12 Oktober 2023 - Langkawi
KM 6265
Bei Mangoshake und Kokosnuss geht die Sonne unter. Hier ist es länger hell als auf Sumatra, kein Wunder, Langkawi liegt auf dem 5. Breitengrad, nördlich des Äquators. Wir sitzen auf Betonbänken im Holzlook, Modell Hobbit, was bedeutet, das meine Knie im Sitzen verdächtig nah an den Ohren sind. Die gebratenen Nudeln, „no Chili - garantiert“, verbrennen mir Zunge und Mundhöhle, auf das sich meine Lippen nach einem Botoxerstversuch anfühlen. Aber, positiv denken, immerhin ist da Restgefühl im Gewebe, großartig. Annis Fisch-Laksi (Suppe) probiere ich gar nicht erst, denn ihr Sprachapparat versagt und, neben ihren heiseren Artikulationslauten, macht sie mit ihren blutunterlaufenen Augen und dem Schweißausbruch jeden Werwolf aus Harry Potter neidisch. Großartig, denn Anni schwitzt fast nie, da kann man in den Tropen schon mal kalte Füße haben, jawohl. Trotz der kulinarischen Defizite im Scoville-Bereich. Dafür ist der Sonnenuntergang erste Sahne. Jau, Sahne, das wärs jetzt, schön kalt, dann könnte man bei orange-blauem Himmel die Brandwunden kühlen. Aber dafür gibt es auf Langkawi Seegurken. Kein Witz. Das Gebräu ist ziemlich berühmt und wird hier an jeder Ecke verkauft. Es wird so angepriesen, dass ich versucht bin, mir einen Sonnenbrand zu holen, um das Zeug zu testen. Was bei meiner zarten, weißen Nordmannhaut und der hiesigen Sonneneinstrahlung vielleicht 3-4 Minuten dauern wird.
Die Bergspitzen liegen in den Wolken und rundherum zieren hellorangene „Streifen“ den noch bauen Himmel über dem Meer. Romantisch, bis direkt hinter uns eine Maschine der Air Asia von der Rollbahn abhebt. Wir sind auf dem Rückweg von unserer Mangroven-Tour. Leider hat unser anvisiertes Restaurant nur Mittagstisch und ist bereits geschlossen. Da wir keine Lust haben, in den Tourirummel von Pantai Cenang zu gehen, schon gar nicht nach einem tollen Tag voller Natur, halten wir an den Restos der Airportumgehung, die direkt am Meer verläuft. Es riecht herrlich nach gegrilltem Huhn, Gemüse, Knoblauch, Zwiebeln und Kerosin. Der gesamte hintere Bereich des Strandes ist von betoniertem Hobbitsitzwerk zugestellt und überall herrscht
ausgelassene Stimmung. Der münsteraner Gastronom würde sagen, "der Baum brennt" oder "die Hütte platzt." Am Strand kann man sich auf kleinen, zierlichen Schecken strandauf und -ab als malaiischer Jahn Wayne versuchen. Die armen Zossen sind super gestresst, weil die Delinquenten alle soviel Angst haben, dass sie an den Zügel zerren und klammern. Ingo, konzentrier dich! Also Sonnenuntergang, dann frische Kokosnuss, dann Mangoshake, dann die Feuerplatte mit Huhn, garantiert kein Chili . . .
Was für ein Tag. Um kurz nach 8 Uhr schrecke ich aus dem Schlaf, denn die Brillen-Languren proben lautstark wieder Szenen aus „der Affe auf dem heißen Blechdach“. Das machen die nur, um mich zu ärgern, weil ich sie gestern einfach fotografiert habe. Jawohl, habe mich von hinten angeschlichen und zack, kaum haben sie sich umgedreht, da surt schon die Super 8 Kamera und bannt ihre ungewöhnlichen Gesichter auf das digitale Speichermedium. Da bleibt dem ein oder anderen Trachypithecus Phayrei schön das Blatt zwischen der Knabberleiste hängen, wie man im Pott sagt. Ich also wieder raus, Unverschämtheit, am frühen morgen, Knipse gegriffen und rein in die Botanik. Das mögen sie gar nicht, wirklich nicht. Ich werde fiepend von den Kleinen beschimpft, während das Muttertier versucht, böse zischend, mich zu ignorieren. So, für Ruhe und Ordnung gesorgt, jawohl. Kaum liege ich wieder in den Federn, wird auf den Blechdächern wieder gesteppt. Immerhin hab ich den finsteren Zahnbürstendieb erwischt . . .
