top of page
AutorenbildIngo

Der Highlander . . .

07. November 2023 - Von Mae Sot nach Mae Sariang

KM 9634


Die Mittagshitze flimmert über der braunschlammigen Oberfläche des rasch dahin fließenden Wassers. In breiten Mäandern windet sich der Fluss durch sein sandiges Bett. Die Uferzone ist breit, in Wassernähe von kräftigen Gräsern gesäumt, in den höheren Uferlagen kommen kleinere Bäume lose hinzu, in kleinen Gruppen. Der eigentlich Dschungel beginnt erst oberhalb des tiefen Grabens, den der Mae Nam Moei sich in den vergangenen Jahrhunderten gegraben hat. Flussabwärts kreuzen emsig bunt bemalte Longtails, deren knatternder Motor gegen die Strömung ankämpft. Im Hintergrund türmt sich ein Höhenzug auf, dessen Form wie der Rückenpanzer eines alten Krokodils daherkommt. Die Bergspitzen gehen hier bis 1700 Meter hoch. Getragen vom Wind schallt das Gelächter der Menschen aus den Longtails über das Wasser, entlang der Bergwände zu uns herüber. Wir stehen in Thailand und auf der anderen Seite des Flusses ist Burma. Dawna Range heißen die Bergketten, die bis 2000 Meter hoch sind und sich im thailändisch-burmesischen Grenzgebiet bis nach Norden in die Shanberge erstrecken. Die Fahrer der Longtails praktizieren hier lustig den "kleinen inoffiziellen Grenzverkehr", der hier aber nur in Richtung Thailand geht. Diese Berge haben einen ziemlich majestätische Ausstrahlung, wie sie da so massig, wild überwuchert in der Mittagshitze vor uns liegen. Dennoch fällt es mir schwer, trotz der erhabenen Schönheit dieser hohen Berge, mich von den Stimmen des Flusses zu lösen, deren Timbre so viel Hoffnung versprühen . . .

Um 09:30 Uhr liegt Mae Sot bereits hinter uns und die Bergziege rollt mit 90 Km/h auf der 105 nordwärts. Zunächst gleiches Bild wie gestern, eine vierspurige Betontrasse, wenig Verkehr, blauer Himmel, Alibiwölkchen. Der Motor läuft stetig, beruhigend und unter gleichmäßigem Vibrieren springt der Tacho auf 9500 Kilometer um, seit wir Münster verlassen haben. Zunächst passieren wir flaches Farmland, das zunehmend hügeliger wird. Zuckerrohr-, Reis- und Maisanbau wechseln sich ab, ebenso wie kleine Ortschaften und Dörfer. Das Tal ist breit, der Fluss und die säumenden Bergketten halten sich eher im Hintergrund. Es ist fast 30 Grad warm, die Luft ist von der vergangenen Nachtkühle noch ein wenig feucht und man kann hervorragend mit offenem Helm fahren ohne, dass man das Gefühl hat, die Haut ächzt unter trockenheißem Fahrtwind. Wir erreichen recht zügig Mae Ramat, eine langweilige, wenn auch größere Ortschaft. Ich hoffe nicht, dass die gesamte Strecke so aussehen wird. Auch, wenn es an und ab reizvoll ist, mal etwas anderes zu sehen als tiefgrünen Urwald, ist das aber nicht so die sagenumwobene Strecke, die jeder Motorradfahrer uns angepriesen hat. Dem geneigten Leser sei hier schon angekündigt, dass meine Skepsis völlig fehl am Platz war, denn diese Fahrt heute gehört jedenfalls mit zu den landschaftlich schönsten Routen, die wir auf unserer Reise gefahren sind.

