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AutorenbildIngo

Der Jadereiter . . .

30. Oktober 2023 - Von Ayutthaya nach Bangkok

KM 8526


Ahhh, Bangkok . . . 20 Jahre war ich nicht mehr Bangkok, ok 19 Jahre, um genau zu sein. Ich liebe den Geruch dieser Stadt, die Hektik auf den breiten Straßen und die plötzliche Stille in den Gassen. Ein nie endender Strom von Menschen, scheinbar immer in Bewegung, unterwegs, jeder für sich ein Lebenskreis. Ich lieben es die verschiedenen Gesichter zu sehen und die Spuren darin, die das Leben hinterlassen hat. Seltsam vertraut ist der Rhythmus und doch ganz anders, als ich es in Erinnerung habe . . .

Gegen11 Uhr verlassen wir Ayutthaya in gleißendem Sonnenlicht. Der Hotelbesitzer hat uns jedem einen Glücksbringer gegeben - Hati Hati - wie man in Indonesien sagt, dann schafft er noch die uralte Köchin für ein Selfie heran und will uns noch Organic Bananas von seiner Plantage mitgeben. Leider gibt es keine Möglichkeit die Früchte umgequetscht an der Bergziege zu verstauen. Der Glücksbringer befestigen wir sofort mit einem Kabelbinder im Cockpit, was ihn ganz rührt und er noch mehr Selfies macht.

Die Hitze flimmert unruhig über dem rauen Beton, der heiße Fahrtwind wirbelt Straßenstaub in meinen Helm und die fast bissige Sonne heizt die Ärmel meiner Wachsjacke sosehr auf, dass sie ein unangenehmes Brennen auf meiner Haut erzeugt. Bangkoks Umland ist flach, zersiedelt und langweilig anzuschauen. Man hat das Gefühl unendlich weit sehen zu können und im nächsten Moment dann doch wieder nicht. Wasserfläche an Wasserfläche, flache, schmale Deiche dazwischen, an und ab eine Siedlung, entfernte Palmen, Lagerhallen, kleine Straßen die auf die Schnellstraße münden. Obwohl sich alles an der Straße permanent verändert, Siedlungen, Vegetation, scheint sich nichts an dem Bild zu verändern. Gleichbleibende Monotonie, wären die Palmen nicht könnte es auch eine Autobahn irgendwo in Südeuropa sein. Mehrfach müssen wir die Straße wechseln, bis das Navi anzeigt, 40 Kilometer geradeaus. Die Nr. 1 führt von Norden her in die Metropole, was wohl so ziemlich die längst mögliche Entfernung zum Stadtzentrum ist. Schnurgerade verläuft die Betonpiste nach Süden, ein Endpunkt ist nicht zu sehen, sämtliche Blickachsen verschwinden in einem kleinen Punkt am Horizont. Alle 50 Meter steht mittig eine Laterne, wie es früher in Belgien auch Usus war. Noch ist der Verkehr locker und übersichtlich, wird aber langsam merklich dichter. Laut Navigationssystem ist unsere

Schnellstraße deckungsgleich mit der Autobahn, die wir nicht benutzen dürfen. Verstehen tue ich das noch nicht, denn hier sind noch etliche andere Motorräder neben uns auf der Straße. Wir spulen Kilometer um Kilometer ab, die Bebauung nimmt zu und aus den sporadisch auftauchenden Häuseransammlungen wird eine durchgehende Häuserzeile, die beidseitig die Nr. 1 säumt. Der Flughafen wird ausgeschildert und wir warten gespannt auf so ein opulentes Ortseingangsschild wie in Kuala Lumpur. Kommt nicht, gar nicht. Warum auch, denn wir sind längst in Bangkok, zwar in den Suburbs, aber längst drin. Neben der Schnellstraße gibt es beidseitig zwei weitere Fahrbahnen, immer noch geht es gerade aus. Dann wird die Mautstrecke angezeigt. Diese führt auf eine Hochbahntrasse. Die Verkehrsachse von Nord- nach Südbangkok hat zwei Spuren, die links abbiegen ermöglichen, dann zwei reine Geradeausspuren und oben darüber eine jeweils zweispurigen Mautautobahn. Über 12 Fahrbahnen fließt der Verkehr von und nach Bangkok. Irre, und der Verkehr fließt tatsächlich. Es ist voll, aber sehr diszipliniert, wir kommen hervorragend voran. Im Vergleich zu Jakarta ist der Verkehr hier lässig zu fahren. Als würde man an einem frühen Sonntag morgen von Münster nach Greven fahren. In Jakarta müsste man permanent mit entgegenkommenden Fahrzeugen jeglicher Couleur rechnen. Da ist das hier abgestandener Kamillentee, im Vergleich mit den verkehrstechnischen Katastrophen und dem dadurch entstehenden Chaos in Indonesiens Hauptstadt. Nachdem wir 40 Kilometer geradeaus gefahren sind, signalisiert das Navi, dass wir in 250 Metern unser Hotel erreicht haben, also zwei mal links abbiegen und wir stehen tatsächlich, mit nur einer roten Ampel vor unserem Hotel. Unglaublich, wirklich, bin immer noch ganz geplättet, wie einfach das war.

