11. September 2023 - Kuala Lumpur
KM 4672
Wir stolpern in eine indische Hochzeit. Eigentlich wollten wir nur dem großen Hindutempel von Kuala Lumpur einen Besuch abstatten. Am Eingang geben wir ordnungsgemäß unsere Schuhe ab und betreten die heiligen Hallen. Normalerweise wird man als Bleichgesicht in einem Hindutempel, spätestens 20 cm hinter dem Eingang überlagert mit "Hello, my friend", was dann so klingt wie "Wolln Rose kaufen?" Heute nichts, aber so gar nichts. Man ignoriert uns. Selbst mein indisches Tuch bietet keine Kommunikationsanlässe. Nichts. Ich bin verstimmt. Nass geschwitzt, stechende Sonne, farblich der totale Visukill für die Sinne, aber alle eilen an uns vorbei. Niemanden stört unsere Anwesenheit, wir sind völlig im Off! Und das in einem indischen Tempel?!? Normalerweise ist jetzt, einen Meter hinter dem Eingang, ein Auflauf, Fragen über Fragen des Orients, Hektik, mehr Menschen kommen, Kopfwackeln, noch mehr Menschen
kommen, noch mehr Kopfwackeln. Aber nix dergleichen. Im Innenhof wird es klarer - irgendeine Party ist angesagt. Der Caterer kommt, schwer umwölkt von Chilischwaden, sosehr, dass ich Tränen in den Augen habe und schon wieder an die japanische Flagge denken muss. Alle sind rausgeputzt bis zum Umfallen. Junge Mädchen, in knappen Saris, machen Selfies, ältere Frauen, ebenfalls in knappen Saris, stehen missbilligend daneben, Herren in langen indischen Gehröcken und halbnackte Priester. Alle sind schwerst parfümiert, das ich von soviel Patschuli Schnappatmung bekomme. Eigentlich ist man sofort in Indien - voll, laut, bunt und ordentlich Patschuli. Läuft. Die Braut ist ganz jung, wunderschön, wobei ihre milchkaffeefarbende Haut zu dem Elfenbeifarbton ihres Kleides einen ziemlich perfekten Eindruck macht. Die Fotoshootings nehmen kein Ende, dabei hat das ganze Singen und Klatschen noch gar nicht angefangen. Würdige ältere Damen und Herren, offenkundig aus reichem Haus, behängt mit goldenen
Klunkern, führen wichtige, inhaltsschwangere Gespräche. Wir umrunden die Chose, denn, wir trauen uns nicht so richtig in die Tempelhalle. Die ist komplett mit Teppichen ausgelegt und am Rande kauert die Kapelle, bestehend aus einem Trommler und einem Trompeter. Das Blasinstrument sieht aus, als ob es schon zu Zeiten von Kiplings Kim verstimmt gewesen sei und die zu erwartenden Oktaven nicht über den Klagelaut einer sterbenden Ente hinauskommt, die heute morgen schon, in einem der zahlreichen chinesischen Restaurants an der Petaling Street verschieden ist. Na, dass kann ja was werden. Unermüdlich schleppt der Caterer weiterhin Chilimenüs heran. Neben der Tempelhalle sind Pavillons mit roten Plastiktischen und -stühlen aufgebaut. Dann Unruhe, wir sind eigentlich schon auf dem Weg nach draußen, der Bräutigam erscheint. Bin schockiert, denn offenkundig ist das eine arrangierte Ehe. Die Eltern gehören geschlagen, aber was solls, der Kerl scheint vermutlich viel Kohle zu haben. In seinen, viel zu engen, goldenen Schnapp geschossen, mit einem Mützchen auf dem fetten Schädel, der verdächtig einem üppigen Rosenstrauß gleicht, die Speckfalten rollen sich über einem zu engen Kragen. Die arme Braut. Aber vielleicht war es ja Liebe auf den ersten Blick? Wunder über Wunder des Orients. Postwendend beginnt die Zweimanncombo mit der Hochzeitshymne und dengelt alles aus Trommel und Tröte raus, sodass man zwei Straßen weiter immer noch denkt, es sei Feueralarm. Wir sind weiter auf dem Kolonial Walk, doch das Geschrammel begleitet uns
noch etliche Gassen weiter . . .
