19, September 2023 - Ipoh
KM 5107
Ab 60 Höhenmeter erscheint auf meinem Drohnencontroler die rot unterlegte Nachricht, "das sich das Fluggerät in einer nicht autorisierten Zone befindet und die automatische Landung in 93 Sekunden eingeleitet wird!" Tatsächlich rechnet eine Uhr auf dem Display, die ich noch nie vorher gesehen habe, von 93 Sekunden runter. Also lande ich mein Fluggerät selbst, bevor es gezwungenermaßen im Schildkrötenteich landet. Das ist neu. Am Sam Pop Tong Tempel darf mein nicht höher als 60 Meter fliegen. Frage mich kurzzeitig, ob das auch für Drachen gilt, oder nur für Drohnen . . .
Wir sind heute mal früh raus, denn der Wetterbericht hält für Ipoh in den frühen Nachmittagsstunden heftige Gewitter bereit. Zum Sonnenaufgang stehe ich auf dem Balkon unseres Apartments und schaue mir den Sonnenaufgang über den Zinnbergen Ipohs an. Eigentlich hat Ipoh keine richtige Skyline, die markantesten Gebäude sind die zinnverarbeitenden Fabriken, die neben den Minen in den Himmel ragen. Kaum Wolken, relativ milde Luft, es verspricht ein schöner sonniger Tag zu werden. Auf dem Programm stehen heute mehrere buddhistische Höhlentempel, die in verschiedenen Tropfsteinhöhlen um Ipoh verteilt zu finden sind. Einmal mehr ist es toll, dass wir die Bergziege dabei haben, so sind solche Ausflüge einfach zu machen.
Der Kek Lok Tong Tempel liegt ungefähr 9 Kilometer von unserem Hotel entfernt und bei strahlendem Himmel rollen wir den Bergen entgegen. Der Tempel befindet sich in einem kleineren Bergmassiv, das ein wenig an große Ostereier erinnert, die aneinandergeflanscht sind. Dicht grün bewachsen, ragen sie bestimmt 100-150 Meter hoch über den Parkplatz, der zu dieser Tageszeit noch völlig im Schatten liegt. Keine 10 Fahrzeuge auf dem Parkplatz versprechen einen ruhigen, besinnlichen Besuch des Tempels. Am Eingang wird darauf hingewiesen, dass das Mitbringen von Hunden, Katzen und Kaninchen(!) verboten ist. Aha, so so? Wir sind ein bißchen sprachlos, denn, mal ganz ehrlich, welcher Volltrottel bringt sein Kaninchen mit in einen buddhistischen Tempel, wo es von Affen nur so wimmelt? Überhaupt, wer nimmt sein Kaninchen mit auf eine Sightseeingtour? Allerdings haben wir in Chinatown in Kuala Lumpur eine Touristin gesehen, die auf dem Rücken einen netzumspannten Behälter mit Tragegurten trug und darin ihre Katze saß. Ich meine, Chinatown, Chinesen, jede Menge Garküchen, so süßsauer, gedünstet, wer weiß? Vielleicht war es ja ein Einkauf . . . Doch zurück zum Tempel. Neben dem Verbot Kaninchen mitzubringen, wird auch gebeten, die Affen und Schildkröten in den Teichen nicht zu füttern. Etliche Überwachungskameras lassen darauf schließen, dass es durchaus Besucher gibt, die vielleicht Einschätzungsschwierigkeiten im Hinblick auf moralische Benimmregeln haben, wer weiß? Angeblich ist dieser Tempel der größte buddhistische Höhlentempel Asiens. Die Tropfsteinhöhle ist groß, ohne Frage, doch irgendwie sind wir ein bißchen enttäuscht. Der Boden ist mit Marmor belegt, die religiösen Figuren haben alle einen blankpolierten Marmorsockel und das Ganze hat mehr so was von einer Fliesenausstellung im Baumarkt, was von den, atmosphärisch fragwürdigen, Neonröhren noch unterstützt wird. Man kann durch die Höhle hindurchgehen und am hinteren Ausgang befindet sich eine parkähnliche Anlage, mit Tretbooten, Fahrrädern und kleinen Teehausimitationen aus dem 17 Jahrhundert. Der Name der Höhle verheißt "Great Happiness", wobei ich mir nicht ganz sicher bin, wo hier die Große Glückseligkeit herkommt. Alles ist turbogepflegt, kein Blatt liegt herum, anscheinend erwartet man einen Ansturm etlicher Reisebusse. Im Schatten hocken