Nicht lange hinter Mae Ramat wird die Straße zweispurig, sofort nimmt der Verkehr rapide ab und nach der Kreuzung mit der Landstraße 1175, die durch die Berge zurück nach Tak führt, sind wir praktisch allein auf dem Asphalt unterwegs. Die Strecke ist sehr kurvig, landschaftlich ungemein abwechslungsreich, zwischen lose bewaldeten landwirtschaftlichen Nutzflächen, völlig zugewachsenen kleineren Bergen und Tälern. Andere als in Malaysia ist der Dschungel hier nicht so dicht und die Bäume sind nicht so exorbitant hoch. An etlichen Bergen zeigen sich schroffe, vorragende Steilwände, deren bewachsene Steintextur erosionsbedingt, seltsam vertikal anmuten. Immer wieder taucht das gelbschwarze Hinweisschild auf, dass Zweige auf die Straße fallen können. Tatsächlich, 100 Meter vor uns passiert genau das. Ich bin konzentriert mit Kurven beschäftigt, als Anni nach vorn zeigt und tatsächlich ist dort gerade ein mächtiger Ast,

samt Blattwerk auf unsere Fahrspur aufgeschlagen. Als wir Sekunden später die Stelle passieren, vibrieren die Zweige und Blätter immer noch. Seltsam häufig sind derartige Hinweise seltsam surreal, so nach dem Motto, ja, passiert, aber mir nicht! Nehme mir vor, auf dieser Strecke besonders auch auf diese Schilder zu achten und dann, wenn möglich auf die Gegenfahrbahn auszuweichen.

Die Nähe zu Burma, was sprichwörtlich nur einen Steinwurf über den Mae Nam Moei River entfernt ist, erklärt die häufigen Checkpoints, die häufig entlang unserer Strecke auftauchen. Kurz vor Tha Song Yang werden wir dann auch tatsächlich rausgewunken, das erste Mal seit fast dreieinhalb Monaten auf der Straße. Gegen die Sonne mit einer Sturmhaube geschützt, verlang ein Grenzbeamter unsere Pässe. Sehr freundlich, da wir artig ein Wai gemacht haben, aber nahezu ohne Englischkenntnisse. Da können wir ja von Glück sagen, dass der Begriff Passport nahezu international ist. Es gibt ein Palaver, sie wissen eindeutig gar nicht, was sie mit uns machen sollen, wollen der Sache aber einen amtlich Anstrich geben. Also müssen wir die Helme absetzen, unseren aufgeklappten Pass vor die Brust halten und uns rechts und links vom Nummernschild aufstellen. Spannend. Er fotografiert uns gegen die Sonne und ich bin sicher, dass das Foto bestimmt super alle Details hergibt. Aber egal, muss mich nur zurückhalten, weil ich die ganze Zeit grinsen muss. Eigentlich habe ich ja einen QR Code vom thailändischen Verkehrsministeriums, den die Kontrolleure einscannen soll(t)en, wodurch sie alle meine Daten sofort einsehen können . . . Nun gut, wir machen ein Selfie, hilft immer und geben Matte. Anni meint, er würde bestimmt das Bild jetzt in die WhatsApp-Thai-Grenzer-Gruppe schicken, damit

alle Bescheid wissen. Bin mir nicht sicher - lasse mich kurz überlegen, lieber Leser, NEIN. Bestimmt nicht. Wir fahren weiter und nur wenige Kilometer gibt es die nächste Kontrolle, wo wir einfach durchgewunken werden, wie an den restlichen 12 Checkpoints des Tages auch. Bei unserer Kontrolle hatten sie auch schon zwei arme Seelen erwischt, die auf der Ladefläche eines Transporters warteten. Entlang der Straße, hier sei eben angemerkt, es tatsächlich gibt nur diese eine Straße, tauchen immer wieder kleine Familien auf, Mann, Frau, zwei Kinder, von denen jeder seinen eigenen Tragebeutel trägt und bekleidungsmäßig definitiv nicht aus Thailand kommt. Sie halten sich meist ganz links am Straßenrand im Schatten, bereit, sofort im undurchdringlichen Dickicht des Dschungels zu verschwinden, wenn die entsprechenden Fahrzeuge der Border Patrol auftauchen.