Unser heutiger Tag beginnt ziemlich früh, denn um 7 Uhr öffnet der Infinity Pool unserer Herberge und der anvisierte Sonnenaufgang liegt heute bei 07:02 Uhr. Im Poolbereich lungert nur ein müder Securitymann rum und ich habe den Infinity Pool für mich allein. Anni ist derweil ins hoteleigene Fitnessstudio gegangen, während ich mich langsam ins kalte Wasser gleiten lassen. Es ist kalt draußen. Ein sicheres Zeichen ist der Sicherheitsmann, der Hemd, Krawatte, Pullover und firmeneigene Windjacke trägt. 26 Grad ist etwas kühl, gebe ich zu. Tagsüber haben wir hier mindestens 32-35 Grad. Es ist bewölkt, aber das tut dem Spass keinen Abbruch. Ich ziehe vor der Skyline von Kuala Lumpur eine halbe Stunde lang Bahnen und nutze dann die
Massagedüsen. Es ist Montag morgen und im Goldenen Dreieck herrscht tote Hose. Die Straßen sind leer, nur die riesigen Flatscreens singen schon wieder ihr digitales Dauerlied vom Schönen, Teuren und Wichtigem. Kurzfristig denke ich daran, dass ich ja gar nicht zur Arbeit muss und sofort stellt sich ein Wochenendgefühl ein. Nicht schlecht für einen Montagmorgen, finde ich.
Anni ist digital durch das derzeitige Rom gejoggt. Das Fitnessstudio hat wohl etliche, höchst digitale Geräte. Da kann ich nicht mithalten, ich bin lediglich analog durch downtown Kuala Lumpur geschwommen. Von unserer Bleibe aus, ist der übermächtige PNB Merdeka 118 überall zu sehen. Da wollen wir heute morgen ohnehin vorbei schauen. Dazu müssen wir wieder nach Chinatown. Mit der Purple Line sind wir ruckzuck erneut an der Petaling Street, denn heute morgen herrscht nur mässiger Verkehr. Die Sonne ist richtig heiß geworden, doch die Bewölkung nimmt langsam zu. Der PNB 118 ist natürlich nicht schwer zu finden, dennoch finden wir keinen
offenen Eingang. Vielleicht ist er noch gar nicht fertig gestellt, trotz anderer Informationen aus dem Web? Vielleicht wollen sie ganz sicher gehen, dass auch alles hält bevor sie den Turm eröffnen? Schließlich hat er nur die Kleinigkeit von 1,56 Milliarden USD gekostet! Die Zahl 118 kommt übrigens von der Etagenanzahl, obwohl ich bezweifle, dass es 118 Etagen sind. Wie auch bei uns im Hotel, sowie auch in allen anderen chinesisch dominierten Kulturen, fehlt bestimmt die 4. Etage. Die Zahl "4" gilt in China als Unglückszahl, weil ihre Aussprache auf Mandarin dem Klang des Wortes "sterben" ähnelt. Ob das auf Kantonesisch auch so klingt? Denn, bspw in Ipoh, sprechen fast 70% der fast 700000 Einwohner Kantonesisch. Vielleicht haben die eine 4. Etage in den Hotels? Fragen über Fragen des Orients. Wir schlendern weiter zum Merdeka Square, dem
Platz der Unabhängigkeit. Alles liegt in einem 1,5 KM Umkreis zur Petaling Street. Wir müssen also wieder durch die Taschengasse, mit den 100% unechten Yves Saint Laurent-, Fendi-, Lagerfeld-, MCM-, Chanel-, und was-weiß-ich-noch für Handtäschchen. Aber hier ist noch nix los, Montag halt. Die chinesischen Touribusse reisen eh erst gegen Mittag an. Also kommen wir unbehelligt voran, begeben uns auf den Kolonial Walk, vorbei an der Jamek Moschee, die im Nebel zu liegen scheint. Sie liegt an einer kleinen Gabelung des Klang Rivers, Die Jamek Mosque, wurde 1909 auf der Stelle der alten Java Street Mosque errichtet. Der Name dieser älteren