Um 13:30 Uhr müssen wir am Anleger in Kubang Badak an der 113 sein. So steht es in der Mail, die wir von unserem österreichischen Mangrovenscout bekommen haben. Es sieht nach Regen aus. Auch Regenzeug wird explizit gefordert, neben festem Schuhwerk. Ok, so mit Flipflops am Rande von Mangroven zumzukraxeln würd ich eh nicht tun, aber er wird sicherlich wissen wovon er redet. Im Touristenbusiness muss man bestimmt auf allerlei, sagen wir mal vorsichtig, intellektuelle Grenzgänger stoßen, die es immer besser wissen. Also rollen wir die Bergziege von ihrer Weide unter den Palmen unserer Villa und begeben uns auf Mangroventour - grove, grovy, sozusagen.
Kubang Badak liegt im Norden von Langkawi, zwischen dem Schädelstrand, dem Zementwerk und dem Four Seasons in Tanjung Rhu, so grob gesagt. Von der 113 abzweigend, führt eine kleine Straße durch ein großes grünes Steintor mehrere hundert Meter durch die Mangroven zu einem versteckten Hafen. Kein Vergleich mit dem disneylandverdächtigen GEO-Park ein paar Meilen weiter, den wir vor ein paar Tagen besucht haben. Hier liegen die üblichen Fischerboote, Longtails mit den, an Auslegern befestigten, großen Lampen, für die nächtliche Tintenfischjagd. Wir warten, sind eigentlich zu früh, hatte aber gedacht, vielleicht mit dem Fliewatüt ein paar Runden über die Mangroven zu drehen. Aber leichter Sprühregen setzt ein, genau über Kubang Badak. Dann taucht Peter auf und auch die anderen Gäste seiner Tour. Der Österreicher, groß, schwer, angetan mit Filzhut und Feder, lebt seit 25 Jahren auf Langkawi und bietet verschiedene Exkursionen in die Naturvielfalt Langkawis an.
Gestoßen sind wir auf seine Touren über fast alle Reiseportale, inklusive unseres Loose-Reiseführers. (Telefonnummer / Email usw. hinterlege ich unter Useful Adresses & Help auf unserer Website) Wir werden alle charmant in ein überdachtes Longtail verfrachtet und Sam, der „Kapten“, schippert mit uns los. Natürlich geht jetzt der richtige Regenguss über uns nieder, aber es ist nur der übliche lauwarme Pippiregen, also nix mit erfrischender Kühle. Peter weiht uns in die Geheimnisse der Mangroven ein, vom Wachstum des Setzlings bis zur Pflanzung. Was wir dann auch machen. Es ist ablaufendes Wasser und die Tide legt Sandbänke frei auf denen das pralle Leben tobt. Lauter Krabben mit einem überdimensionierten Scherenarm und einem kümmerlich kleinem Scherenarm. Weiß und hellrote gezeichnet, sausen die Winzlinge umher und sobald ich meine Kamera zücke, recken sie sich aggressiv und fordern mich scheinbar zum Tanz auf. Wenn man einfach nur den Blick auf das Wurzelwerk der Mangroven richtet, kann man aus dem Augenwinkel ein höllisches Gerenne auf der Sandbank wahrnehmen. Die Rushhour von Jakarta ist nix dagegen. Nu müssen die Süsswassermatrosen raus aus der Jolle, rein in den
Schlick und Mangroven pflanzen. Bemüht keinen räumlichen Streit mit den einarmigen Bodybuildingkrabben anzufangen, die bürgerlich Winkerkrabben heißen (hoffe, dass ich die Fakten hier noch richtig klar kriege), stapfen jetzt sechs nasse Gestalten durch den Modder, jeder einen Mangrovensetzling in der Flosse. Grovy, grovy! Jetzt wäre ja eigentlich der Moment gekommen, unter Beweis zu stellen, dass ich Peters mitreißendes Plädoyer für, mit und um die Mangrove als solches, verstanden, internalisiert und memoriert habe. Ich versuche es, jawohl - trotz immer noch nahezu tauber Lippen. Also ein taubes Lippenbekenntnis für die Wunder des Orients. Zunächst einmal handelt es sich hier um Ostmangroven. Jaha, Ostmangroven und - richtig, es gibt auch Westmangroven. Der Unterschied ist, neben der unterschiedlichen geografischen Ausbreitung, auch der Artenreichtum im Hinblick auf die verschiedenen Bäume. Die amerikanischen bzw. westafrikanischen Mangroven gelten als eher Baumartenarm (8 verschiedene Baumarten) wohingegen Ostmangroven, die von Ostafrika bis in den
