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AutorenbildIngo

Rote Ziegel . . .

Aktualisiert: 30. Okt. 2023

29, Oktober 2023 - Ayutthaya

KM 8470


Irgendwie haben die Burmesen am 7. April 1767 ganze Arbeit geleistet. Vom Königspalast Wang Luang stehen nur die Grundmauern und die auch nur 40-60cm hoch, von den restlichen Bauten Ayutthayas kann man sich eigentlich nur mit viel Fantasie ein Bild machen. Bei fast allen historischen Anlagen wurde ein Modell ausgestellt, dass im Maßstab 1:100 darstellt, wie der Stadtteil mal ausgesehen hat. Die muss tatsächlich sehr schön und außergewöhnlich gewesen sein. Wir hängen mit unserem Tempelsoll ziemlich im Zeitplan, da gestern das Wetter nicht

mitgemacht hat. Dafür ist heute mehrfach Regen angesagt und die Sonne scheint zwar heiß und es ist schwül, dafür weht aber ein kühles Lüftchen, wie mein Vater sagen würde. Es ist Sonntag und irgendein buddhistisches Fest, daher ist die Autobahn gerammelt voll. Um 10 Uhr stehen wir vor einem recht leeren Wat Ratchaburana. Das Wat liegt relativ zentral in der Altstadt von Ayutthaya. Trotz aufwendigster Renovierungsarbeiten machen die verbliebenen Bauten einen ziemlich derangierten Eindruck. Etliche der glockenförmigen Chedis stehen noch, bzw wurden restauriert. Fast alle Buddhafiguren sind nur in Einzelteilen vorhanden. Dennoch bekommt man einen guten Eindruck, wie prächtig dieser Teil des ehemaligen Königreiches gewesen sein muss.

Spannend ist, dass alles aus flachen roten Ziegeln gebaut wurde. Anders als die Römer, die die Hohlräume zwischen Ziegelwänden mit dem sogenannten Opus caementicium , eine "betonartige" Substanz, aus- bzw. angefüllt haben, scheinen hier die roten Ziegel die Baukörper komplett auszufüllen. An etlichen Stellen ist der Boden unter dem Gewicht abgesackt, was dazu führt, das die Bauten nicht auseinanderbrechen, sondern in sich versacken und aus ehemals geraden Sockeln sich jetzt Schlangenlinien bilden. Die flachen, relativ kleinen Ziegel, "funktionieren" dabei wie die Glieder einer Stahlkette. Ob das bewußt so konstruiert wurde oder ein architektonischer Nebeneffekt ist, weiß ich nicht. Auf jeden Fall gibt es etliche Bauen, deren geraden Ziegellagen zwischendurch etwas wellig sind. Mittig in der Anlage steht der große

Prang (Tempelturm), dessen Spitze noch etliche Verzierungen aufweist, die von früherer Glorie künden. Dabei kann man noch hier und da Nagas, Schlangenwesen oder Schlangengottheiten erkennen oder auch Garudas, ein schlangentötendes, halb mensch-, halb adlergestaltiges Reittier des Vishnu. Klar, was auch sonst? Der Rest sind rote Ziegel, an jeder Ecke und überall. Die Symmetrie der Khmerbaumeister ist bestechend, auch heute noch. Alle Teile der Anlage sind um den Zentralbau angeordnet, alle Wege führen nach Rom sozusagen. Die glockenförmigen Chedis stehen an den Eckpunkten und in Verbindung mit vielen schattenspendenden Bäumen entsteht eher ein gartenhafter Eindruck. Zu dieser Stimmung trägt auf jeden Fall bei, dass wir fast allein sind. An manchen Stellen gibt es Reliefüberreste, deren inhaltlicher Kontext leider


