22. November 2023 - Von Chiang Rai nach Chiang Mai
KM 11105
War heute schon irgendwie ein witziger Tag. Wir sind früh raus, wir müssen ja werkstattbedingt zurück nach Chiang Mai. Das ist nicht optimal, so streckentechnisch, da wir eigentlich noch hoch in Goldene Dreieck wollen. Aber in Chiang Rai gibt es keine Möglichkeit eine Inspektion machen zu lassen. Die Werkstatt, die uns empfohlen wurde, wollte nicht in BMWs rumschrauben und die zweite Big Bike Werkstatt sah so wenig vertrauenserweckend aus, dass ich die Bergziege da nicht zum technischen Spa geben wollte. Wir hatten aber zur Sicherheit in Chiang Mai mit einer Werkstatt schon einmal einen Termin vereinbart. Es gibt hier zwar eine BMW-Vertretung, die hat aber derart grottige Bewertungen für ihre Schrauberkünste bekommen, dass ich das auch nicht besonders vertrauenswürdig einstufen konnte. Vertrackte Situation!
Daher sind wir um halb 10 auf der Bundesstraße 1, Richtung Bangkok. Als wir gestern am Wat Rong Khun waren, also im Volksmund "Weißer Tempel" genannt, kam uns die Idee - stumpf - die Bergziege direkt davor zu parken und ein Reisefoto zu machen. Das der Himmel strahlend blau ist, muss ich nicht erwähnen? Oder? Es sind gut 15 Kilometer zum Wat Rong Kuhn und wir lassen es geruhsam laufen. Wenn die frische Morgenluft, die ist jetzt hier wirklich frisch, so 24 Grad, durch den Helm bläst, ist das ein unglaublich guter Start in den Tag. Den Abzweig zum Weißen Tempel erreichen wir etwas später, als gestern. Es sind heute schon Busladungen von Touristen da, wesentlich mehr Andrang, als ich es um diese frühe Zeit vermutet hätte. Aber wir fahren an allen parkenden Autos vorbei und biegen einfach in die Zufahrt zum Ticketschalter ein. Der geneigt Leser muss sich das jetzt so vorstellen, als würde man in Neuschwanstein an der Besucherschlange über die Brücke vorbeifahren und auf dem Burgvorhof parken wollen. Ich
fahre einfach an einem offiziellen Mitarbeiter vorbei, der an seinem Hut, der ein offizielles Wat Rong Khun Logo trägt. Aber er ist scheinbar zweiradbegeistert und hält mir den Daumen hoch. Die Thais sind im Speziellen, wie die Asiaten eigentlich alle, völlig motorradverrückt und so klatscht er in die Hände, als wir vorbeirauschen und ich 50 Meter weiter vor dem Tickethäuschen wende. Wir rollen zurück und ich parke mit dem Auge des Fotografen zielsicher, dass wir alten Mopedposer direkt den Weißen Tempel im Hintergrund haben. Da kommt der Mitarbeiter auch schon auf uns zu gerannt und ich mache mich auf eine Diskussion gefasst. Doch er ruft laut auf Thai alle möglichen Leute her, zeigt auf die Bergziege, gestikuliert, lacht,
schüttelt den Kopf und will plötzlich auf Englisch wissen, wer wir sind, wieso, weshalb, warum und überhaupt. Ich sage ihm, dass wir nur schnell ein Foto machen und wieder verschwunden sind. Dann wird er ganz ruhig und bedeutet mir, dass wir so lange da stehen bleiben können, wie wir wollen, denn schließlich würde ihm der Tempel gehören. Aha, so so, "Mr Chalermchai?" Jau, dass bin ich. Egal, wer seid ihr?" Und schon sind wir im Gespräch. Er fährt auch Moped, Big Bike - 1250 - versteht sich. Er ruft einen Haufen Leute zusammen und beginnt ein Video zu drehen. Filmt uns, sich selbst, die Bergziege, dabei ist er ganz aufgeregt, freut sich wie ein kleines Kind, umrundet die Bergziege, lacht immer wieder schallend. Begutachtet die Ersatzreifen, das Gepäck, dann wieder uns. Seine Mitarbeiter sollen unbedingt Fotos machen. Inzwischen hat sich so etwas wie ein Menschenauflauf gebildet. Thailändische Handykameras laufen