indopazifischen Raum vergebreitet sind, auf etwa 50 Baumarten kommen. Obwohl ich bereits West- und Ostmangroven gesehen habe, kann ich keinen großen Unterschied feststellen. Gut, ich bin ja auch nicht so den Kerl mit dem grünen Daumen, kenne Edelweiß und Juccapalmen . . . Während ich das so vor mich hin rekapituliere, bin ich bis zu den Knöcheln im Schlick, habe aber meinen Setzling vorschriftsmäßig in den Boden gerammt, auf das ein ganz herrlicher Mangrovenbaum entsteht. Weiter im Text, hier existiert eine Salzwasser und Süßwasserproblematik, mit der die Pflanzen fertig werden müssen. Natürlich geht dabei ohne Anpassung nix. Die Vegetation eines Mangrovenwaldes ist, durch den Tidenhub, salzhaltigem Brack- und Meerwasser ausgesetzt. Die Folge ist für die Wurzeln der Mangrovenbäume ein sehr niedriges Wasserpotential im Boden. Osmotisch bedingt verhindern die Wurzeln, dass bei der Wasseraufnahme Meersalz mit reinkommt. Gelangt Salz, trotz des osmotischen Prozesses, in den Organismus, kann das für die Pflanze schädliche Salz über Drüsen oder Blattwerk ausgeschieden werden. Neben der Salzwasserproblematik kommt noch die Sauerstoffproblematik hinzu. Die Wurzeln benötigen Luft für die Zellatmung, weshalb so ein Mangrovenbäumchen einfach ein Belüftungssystem hat. Das funktioniert so, dass die Wurzelteile, die oberhalb von Wasser und Schlick atmosphärischen Sauerstoff tanken können, den durch sauerstoffleitfähiges Gewebe in die Wurzelteile leitet, die sich im Boden befinden. Tricky, nicht schlecht! Außerdem scheinen Mangroven, nach neuesten Studien, die größten CO2- Wandler weltweit zu sein!
Nu sind die Flachwassermatrosen alle wieder im Kahn und im strömenden Regen geht es durch die Kanäle bist zu einem Kalkfelsen, dessen Form, wenn auch klein, verdächtig an Rio denken läßt. Wie ein kleiner Zuckerhut ragt er markant aus dem Urwald empor. Zum Urwald
wusste Peter viel zu erzählen, so der Älteste und überhaupt, was ich aber im Zusammenhang mit dem Taman Negara alles schon mal erzählt habe. Zwischendurch flattert uns da so ein großer Greifer ist Haus und wenige Minuten danach flügelt sich Greifer Nr. 2 so anne Wasserkante entlang. Greifer Nummer 1 ist ein Weißbauchseeadler, der es sich auf einem schön hoch gelegenen Urwaldbaum bequem gemacht hat. Aber lange hält der weißbäuchige Krummschnabel es nicht auf seinem Hochsitz aus. Vermutlich stören wir mit dem Boot seine Aussicht auf einen fischigen Lunch. Greifer Nummer 2 ist eine Brahminenweihe, das Wappentier Langkawis. Lange umkreisen sie unser Boot, doch bei uns ist nix zu holen. Peter berichtet, dass man jahrelang die Vögel auf herkömmlichen Mangroventouren gefüttert hat. Unglaublich!?! Wie gesagt, Disneyland . . .
Am Zuckerhut legen wir an und machen uns auf in den Dschungel, natürlich nicht ohne einige Sicherheitstipps im Umgang mit Kobras zu bekommen. Aha, so so. Wie sagte mein alter Militärausbilder immer, solange du kein MG dabei hast, auf den Boden werfen und auf Hilfe warten. Gut, nach Peters Ausführungen ist das auf den Boden werfen dann wohl eher kontraproduktiv. Aber bei Kobras ist heute wohl Wochenende, wir bekommen keine zu Gesicht. So ein Mist, hab extra für einen solchen Dschungel-Safari-Vorfall meine Blockflöte eingepackt. Der geneigte Leser erinnert sich, dass ich mal in Indien eine, nur wenig beachtete, Berufslaufbahn als Schlangenbeschwörer ins Auge gefasst hatte. Aber heute gibt es einmal keine Kobras bitte, statt dessen eine sehr tiefgehende Information über Urwaldpflanzen, wie Rattan oder so ein Dschungelblümchen, dass auf den Blättern vortäuscht, dort wären bereits Schmetterlingseier abgelegt. Pfiffig, wie ich finde. Dann verfrachtet die Schmetterlingsmama die ganzen kleinen Raupen Nimmersatt zu einem anderen Blatt. Sehr nett, dass Schmetterlinge wohl die Kinderstube anderer Schmetterlinge achten. Da, können wir noch was lernen. Wir enden an einer riesigen Kalksteinfelswand, mit einer Höhle, die als die älteste Höhe Malaysias