nicht mehr zu entschlüsseln ist, dazu gibt es zu wenig Informationen in der Anlage. Wann das Wat Ratchaburana letztendlich gebaut wurde ist nicht ganz klar. Darüber gibt es verschiedene Chroniken, die einen sagen 1424, die anderen sagen 1430. Fakt ist, dass das Wat natürlich wieder einmal mit einer schaurigen Story zusammenhängt. Es gab drei Brüder, alles Prinzens was sonst. Prinz Nummer 1, Chao Ai Phraya und Prinz Nummer 2, Chao Yi Phraya haben sich um den Thron gekloppt. Soweit normal in allen Geschichten dieser Erde. Aber man war ja ein bißchen snobby und hat sich nicht Rücken an Rücken aufgestellt, mit guten alten Duellpistolen, nein, man musste das Händel ja mit Elefanten austragen. Beide Prinzen kamen dabei unter die Räder und der Jüngste im Bunde wurde König Borommaracha II. und regierte 1424 bis 1448. Und, wie kann es anders sein, das Wat Ratchaburana wurde errichtet, um die Asche der beiden Elefantenreiter aufzunehmen. Ob das alles so stimmt ist nicht hundertprozentig zu klären. Aber, wie gesagt, eine schöne Legende oder eine griffige Story, hat noch nie einem historischen Platz geschadet.

Der Prang hat eine Kammer im Innern, die man besichtigen kann. Das darin befindliche Gold, der Schmuck und die goldenen Buddhafiguren sind im Nationalmuseum in Ayutthaya zu besichtigen. Eigentlich ist nix mehr in der Kammer, nur ein paar Fledermäuse, die an der Decke versuchen Schlaf zu bekommen, aber bei der Selfieflut, mit allen möglichen leuchtenden digitalen Geräten, werden die hängenden Kollegen heute wohl heftige Augenringe haben. Jedenfalls waren sie ziemlich ungeschmeidig. Erinnert mich ein bißchen an die Situation, Muezzin und Hahn in Indonesien . . . Was soll ich sagen?

Nach soviel Kultur brauchen wir eine Pause, um unsere angetrockneten Zungen wieder zu lösen. Neben dem Wat Ratchaburana steht ein altes, sehr schönes Thaihaus, in dem sich jetzt ein Restaurant befindet. Wir müssen die Schuhe ausziehen, damit der polierte Holzfußboden nicht leidet. Socken sind ok, wird uns signalisiert. Kein Wunder, denn alle Tisch- und Stuhlbeine haben Söckchen übergestülpt, so wegen Kratzer auf dem Fußboden. Die Karte bietet keine Softdrinks


an, daher stürzen wir uns auf die frischen Fruchtsäfte mit Sprudel. So nach drei Monaten kohlensäurelosen Wassertinkens, ist so ein Passionsfruchtsaft mit schnödem Sprudel auf Eis ein Highlight! Hemmungslos trinke ich noch einen Saft in dem Saftladen und Anni probiert einen Butterfly Pea Soda, dessen violette Farbe etwas künstlich aussieht. Ist sie nicht und schmeckt auch hervorragend.

Wir fahren weiter zum Liegenden Buddha, der sich im Wat Lokayasutharam befindet. Von dem Wat als solchem ist nicht viel übriggeblieben, ausser den 30cm hohen Grundmauern, natürlich aus flachen, roten Ziegeln gebaut. Außerdem hat irgendwann einmal eine Halle den liegenden

Buddha umgeben, deren rudimentären Fundamente sind noch geometrisch verteilt um den liegenden Kerl zu sehen. Die Figur ist etwa 40 Meter lang, 8 m hoch und besteht aus Ziegeln und Mörtel, der verputzt wurde. Direkt davor hat man einen kleinen liegenden Buddha aufgestellt, den die Gläubigen vergolden können. Trotz der brennenden Sonne sind viele Gläubige hergekommen, haben Lotosblüten und Tempelmuff dabei. Etliche knien vor dem liegenden Buddha, kontemplativ ins Gebet versunken. Wir haben schon etliche liegende Buddhas gesehen, besonders in Myanmar, und auffällig ist, dass alle einen unglaublich friedlichen Gesichtsausdruck haben.