Den halben Nachmittag verbringen wir mit Organisieren. Die zeitlich begrenzte Einfuhrgenehmigung für die Bergziege muss verlängert werden und wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie wir von Thailand aus weiter reisen. Seit zwei Tagen sind wir schon mit unserem Agenten Tom in Kontakt, der sich um den Motorcycle Permit beim thailändischen Transportministerium kümmert. Der geneigt Leser fragt sich jetzt bestimmt, warum wir den nicht gleich auf 60 Tage beantragt haben? Was soll ich sagen, hätten wir ja, aber geht immer nur für 30 Tage, dann Verlängerung, wieder 30 Tage . . . Geschäftsmodell? Also Tom ist beauftragt, dazu mussten wir ihm ja Geld überweisen, aber dazu später. Dann haben wir heute Kontakt mit dem neuen Agenten in Kambodscha aufgenommen und ihn beauftragt ein Motorcycle Permit für Kambodscha in Phnom Phen zu beantragen. Das geht natürlich alles nur über WhatsApp und der gute Mann hat jetzt schon unseren ganzen Papierkram bekommen, sodass wir im Dezember nach Kambodscha reisen werden. Voraussichtlich! Tom teilte uns außerdem mit, dass ab Januar 2024 Myanmar wieder geöffnet würde. Schauen wir mal, denn das würde unsere Reiseroute sehr stark vereinfachen . . . Aber erst einmal stehen Kambodscha, Laos und Vietnam, meine alte Heimat, auf dem Programm.

So, nun mussten wir ja Tom Kohle überweisen, was wir beim letzten Mal mit Western Union aus Georgetown in Malaysia gemacht haben. Dazu hat er uns seine thailändische Bankverbindung gegeben. Wir suchen uns also eine Filiale seiner Bank und bekommen auch bei Google, in unmittelbarer Nähe zu unserem Hotel, eine Zweigstelle angezeigt. So dackeln wir los. Für Bangkok ist heute schwerstes Gewitter und Weltuntergangsregen angesagt. Und tatsächlich pfeift kühler Wind angenehm durch die engen Gassen und Straßen der Thaimetropole. So kühl, dass ich mal nicht schwitzen muss, jawohl! Ist rot vermerkt im Kalender. An der angegebenen Adresse steht ein Hospital. Ok, aha? Wir machen artig ein Wai beim Concierge, der kakhigestärkt, von einem angeranzten Plastikstuhl aus den Parkplatz organisiert. Er weist etwas unwillig auf die Notaufnahme, offenkundig stören wir gewaltig seine Arbeitsabläufe, obwohl weit und breit kein Auto in Sicht ist. Aha, so so - Notaufnahme. Dort liegen etliche Patienten, auf ebenso angeranzten Dritte-Welt-Krankenhausrollbetten und warten auf Weiterverarbeitung, während ein Troß von pausemachenden Schwestern vor der Intensiv-Notaufnahme, intensive Handydaddelei betreiben. Wieder ein Wai, das hilft in Thailand immer, wirkt Wunder sozusagen. Wir werden ins Innere verwiesen, dort der blauen Linie auf dem Boden folgen und zum Gebäudetrakt 2 gehen, dort sei die Bankfiliale, die wir suchen. Aha, so so! Bank im Hospital? Wie zwei Kantinenroboter folgen wir der, im Boden eingelassenen, blauen Fahrtroute bis zum Gebäudetrackt 2, wo wir dann tatsächliche die gesuchte Bank vorfinden, so richtig mit Schalter und Angestellten. Wir haben ja schon eine Menge erlebt, aber durch die Notaufnahme zur Bank ist definitiv neu!

Neben einer neuen Internetkarte für unser mobilen WLAN-Rooter haben wir auch endlich zwei Edelstahl Refill-Cups erworben. Hier wird soviel Kaltgetränk in Plastikbechern serviert - jawohl, im Restaurant - dass wir beschlossen haben, dass zumindest wir, nicht mehr Plastikmüll produzieren als unbedingt notwendig ist. Wie sehr das klappt, werden wir sehen. Aber, seit Malaysia haben wir zwei Jutetaschen für Einkäufe dabei, und sparen Tonnen von Hemdchentüten ein, zumindest wir. Was der Rest hier macht, ist uns egal, wir versuchen es.