Moschee leitete sich vom Straßennamen, Java Street, ab. An der Flusspromenade sind hunderte von kleinen Düsen angebracht, die gleichermaßen Wassernebel ausstoßen und so den Bodennebel um die alte Moschee erzeugen. Welchen Sinn das Ganze hat, vermag ich nicht zu sagen, eine Portion Mystik ist, wie gestern schon erwähnt, einem spirituellen Ort nie abträglich. Gegenüber, auf der anderen Flussseite, liegen schon die alten, aber sehr schön restaurierten, Gebäude des alten britischen Selangor Club Padang. Heute gehören die Gebäude zur Kulisse des
Merdeka Squares. Eigentlich ist der Merdeka Square eine große Rasenfläche, eingerahmt von britischen Bauten. Gegenüberliegend stehen Fachwerkhäuser, die besser nach Devonshire passen, als nach Malaysia. Aber, das haben ja alle Kolonialherren gemacht, ganz gleich welcher Coleur, sich ihre kleine Heimat in der Fremde zu erbauen. Auf der Rasenfläche vor dem Selangor Club Padang, erbaut 1897, pflegten die Herren Cricket zu spielen. Auf diesem Platz wurde, am 31.August 1957, um 12.01 Uhr die malaiische Flagge gehisst und die Unabhängigkeit ausgerufen. Der 95 Meter hohe Fahnenmast ist einer der Höchsten der Welt. Natürlich hat das
Gebäude einen Clocktower. Clocktower sind immer ein sicheres Zeichen für britische Kolonialvergangenheit. Anscheinend war es immer wichtig zu wissen, wie spät es war. Vielleicht war es aber auch nur das Symbol des zivilisatorischen Gedankens, dass man etwas so
Elementares wie die Zeit messen konnte? Egal, wo man sich auf dem Merdeka Square befindet, der PNB 118 überragt alles. Obwohl ja mehr als 100 Jahre zwischen den beiden Bauten liegen, finde ich, dass er sich gut in das Stadtbild um den Platz integriert.
Gegen frühen Nachmittag sind wir wieder an der Petaling Street, nehmen den Bus nach Hause. Wir müssen noch einkaufen und unter dem Goldenen Dreieck gibt es einen recht gut sortierten Supermarkt, die sogar Franziskaner Weißbier anbieten. Wir haben ja eine Küche und können selbst kochen. Also, theoretisch könnten wir kochen, wenn wir Töpfe hätten! Wir fragen bei Omar nach, dass ist der Majordomus von den Axxon Residences. Er verneint mit der Begründung, dass eigentlich kochen in den Apartments vom Management nicht gewollt sei. Aha, so so. Wozu dann die Küche? Wir haben zwar Töpfe dabei, die sind aber nicht induktionsgeeignet. Also behelfen wir uns mit der Mikrowelle. Nach 8 Wochen, nur mit Restaurantbesuchen, ist das auch mal ganz schön, wieder selbst zu "kochen". Für morgen stehen die Batu Cave auf dem Programm, dass sind Hindutempel, die in einem Höhlenkomplex, 15 Kilometer nördlich von Kuala Lumpur, liegen. Hoffe da ist keine Hochzeit, denn das Getröte und Getrommele, verstärkt durch ein weites Höhlenecho, würde mich fertig machen! Bonne nuit folks.
Nice pics
KI hilft bei der Wahl:
Eine arrangierte Ehe ist eine Form der Heiratsvermittlung, bei der die Familie oder ein Heiratsvermittler passende Partner vorschlägt. Eine Vermählung erfolgt allerdings nur, wenn die potenziellen Ehegatten damit einverstanden sind. Im Gegensatz dazu ist eine Liebeshochzeit eine Eheschließung, die von den Partnern aus freiem Willen und nur aus Liebe füreinander eingegangen wird.
Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass eine arrangierte Ehe dauerhafter ist als eine Liebeshochzeit. Eine Studie aus dem Jahr 2012 ergab jedoch, dass in Indien arrangierte Ehen im Vergleich zu Liebeshochzeiten eine geringere Scheidungsrate aufweisen 1. Ein weiterer Bericht aus dem Jahr 2017 ergab, dass in den USA arrangierte Ehen im Vergleich zu Liebeshochzeiten eine höhere Erfolgsquote aufweisen.
Es gibt viele Faktoren,…