Interessant ist, dass die Figur nicht wie üblich in Ost-West-Richtung, sondern in Nord-Süd-Richtung ausgerichtet ist. Der Kopf liegt auf vier Lotos-Knospen und wird von der rechten Hand abgestützt. Es gibt leider keinerlei Informationen darüber, wann und unter welchen Umständen dieses Wat gebaut oder gegründet wurde. Macht nichts, im Schatten sitzen und die Menschen beobachten macht auch Spass. Heute sind wieder Touristen unterwegs, dass wir uns nur wundern. Am Eingang eines jeden historischen Monuments muss in Thailand "respektvolle"

Kleidung getragen werden, von Männern und Frauen. Schultern bedeckt, kein Trägershirt, kein Bauchfrei, keine kurzen Hosen oder Miniröcke . . . Was soll ich sagen, die Batikhosen- und Hemdenindustrie Thailands hat heute wieder mal ein Bombengeschäft gemacht. Schon spannend, was hier so Europäer an Bekleidung tragen, oder besser formuliert, wie wenig man tragen kann. Das meiste davon hätte, in meiner Jugend zumindest, sogar einem gefallenen Engel der Straße die Schamröte ins Gesicht getrieben . . . Aber wir müssen weiter, die Tempelliste abarbeiten, denn der Himmel zieht sich bedrohlich zu. Also die Bergziege satteln und weiter.

Das Wat Phra Ram liegt inmitten der Altstadt von Ayutthaya. Außerdem streitet man sich, wann die roten Ziegel hier offiziell aufeinander gestapelt wurden. Irgendwann zwischen 1300 und 1400 reicht für mich. Die Ähnlichkeiten aller Bauten hier mit Angkor Wat ist frappierend und ich freue mich auf einen weiteren Besuch in Angkor. Bei der Gelegenheit, wir haben inzwischen den Kontakt von einem kambodschanischen Agenten, der uns mit der Zollgenehmigung für die Bergziege helfen kann. Da sind wir einen Schritt weiter, denn alle Quellen sagen, dass offiziell nichts geht. Wir werden sehen, ein Problem nach dem anderen. Zurück zum Wat Phra Ram. Ein holländischer Maler hat 1650 eiine Stadtansicht von Ayutthaya gemalt (Iudea: hängt Rijksmuseum in Amsterdam) und auf der sind an der betreffenden Stelle wohl Chedis, ein Viharn und ein Prang zu sehen. Ebenso hat wohl ein unbekannter französischer Ingenieur einen

Stadtplan von Ayutthaya angelegt, wobei er den heutigen Stadtort des Wat Phra Ram mit Grande Pagode tituliert. Also wann ist egal, im 17. Jahrhundert gibt es das Wat Phra Ram also offiziell verbrieft. Dieses Wat ist nicht so gut erhalten, wie das Wat Ratchaburana, ist aber ähnlich sich symmetrisch aufgebaut. Da das Gelände wohl recht sumpfig war, wurde für die Fundamente Sediment zum Einebnen der Flächen benötigt. Die Stelle, wo die Erde abgetragen wurde, hat man zu einem Lotossee umfunktioniert, der heute noch existiert. Der Platz ist sehr populär zum

Picknicken, deshalb ist er ziemlich vermüllt. Außerdem geht gerade, Regenzeit bedingt, eine ziemliche Mückenplage von jeglichem Wasserloch aus, sodass wir uns von dem romantischen Plätzchen gut fernhalten können.

Das Wat Yai Chai Mongkon befindet sich südöstlich, außerhalb der alten Stadtmauer von Ayutthaya an einem Seitenarm des Pak Sam Flusses. Das sind etwa 5 Kilometer von Ayutthayas Altstadt entfernt. Dazu müssen wir über eine ziemlich verstopfte Schnellstraße fahren, die den Fluss mit einer recht hohen Brücke überspannt. Sechsspurig geht es über die Brücke und wir nehmen natürlich den Seitenstreifen, der für Mopeds und Tuktus reserviert ist. Auf der Spitze des Brückenbogens strampeln zwei wüst schimpfende, unverkennbar deutsche Touristen, auf zwei rostigen Fahrrädern und regen sich mächtig über den unkontrollierbaren Verkehr auf. Der Mann schüttelt permanent den Kopf und hat eine Laune, die bestimmt zu einem angenehmen Abend führt. Überlege kurz, ob ich hupen soll, schließlich versperrt er die Mopedspur, aber schließlich sind wir hier im Königreich Siam, eine Kulturstääte und nicht in irgend einem Dorf in den Bergen Indonesiens. Jawohl. Warte, bis das Tuktuk hupt und ziehe im Windschatten dessen Überholmanövers hinterher.

