der Wind weht Richtung Ayutthaya, sodass der kleine Hobbymeterologe in mir messerscharf kombiniert, das ist der angesagte 13 Uhr-Regen für Ayutthaya. Also hurtig liebe Bergziege. Auf der Hälfte des Weges prasseln plötzlich große Regentropfen auf uns nieder, ausgelöst durch Wolken, die sich von Ayutthaya entfernen. Soviel zum geneigten Meteorologen in mir. Wir suchen Schutz unter dem Wellblechvordach eines Schmierstoffhändlers. Der Mann flätzt sich bei unserer Ankunft im Sessel zwischen seinen Ölkannistern. Steht plötzlich neben uns und will unser Begehr erfahren. Es nützt nichts, ihm zu sagen, dass wir nur nicht durchnässt werden wollen, denn er versteht eh kein Englisch. Selbst wenn wir Thai könnten, wäre es vergeblich, denn ihm fehlen komplett alle Schneidezähne, oben und unten, sowie noch jeweils zwei weitere rechts, links, unten und oben.
Aber internationale Zeichensprache macht es möglich und wir bleiben im Trockenen stehen. Im Geschäft neben an verkauft eine Dame Ehebetten, die Liegeflächen liebevoll in Plastik, wenn nicht sogar Cellophan, verpackt. Mit Cellophan haben sie es hier, darin wird einfach alles verpackt. Es gibt sogar extra einen Cellophanträger-Geschirr für große Plastikkaffeebecher, so dass sich Starbucks Grande Iced Frappucine Vanilla bequem wie eine Plastiktüte trägt. Auf einer Speisekarte sind wir auch über, nun ja, Cellophannudeln gestolpert, hoffe aber dass sie sie ohne Plastikverpackung kochen und anbieten. Aber wer weiß, anderes Land, andere Sitten. Doch zurück zu unserer Regenpause.
Die junge Dame lädt uns herzlich in ihren Shop ein und vor meinem geistigen Auge sehe ich Loriot nebst Evelyn Hamann beim Bettentest, während dessen der inhaltsschwere Satz fällt, "meine Gattin nimmt gern etwas Gebäck, wenn sie aufwacht!" Wir lehnen dankend ab und ziehen schleunigst unsere Regenbekleidung über, die mir heute besonderes Vergnügen macht. Habe ich schon erwähnt, dass es gerade in der Tiefebene durchaus etwas schwüler und stickiger ist. Heute ist der Supergau im Hinblick auf schwül, feucht und nahezu Windstille. Noch bevor ich den Reisverschluss zu habe, bin ich durch, so richtig. Also laufen wir als erstes ein Zermatt.Café an und entblättern uns. Ich glaube, jeder von uns kennt das Gefühl, wenn man sich seine Regenbekleidung auszieht, womöglich noch in einem Restaurant oder Café, wo alle einen entspannt trocken anstarren, dabei nicht im Mindesten schwitzen. Man selbst sieht so derangiert aus, als hätte man einen Zusammenstoß mit einem LKW gehabt und alle anderen sind aus dem Ei gepellt. Der geneigte Leser kann sich die Situation vorstellen . . . Immerhin gab es auf dem Kaffee coole Schokodeko, die es etwas wett gemacht hat. Aber unser gesamter Plan geht bei
dieser Nässe den Bach runter. Indoor Aktivität muss her. Wir verschieben die anderen Stupas, die Chedis heißen, auf morgen und kümmern uns um die Viharne, die restaurierten Gebetshallen. Die Wahl fällt zunächst auf das Wat Phanan Choeng, das aktuell einen der größten alten (!) Buddhafiguren Thailands beherbergen soll. Das Wat liegt etwas außerhalb, sodass wir aus dem Zentrum einige Kilometer fahren müssen, aber trocken dort ankommen. Für die Mopeds gibt es ein kostenloses Parkhaus, schön trocken. Zugegeben, wir zwei alte Weltenbummler finden den Eingang nicht. Peinlich, nein wirklich, wir taumeln rum, zwischen allen möglichen Schreinen und finden nicht wo es zu dem Riesen-Buddha geht. Bei näherer Recherche, müssen wir die Peinlichkeit dieser Situation relativieren. Die Sache ist die, das der ganze chinesische Klimbim drumherum die Folge von so einer unglücklichen Liebessache ist. Irgendeine chinesische Prinzessin, namens Soi Dok Mak, war nach Ayodhya gekommen um König Sai Namphoeng zu heiraten. Der wollte aber nix von ihr und auch nix von ihr wissen. Das sie bei dem Kerl nicht landen konnte, muss das Mädel so geschockt haben, dass sie sich an Ort und Stelle erwürgte. So die Fakten. König Sai Namphoeng hatte dann wohl ein bißchen schlechtes Gewissen und an der Stelle wo die chinesische Maid verbrannt wurde, ließ er einen Tempel bauen. Da die Kleine bei ihren Landsleuten ziemlich beliebt war, bauten sie dort einen Schrein, einen chinesischen Schrein wohlbemerkt. Zu der, im Thaistil erbauten Viharn wurde
dann noch außen zum Fluss hin, ein Schrein angeflanscht, der sowas von Chinesisch daherkommt, dass man zwischen all den Drachen, Lampions, oberschenkeldicken Räucherstäbchen und roten Säulen einfach mal nicht ,den 19 Meter hohen Buddha finden kann. Jawohl. Das Viharn wird von einer weißen Marmormauer begrenzt, auf der ziemlich eindeutig kriegerische Reliefe zu sehen sind. Auch wenn die Jungs ganz schön blutrünstig daherkommen, sind die Darstellungen doch irgendwie süß und ohne Frage sind hier wieder etliche Khmereinflüsse zu sehen.