gilt. Darin leben zwei verschiedene Fledermausarten, deren Unterscheidung ich vergessen habe, da ich vom Unterricht abgelenkt war. Ende ist, dass wir in der finsteren, muffigen Grotte niederknien und Peter kurz die schlafenden Hunde, äh Fledermäuse, weckt. Also nicht so richtig, sondern kurz anleuchtet und uns unzählige, blassrot leuchtende Augenpaare anstarren. Sehr eindrucksvoll, wirklich. Manchmal starren mich morgens auch so rote Augen aus dem Spiegel an und das, obwohl ich beim Schlafen nicht von der Decke hänge. Wir verlassen die Höhle, um nicht noch mehr Bett(Un)ruhe ins Schlafzimmer der hängenden Viecher zu bringen. Ich bin nicht so der Höhlentyp, ganz besonders nicht, wenn man sich im schummerigen Dunklen eine Batterie kleinster Ameisen ins Hosenbein geholt hat, die jetzt zwickend Vergeltung fordern, dafür dass man trampelnderweise die Produktionsstraße des Volkes unterbrochen hat. Ich mag Licht, besonders ausserhalb einer Höhle, von der wir erfahren, dass dort Höhlenschlangen leben, die gelernt haben sich an den Wänden herum zu schlängeln. Selbst wenn sie überwiegend Flughunde in ihrer Menükarte haben, ist dass einfach nicht meins . . . Schon vor Jahren mochte ich nicht meine Hotelzimmer in Vietnam mit dem Genatter teilen. Nichts da, da bin eigen. Jawohl. Zurück auf der Schaluppe bietet sich uns ein grandioses Schauspiel. Einige Seeotter, schieben sich gleitend durch den Schlick auf die ablaufenden Wasser der Mangroven zu. Irgendwie schon lustig, flach auf den Bauch gelegt und mit den Hinterbeinen schieben sie sich durch die glitschige Mocke Richtung Wasser. Dabei sieht man, dass ihr ganzer Körper auf
Stromlinie ausgelegt ist. Außerdem ist die Sonne heraus gekommen, die Wolken sind abgezogen und die Regenfeuchtigkeit steigt aus den Bäumen aus. Ein unglaubliches Bild voller Farben, Gerüche und - plötzlichen Bewegungen. Denn, auch ein kleiner Waran ist der Meinung, Sonnenbaden ist gut für den „Täng“, wie der Westfale sagt. Als dann noch zwei Otter in unmittelbarer Nähe vom Boot am Ufer rumposen, lacht das Fotografenherz. Ständig bemüht, zwischen Objektivgewicht und Bootswackeln, die Balance zu halten, kommen da schon ein, zwei ganz nette Aufnahmen raus. Der Otter weiß schließlich was sich für eine zünftige Safari gehört. Der Waran muss da noch üben. Er ist so schlammbeschmiert wie meine Schuhe, dazu ist er jetzt eher auch so ein flaches Tier, dass weder seine eigentliche Farbzeichnung noch seine Physiognomie zum Tragen kommt und er farblich mit dem Schlick „verschmilzt“.
Alles in allem haben wir sehr vergnügliche und überaus fachlich informative Stunden mit Peter verbracht, der sich, mit humorvollem, österreichischem Charme alle Mühe gibt, uns die Naturwunder des Orients nahe zu bringen. Toll finde ich ehrlich gesagt, dass Pflanzen von Mangrovenstzlingen. Grovy, grovy. Wirklich, hier wird nicht nur erzählt, sondern auch gehandelt! Obwohl, lasst mich überlegen, dass hier Touristen schwarz gärtnern, stimmt nachdenklich in Zeiten hoher Subventionen . . . Bonne nuit folks
Anmerkunen der Redaktion:
Die Winkerkrabben zählen gemeinsam mit der Gattung Geisterkrabben (Ocypode), deren Schwestergruppe sie darstellen, zur Familie der Ocypodidae.
Nach der Breite des Carapax zwischen den beiden Augenstielen unterscheidet man innerhalb der Winkerkrabben zwischen zwei Untergattungsgruppen. Dabei stellt die Uca-Gruppe die "Schmalfrontkrabben" und die Minuca-Gruppe die "Breitfrontgruppe" dar. Die Minuca-Gruppe zeichnet sich zudem durch eine spezifische Haltestruktur des Hinterleibes aus, die der Uca-Gruppe fehlt, weshalb sie als abgeleitete monophyletische Gruppe angesehen wird.
Die Otter gehören zu der Familie der Marder. Dies ist wahrscheinlich ein Indischer Glattfell Otter
Lutrogale perspicillata (I. Geoffroy Saint-Hilaire, 1826)