Das Wat Yai Chai Mongkon wurde auf Befehl von Ramathibodi I. dem ersten König von Ayutthaya gebaut. Das Wat diente den, von Ceylon zurückkehrenden Mönchen, als neue Heimat, nachdem sie dort buddhistische Lehren studiert hatten. Mancher Geschichtsschreiber spekuliert, dass König Naresuan auf dem Gelände des Tempels einen ca. 80 Meter hohen Chedi bauen ließ, so um das Jahr 1592, auf dass sich auch alle Untertanen an sein erfolgreiches Elefantenduell mit dem burmesischen Kronprinzen erinnern mögen. Natürlich musste der burmesische Kronprinz dran glauben . . . Aber, wie das so mit historischen Fakten ist, dann kommt ein anderer Historiker und findet in einer anderen Quelle irgendein anderes Detail und in diesem Fall wird vermutet, dass das Wat erst zwischen 1656 und 1666 den hohen Pin bekommen hat. Also nix Duell, nix Elefant und nix burmesischer Kronprinz. Was soll ich sagen?

Aber trotz dieser schwierigen historischen Faktenlage ist hier der Bär los und der Pabst boxt im Kettenhemd. Ok, der Pabst ist kein guter Vergleich, der Dalai Lama boxt hier im Kettenhemd. Besser! Die Gläubigen schieben sich um den Liegenden Buddha, in, um und um den zentralen Tempel herum sind Schlangen von Menschen unterwegs. Die quadratisch aufgebaute Anlage, hat einen äußeren Wandelgang, der gesäumt wird von sitzenden Buddhas. Auf der einen Seite

haben die Figuren kein goldenes Lätzchen, wo hingegen auf der anderen Seite alle schön in goldenen Fludder gewandet sind. Hat natürlich mit den Devotionalien zu tun. Den goldenen Schnapp kann man spendenmäßig erwerben und dann wird jeweils eine Figur eingekleidet. Wenn man hinten angekommen ist, werden die goldenen Laken natürlich abgenommen, sodass immer genügend unbekleidete Buddhafiguren rumsitzen. Ich will hier ja nicht direkt von einem Geschäftsmodell sprechen, aber irgendwie drängt sich der Gedanke doch ein bißchen auf.

So nu´is´genug Kultur für einen Tag. Wir brausen heim und packen. Morgen geht es nach Bangkok. Unser Hotel liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums, damit wir nicht in den verkehrstechnischen Supergau kommen. Bin gespannt, wirklich, denn ich war seit gut 20 Jahren nicht mehr in Bangkok, von Flughafenbesuchen mal abgesehen. Wird sich wohl nicht so verändert haben, oder? Bonne nuit folks.



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Marc Luetjens
Marc Luetjens
Oct 30, 2023

KI klärt auf:

Die traditionellen Ziegel in Thailand sind rot, weil sie aus rotem Ton hergestellt werden, der in vielen Teilen des Landes vorkommt. Der rote Ton enthält Eisenoxid, das beim Brennen der Ziegel eine rötliche Farbe annimmt. Die roten Ziegel sind seit Jahrhunderten ein typisches Baumaterial in Thailand und spiegeln die kulturelle und architektonische Identität des Landes wider.

Das Eisen oxidiert beim Brennen im Ofen und verleiht den Ziegeln eine rote Farbe. Die Farbe kann je nach Brenntemperatur und -dauer variieren, aber die meisten thailändischen Ziegel haben einen hellroten bis orangefarbenen Ton. Die roten Ziegel sind in Thailand sehr beliebt, weil sie eine lange Tradition haben und als Symbol für Glück und Wohlstand gelten. Sie werden oft für Tempel,…

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