Als wir aus dieser Monster-Shopping-Mall herauskommen ist es fast dunkel und geregnet hat es kein Stück. Dort kann man übrigens vom Refill-Cup bis zum Bentley und vom 20000US$ Diamanten zum Turnbüxchen alles bekommen und das ist kein Witz! Nur Öl für die Bergziege hatten sie in der BMW-Vertretung in der Mall nicht. Service sieht anders aus, wie ich finde. Sie hätten mir ja Öl verkauft, inklusive der neuen 1250 GS, in der es sich befindet, aber so in der Flasche - hm - da war die Anfrage wohl überfordernd für die ganzen 1,50 großen, blau

besakkoten Kleiderständer. Mit dem Skytrain fahren wir zurück zum Victory Memorial, in dessen Nähe unser Hotel liegt. Ich liebe Bangkoks Skytrain. Man fährt ohne Stau oberhalb des Verkehrsstaus und kommt schnell und preisgünstig von A nach B. Schon vor 19 Jahren war nur der Bangkok Helikopter schneller, das sind die kleinen Motorradtaxen, zu deren Service allerdings auch verkehrstechnische Nahtoderfahrungen gehören. Am Victory Memorial ist noch ordentlich was los und wir lassen uns in einem Restaurant nieder, dass anscheinend auf Chili-Suppen spezialisiert ist. Aber es gibt tatsächlich etwas ohne Chili und das ist großartig. Natürlich werde ich mitleidig angeschaut - wieder ein Farang, der kein richtiges Thaiessen verträgt! Ich liebe diese kleinen Küchen, wo alle möglichen Menschen sitzen, sich der gesamte Querschnitt

einer Stadt tummelt. Anni hat allerdings den Fehler gemacht und hat "spicy ist ok" gesagt . . . Heisere Stimme, schluchzen und schniefen, aber immerhin sind die Atemwege durchgepustet. Alles gut, bis zu dem Augenblick, wo sie versehentlich einen Tropfen Brühe ins Auge bekommt. Da kommt dann noch das tränende Auge zum Schniefen hinzu.

So, nun kommt der Werbeblock. Der geneigte Leser fragt sich bestimmt schon, wo der merkwürdige Titel der Depesche, Der Jadereiter, herkommt. Nein, ich bin nicht unter die Jadeschnitzer gegangen, dass ist eher ein burmesisches oder gar chinesisches Gewerbe. Seit dem Grenzübertritt nach Thailand lese ich wieder einen meiner Lieblingsermittler, Songchai Jitpleecheep, von der Royal Thai Police. Wer noch nie in Thailand oder gar in Bangkok war, für den ist das Buch viel mehr, als nur ein Krimi. John Burnett, der lange in Bangkok gelebt hat, trifft in vielem den Nagel einfach so auf den Kopf, dass ich immer wieder erstaunt bin, wie nah er doch die thailändische Seele beschreibt. Wenn man hier durch die Gassen schlendert, dann erwacht die Welt seines Protagonisten zum Leben. Die Gerüche der kleinen Restaurants in versteckten Gassen, die Vielfältigkeit in den Gesichtern der Menschen hier, die systematische Irrationalität Thailands, und das weite Feld an Dämonen und Geistern, die ebenfalls überall rumlungern und ihr Unwesen im unendlichen Kreislauf vonTod und Wiedergeburt treiben. Wer noch nichts von Songchai Jitpleecheep gelesen hat, der sollte mit dem Jadereiter anfangen. Jetzt muss ich lesen - Bonne nuit folks!





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1 comentario


Marc Luetjens
Marc Luetjens
30 oct 2023

Spart man wirklich, KI rechnet vor:

Die Energieeinsparung hängt davon ab, wie oft man den Edelstahlbecher verwendet, wie man ihn reinigt und wie man den Plastikbecher entsorgt. Um eine grobe Schätzung zu machen, können wir einige Annahmen treffen:

  • Ein Plastikbecher wiegt etwa 10 Gramm und hat einen Energieaufwand von etwa 1,5 kWh pro Kilogramm bei der Herstellung1.

  • Ein Edelstahlbecher wiegt etwa 200 Gramm und hat einen Energieaufwand von etwa 50 kWh pro Kilogramm bei der Herstellung2.

  • Ein Plastikbecher wird nach einmaligem Gebrauch weggeworfen, während ein Edelstahlbecher mindestens 1000 Mal wiederverwendet wird.

  • Ein Plastikbecher wird verbrannt und erzeugt dabei etwa 3 kWh pro Kilogramm an Strom3.

  • Ein Edelstahlbecher wird mit heißem Wasser und Spülmittel gereinigt, was etwa 0,01 kWh pro Spülgang…


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