gelangweilt einige Affen. Wir werden genau gescannt und achtlos links liegen gelassen. Wir haben keine Plastiktüten oder Essbares in den Händen, nichts, was den Aufwand einen gezielten Familienangriffs lohnen würde. Also bleiben wir stehen und nach ein paar Minuten beginnen die Jungtiere ausgelassen zu spielen. Ein älteres Exemplar behält uns im Auge und nach etwa 10 Minuten verscheucht die Alte die Kids, denn auf der anderen Seeseite scheint eine schnatternde Rentnergruppe aus China durch den Park zu toben. Viel lohnender als wir, definitiv. Zack und schon ist die Affenbande abgerauscht, um sich zu formieren. Wir rauschen auch ab, denn so
richtig will der spirituelle Funke bei uns nicht überspringen. Wir setzen all unsere Hoffnung in den Sam Poh Tong Tempel, der nicht weit entfernt liegen soll. 3,5 Kilometer später fahren wir links von der Hauptstraße auf einen Parkplatz, parken die Bergziege im Schatten, zwischen einem halben Duzend älterer Chinesen, die in der Kühle hocken und angeregt miteinander quasseln. Vielleicht wird es drinnen schöner, versuche ich Anni aufzumuntern, denn sie macht ein Gesicht. Vermutlich sehe ich gleichermaßen verdutzt aus, denn hier präsentiert sich eine, sagen wir mal vorsichtig, disneylandverdächtige spirituelle, tja, was eigentlich??? Alles ist knallbunt und so kitschig, dass wir nicht wissen, ob das nicht einfach nur das Kinderparadies für
Samstagnachmittage ist. Eher lustlos wackeln wir eine Runde durch die räucherstäbchengeschwängerte Rummelplatzatmo, bevor wir unsere digitale Karte bemühen und feststellen, dass wir einen Parkplatz zu früh rausgefahren sind. Also eins weiter. Aha, dass sieht ja schon mal ganz anders aus. Vielversprechend. Ein altes chinesisches Tor vor der Höhle, ein verwitterter Torbogen, jetzt kommen die scharfen Sachen. Aha, soso! Wir folgen dem Geruch des Tempelmuffs, erklimmen die Stufen und stehen in einer zugigen Eingangshalle. Auch wenn der Himmel noch strahlendstes Blau hat, die Luftfeuchtigkeit steigt minütlich und kündigt Regen
an. Im Innern wieder Neon, schnatternde Tempelangestellte und der Tempel selbst mehr so eine Mischung aus Bahnhofshalle und Garküche. Leider werden die oberen Stockwerke gerade renoviert, sodass wir nicht tiefer in die Höhle können, wo die eigentlichen Figuren und Bilderstöcke zu sehen sind. Aber wir können in den Garten. Wieder gibt es einen gartenähnlichen Bereich, dieser ist aber im Innern des Bergmassivs, nahezu kreisrund und nach oben offen. Mittig steht eine große, mehrstöckige Pagode, die wild zugewachsen ist. Irgendwie uhrig. Leider ist die Pagode nicht zugänglich. Aber ich beschließe meine Drohne fliegen zu lassen, um einen Überblick über die Anlage zu bekommen. Außerdem stand nirgendwo, dass es drohnenfreie Zone ist. Ich filme den Aufstieg bis auf 60 Meter, dann die Zwangslandung. Anni ist nervös, sieht uns schon in Handschellen in einem kantonesischen Knast unser restliches Sabbatical fristen. Nix passiert, vielleicht gibt es eine militärische Anlage oder eine sensible Zinnabbaumine ums Eck, wer weiß? Was uns richtig fertig macht, ist ein Schildkrötengehege. Angefüllt mit zahllosen goßen, kleinen, alten, steinalten und jungen Rotwangenschildkröten, einem schlickrigen, vermodertem Wasserbecken und einer teils beschatteten, gepflasterten Fläche. Aber Chinesen und Tierhaltung ist ein Thema für sich . . .