(Wat Phanan Choeng um 1900)
Natürlich müssen wir die Schuhe am Eingang ausziehen, direkt neben dem Schild, dass vor Diebstahl von Designerschuhwerk warnt. Wir geben unsere funktionalen und wasserdichten Hightech-Galoschen bei einer älteren Dame in Obhut und nichts wie rein, denn es regnet schon wieder Katzen und Hunde. Kurz hinter dem Eingang, geht natürlich die buddhistische Devotionalienrallye ab. Blattgold für Buddhafiguren gegen Spende, Kerzen gegen Spende, Tempelmuff gegen Spende, Gewänder für Mönche gegen Spende, goldene Umhänge für Buddhafiguren gegen Spende, Gutes Gewissen gegen Spende, Dekogeld gegen Spende, ein fetter Mönch auf einem Podest segnet gegen Spende und letztlich bleibt nur noch die Spende um der
Spende willen. Als wir den kommerziellen Vorhof zur Glückseligkeit hinter uns haben, betreten wir die Halle mit der 19 Meter hohen vergoldete Buddhafigur (in der Haltung der Unterwerfung des Mara), erbaut 1334, die eine der größten alten Buddhastatuen Thailands ist. Sie hat eine Kniespannweite von 20,1 Metern, womit die Figur mathematisch fast in ein Quadrat passt. Die Thai nennen sie Luang Pho Tho und natürlich müssen die Chinesen noch einen oben drauf-
legen. In der Community heißt der goldene Buddha Sam Pao Kong - der Gute Beschützer derer, die Segeln! Ich sags ja immer wieder, die chinesischen Jobbezeichnungen sind einfach kreativer als bei uns, da hieße der Buddha sicherlich schnöde Schiffahrtsinspekteur. Natürlich muss es auch noch eine gewisse spirituelle Übernatürlichkeit geben, klar, wir sind im Lande der Geister und Dämonen. In einer Legende heißt es außerdem, dass Luang Pho Tho kurz vor der burmesischen Zerstörung Ayutthayas „Tränen von den heiligen Augen bis zum heiligen Nabel“ flossen. Was soll ich sagen, heute sind seine Augen trocken, aber dafür ist die Stimmung sehr schön - offen und friedlich.
Ums Eck gibt es noch die Überreste einer Faktorei der holländischen Ostindien Kompanie, die Ayutthaya erstmalig 1604 erreichte. Der VOC Posten wurde 1634 gebaut und der König Prasat Thong garantierte den Holländern die Handelsrechte. Bis zum endgültigen Fall Ayutthayas 1765 trieb die VOC hier Handel. Zur Rekonstruktion des Baan Hollanda, wie der Ort heißt, hat übrigens Königin Beatrix maßgeblich beigetragen. Zur Faktorei gehört(e) auch eine Werft oder
Trockendock. Davor liegen ein zwei Schiffen, die aber so wenig Flusswasser gesehen haben, dass sie förmlich schreien, "Fitzcarraldo, bring uns über den Berg". Ein Grundstück weiter liegt ein Schiffsfriedhof, je nachdem, wie man den Zustand der Schiffe, die dort auf dem trockenen liegen bezeichnet. Ich vermute mal, dass die nie wieder zu Wasser gelassen werden, aber wir sind im Orient und da geschehen Wunder über Wunder!
Für die frühen Abendstunden ist Weltuntergangsregen für Ayutthaya angesagt, sodass wir uns heute früher auf den Weg machen und zum Hotel zurückfahren, was übrigens 20 Kilometer von Ayutthaya entfernt liegt.
In den vergangenen Tages ist mir aufgefallen, dass die Bergziege irgendwie mit Spiegeln unterversorgt ist. Hier fahren etliche Laster herum, die eine wahre Batterie an Spiegeln und Scheinwerfern am Fahrerhäuschen montiert haben. Hm, vielleicht müssen wir da was machen?
Außerdem sind etliche dieser Landstraßengeschosse in reflektierenden oder metallisch-glänzenden psychedelischen Mustern lackiert, dass ich mir nicht sicher bin, was die Fahrer so rauchen oder sonstwie für Pillen einwerfen. Vielleicht erzeugen die Halluzinogene ja auch das Gefühl, dass sie 1000 Augen hätten. Tja, da verstehe ich natürlich die Anzahl der Spiegel. Vielleicht ist aber auch der Zeitplan des thailändischen Truckers an sich so eng gesteckt, dass er keine Zeit hat Selfies zu machen, wie der Rest des thailändischen Volkes. Da eröffnen ja Hunderte Spiegel ganz neue Perspektiven: Spieglein, Spiegleiln an der Wand, wer ist der schönste Trucker im ganzen Land? Wunder über Wunder des Orients! Bonne nuit folks.
Anmerkung der Redaktion entweder wissen die Dollyfahrer nicht wo der Orient ist oder alle Dastellungen sind bisher KI Erfindungen