ununterbrochen und, angelockt vom Trubel, beginnen westlich aussehende Touristen vorsichtshalber mal auch zu fotografieren. Schließlich weiß man ja nicht, ob es nicht irgendwelche Promis sind, die inkognito reisen. Wir sind mitten in einem Mopedgespräch als Anni schon ein Reiseinterview geben muss, was einer der Mitarbeiter aufzeichnet. Ich frage, ob wir ihn auf einen Kaffee einladen dürfen, worauf er schallend lacht und sich wie ein Kind freut, dass wir Zeit für ihn haben. So landen wir in einem Café mit Blick auf Bergziege und Tempel und er beginnt von seiner Deutschlandreise zu erzählen, wo er kürzlich
eine geführte Motorradreise unternommen habe, die über die Alpen gegangen sei. So kommen wir auf Touren, Routen und Reisen. Zwischen durch werden wir immer unterbrochen, weil sich Thais und Westler mit ihm ablichten wollen. Natürlich werden wir verstohlen mit fotografiert, da Mr Chalermchai mit den beiden Farangs lässig und unverkrampft Kaffee trinkt, müssen wir wichtig sein. Da sitzen zwei Bleichgesichter im Mopedklamotten und quatschen entspannt mit der lebenden Kunstlegende Thailands, von Königen und Reichen, national und international hofiert - wir müssen wichtig sein. Ältere Thaidamen entschuldigen sich höflichst, ob sie unser Gespräch unterbrechen dürften, für ein Foto mit dem Meister. Wir versuchen uns ein wenig aus der unfassbar rasend entstandenen Aufmerksamkeitszenerie zurück zu ziehen, doch das läßt Mr. Chalermchai auf keinen Fall zu. Immer wieder erklärt er den thailändischen und
internationalen Tempelbesuchern, wer wir sind und was mir machen. Er ist unfassbare 68 Jahre alt, sieht aber aus wie Mitte 40. Ich bin wirklich erstaunt. Meditation und Mopedfahren, lautet seine Antwort. Ob das nicht das Gleiche sei, frage ich, woraufhin er wieder in schallendes Gelächter ausbricht. Er trägt die gleichen Mopedstiefel wie wir, was ihn sehr amüsiert, denn Beckham hat die auch, berichtet er vergnügt. Aha, so so. Eine wirklich herzliche Stimmung am Tisch und er erzählt immer wieder von seiner Deutschlandtour. Dabei hat er aber auch die ein oder andere Frage zum System. Die Geldstrafe für das Überfahren roter Ampeln würden ihn schon sehr erstaunen und wie wir damit umgehen würden. Überhaupt, der Verkehr sei sehr langweilig, wobei es nun an uns ist, schallend zu lachen. Anni erklärt ihm, dass ich nach diesem Jahr Mopedfahren in Asien vermutlich nie wieder ins deutsche Verkehrssystem passen werde.
Er nickt, verständlich, völlig klare Sache. Irgendwie vergeht die Zeit wie im Flug und um das Café hat sich ein lauernder Kreis aus Besuchern gebildet, aus dem heraus permanent gefilmt und fotografiert wird. Hunderte von Menschen fotografieren sich mit der Bergziege vor dem Weißen Tempel. Sehr skurril. Als ich zur Bergziege gehe, um einen von unseren Aufklebern für Mr Chalermchai zu holen, sprechen mich junge Touristinnen an und wollen wissen, wer wir sind und wieso wir Chalermchai so gut kennen. Kurzfristig bin ich versucht zu sagen, dass wir gemeinsam zur Schule gegangen sind, erwähne aber nur, "er fährt auch Motorrad." Schon spannend. Er hat ebenfalls einen Aufkleber für uns, den es ausschließlich am Weißen Tempel gibt und der wohl in Thailand ebenso legendär ist, wie sein Schöpfer. Als ich ihn auf das Windschild klebe, grinst Chalermchai mich an und sagt, der Film ist schon online, morgen kennt jeder in Thailand eure Reisegeschichte. Tatsächlich zeigt er uns auf seinem Handy, dass die Story schon gepostet ist und lacht aus vollem Herzen.