Diese Pagode und der Außenbereich der Höhle ist schon sehr schön, leider gibt es keinerlei Informationen, geschweige denn irgendetwas auf Englisch. Muss das heute mal nachrecherchierten. Die nächste Höhle liegt 15 Kilometer weiter nördlich, schon fast bei unserem Apartment. Es ist bereits 12:30 Uhr und Annis Wetterbericht sagt, dass die Gewitter früher zu erwarten sind, so gegen 15 Uhr. Also sputen und wir eilen, unter der inzwischen sengenden Sonne, dem Perak Cave Tempel entgegen.
Der Perak Cave Temple ist berühmt wegen seiner Malereien. Neben einer 10 Meter hohen Buddhafigur, sind die Wände mit den unterschiedlichsten Motiven bemalt. Jedes Motiv scheint von einem anderen Künstler erstellt worden zu sein. Worum es sich handelt ist für uns nicht ersichtlich, denn von der offenkundigen Konkubine, bis hin zu klassischen "Gebirgsmalereien" der chinesischen Klassik ist alles dabei. Irgendwie wirkt es wie eine überdimensionierte Galerie, wo verschiedene Werke ausgestellt sind. Herausfinden läßt sich lediglich, dass der Tempel 1926 von buddhistischen Priestern aus China gegründet wurde und der Älteste in ganz Ipoh ist.
Der Berg, der die Höhle beherbergt, ist etwa 120 Meter hoch. Eine enge, steile Treppe führt durch die Kalksteinwände des Berges zu einem Oberlicht, von wo aus man auf die Spitze zu einem kleinen Pavillon gelangt. Allerdings ist die, bestimmt früher sehr schöne Aussicht, heute dazu verdammt, auf die Zinnindustrie zu blicken.
Eigentlich sind die Höhlentempel ganz schön, in Anbetracht ihrer jungen Geschichte. Wir haben uns nur etwas völlig anderes vorgestellt. Ich erinnere mich daran, dass ich mal in Laos in der Höhle der 5000 Buddhas war. Angepriesen vom Reiseführer, den Hoteliers, dem Fremdenverkehrsamt von Luna Prabang usw. Also, mit einem Longtail über den Mekong bis zur Höhle, die 20 Meter über dem Wasser in einer Felsspalte 5000 Buddhas enthalten sollte. 90% der 5000 Buddhas waren wohl aus dem Überraschungsei, in Anbetracht ihrer Größe . . . Da hatte ich mir auch was ganz anderes vorgestellt. Aber, so ist das manchmal. Wunder über Wunder des Orients!
Um 15 Uhr geht tatsächlich die Hölle los und drei Gewitter ziehen über Ipoh hinweg. Wir sind passend wieder daheim, die Bergziege steht trocken in der Tiefgarage und das Wasser läuft in Strömen an den Fenster hinab und wir können die Zinnberge nicht mehr sehen. Aber wir müssen ohnehin packen, Wäsche waschen, und eine frühe Abfahrt vorbereiten. Der anvisierte Umweg über die Dschungelstraße des Taman Negara bedeutet für morgen 260 Kilometer bis nach Georgetown. Bonne nuit folks.
KI zeigt Zusammenhänge auf:
Kaninchen und buddhistische Tempel haben nicht viel gemeinsam, aber es gibt einige mögliche Verbindungen:
- Kaninchen sind in vielen Kulturen ein Symbol für Fruchtbarkeit, Glück und Wiedergeburt. Im Buddhismus gibt es eine Legende über den Hasen im Mond, der sein Fleisch als Opfer für einen Bettler anbot, der in Wirklichkeit der Buddha war. Der Buddha war von der Großzügigkeit des Hasen so beeindruckt, dass er ihn in den Mond versetzte, wo er noch heute zu sehen ist.
- Kaninchen sind auch beliebte Haustiere und werden oft in Tempeln gehalten oder gefüttert. Zum Beispiel gibt es auf der japanischen Insel Okunoshima eine große Population von wilden Kaninchen, die von Touristen und Pilgern besucht werden. Die Insel ist…