Den Filmclip, den er sofort gepostet hat, lege ich auf der Webseite in die Videothek. Wir haben seine Kommentare mit Hilfe von Google übersetzt. Er sagt sinngemäß folgendes:
Heute ist ein guter Freund aus Deutschland mit seiner tollen Frau auf dem Motorrad vorbei gekommen. Sie fahren mit dem Motorrad durch Thailand. Das ist seine Frau, ach so süß. Und sie sind extra zum Wat Rong Khun zu Besuch gekommen, unglaublich, großartig. Es gefällt ihnen hier, das merkt man. Wow, was ein Team, die Besten. Schaut euch dieses Motorrad an, sie fahren eine 1200er. Wir haben besprochen, dass ich auch eine 1250er fahre. Leute schaut euch dieses gepackte Motorrad an, oh mein Gott, ihr seid die Besten. Wow, schaut euch nur diese (Ersatz-) Reifen an, auf den Koffern sind Flaggen und hier hinten sind die Flaggen Thailands und des Buddhismus. Wow, und habt ihr auch gesehen, dass da eine stilisierte Ringelgirlande am Koffer ist? Unglaublich! Super ihr Zwei - herzlich willkommen am Wat Rong Kuhn!
Beim Abschied nimmt er uns in die Arme und ist ganz gerührt, wir ehrlicherweise auch. Als wir losfahren, winkt der halbe Tempel hinterher und er ruft uns noch Vaya con Dios nach, allerdings auf Thai.
Dann sind wir wieder auf der Landstraße und rollen gen Süden. Es ist wenig Verkehr was eine gemütliche Geschwindigkeit erlaubt. Wir haben heute keine Termine, müssen nirgendwo hin, außer ins Hotel. Der Werkstatttermin ist erst morgen und so haben wir Zeit. Immer der Sonne entgegen, über Berge, durch Täler, vorbei an Feldern und Wäldern. Einmal müssen wir völlig verdutzt anhalten, denn am Straßenrand steht die Ruine von Angkor Wat und kurzfristig glaube ich mich verfahren zu haben. Der Backs scheint mal als Raststätte oder irgendetwas
touristisches gewesen oder zumindest als solches geplant gewesen zu sein. Dennoch ist es ziemlich befremdlich, hier in den Bergen, ein solches Bauwerk vorzufinden. Um 2 Uhr sind wir in Chiang Mai, ohne nennenswerte Staus oder Schwierigkeiten. Wir fahren direkt zur Werkstatt, werden freundlichst begrüßt und sprechen noch einmal alles durch. Das Wichtigste ist sicherlich der Ölwechsel, denn Öl und Filter haben jetzt 11000 Kilometer auf der Uhr und müssen dringend raus. Aber er ist vorbereitet und morgen um 10 gehts für die Bergziege ins technische Spa.
Heute Abend waren wir in einem Restaurant, das die gesamte Geschäftsqualität ins Essen steckt und nicht ins Interieur. War eine Internetempfehlung und definitiv hat es super gemundet. Pad Thai (einfaches, aber richtig leckeres Nudelgericht), Massaman Curry und Khao Soi, super lecker. Die Bude war auch um kurz nach 7 schon so gerammelt voll, dass es restlos ausgebucht war. Interessant war ein älteres Thaipärchen, dass die ganze Zeit zu uns überschaute. Da wir nicht die einzigen westlichen Reisenden im Restaurant waren, wirkte es seltsam. Beim rausgehen wurde etwas verstohlen die Bergziege mehrfach fotografiert. Normalerweise sprechen uns ausschließlich Männer auf das Moped an, aber die Fotos hat die ältere Dame gemacht. Beim Verlassen der Lokalität fotografiert sie uns auch verstohlen und ich lächle sie an, wobei sie unschlüssig ist, ob sie uns ansprechen soll. Vielleicht folgt sie ja dem Channel von Mr. Chalermchai . . . Wunder über Wunder des Orients! Bonne nuit folks.
KI kennt angeblich ein Zitat von Chalermchai:
Eines Tages besuchte ihn ein Freund in seinem Atelier und fragte ihn: “Chalermchai, wie machst du das nur? Wie schaffst du es, solch wunderschöne Kunstwerke zu erschaffen?” Chalermchai antwortete: “Nun, ich beginne damit, eine weiße Leinwand zu nehmen und sie dann zu bemalen, bis sie nicht mehr weiß ist.”