Hinter Tha Song Yang verläuft unsere Route direkt parallel zum Mae Nam Moei River und da wir hier das erste Mal den Fluss sehen können, halten wir an einer Biegung an. Für etwa 30


verläuft die Landstraße immer entlang des Flusses. An manchen Stellen ist er breit, nahezu versandet und mitunter reicht die Vegetation bis ins Wasser. Während auf der thailändischen Seite immer wieder kleine Fischerdörfer auftauchen, sind am gegenüberliegenden Ufer kaum Zeichen von menschlicher Zivilisation zu sehen. Die Landstraße verläuft hoch über dem sandigen Uferbereich, in den etliche Fischer die Stelzen für ihre dürftigen Holzhütten getrieben haben. Im Schatten des Straßenrand tummelt sich alles was zwei oder vier Beine hat. Die ohne Beine sehen wir heute nicht, nicht einmal als Roadkill. Ziegen und Hunde dösen an oder auf der

Fahrbahn, manchmal kreuzen auch Kühe. Das ist häufig etwas kitzelig, denn die Leitkuh hat eine lange Leine, die an ihrem Halsband befestig ist und wenn man vorüber fährt, kann es sein, dass der 10 Meter lange Strick noch quer über den Asphalt verläuft. Und das wäre wieder eine dieser Unfallarten, die ich nicht mit meinem Versicherungsagenten diskutieren möchte: Von einer Kuh am Seil über den Asphalt gezogen worden zu sein. Was soll ich sagen?

Nach und nach entfernen wir uns vom Ufer des Moei, was bedeutet, dass die Checkpoints auch rapide weniger werden. Dafür geht es steil in die Berge hoch, zwischen einem 1600 Meter hohen Gipfel in Myanmar und einem mit 1760 Meter in Thailand. Die Straße wird steil, die Kurven enger, zahlreicher, der Belag ist rissig, voller Schlaglöcher und mitunter ist der ganze Asphalt zerfurcht von Spurrillen. Aber die Landschaft ist der Kracher, wirklich. Weite Täler, steile Hänge, Reisterrassen, ganze Hügel sind von Maisfeldern überzogen, dazwischen Palmen- und Dschungelvegetation. Außerdem ist natürlich der Fahrspaß des Mopedfahrers auch nicht zu unterschlagen. Wenn wir anhalten, umfängt uns sofort die Geräuschkulisse des Waldes. Hier in den höheren Lagen sind es angenehme 28 Grad und die abwechslungsreiche Landschaft bietet uns immer durchflutete Sonnenphasen oder schattige Alleen.




Hinter dem Dorf Ban Sop Ngao geht es nur noch bergab in die Ebene. Über sanft abfallende Höhenzüge windet sich die Straße immer tiefer, bis wir am frühen Nachmittag Sop Moei durchfahren und schließlich auch nach Mae Sariang, dem heutigen Ziel unserer Etappe.


Mae Sarang ist ein Verkehrsknotenpunkt. Hier kreuzen die beiden großen Straßen 105 und 108. Es ist gleichermaßen der Ausgangspunkt für den Salawin Nationalpark und der südlichste Punkt des Mae Hong Son Loops. Der Mae Hong Son Loop ist ein "Rundweg" von mehreren Hundert Kilometern durch die nordwestliche Ecke Thailands, weiterhin entlang der Grenze zu Myanmar.

Hier checken wir in unser Hotel ein. Die Dichte an Motorradfahrern mit größeren Maschinen lassen darauf schließen, dass die Strecken der kommenden Tage für uns ein ziemlicher reisetechnischer Leckerbissen sein werden. Es kommt mir so ein bisschen vor, wie am Basiscamp vom Mount Everest, wo sich Sherpas und Bergsteiger tummeln. Auf den Parkplätzen der größeren Hotels stehen PS-trächtige Adventurebikes. Diese Mopeds sind alle in Thailand zugelassen, andere Nummernschilder sehen wir nicht. Ansonsten ist Mae Sarang recht verschlafen, trotz einer schönen Wat-Anlage, der Flussnähe und natürlich befinden sich die Menschen hier in der Vorbereitung für Loi Krathong. Überall in der Stadt sind Lampions zu sehen


Wir essen im Coriander in Redwood Restaurant, einem sehr schön und geschmackvoll eingerichtetem Laden, mit poliertem Holzfußboden, offen zu allen Seiten und tiefgezogenen Vordächern. Was für ein Tag . . . Bonne nuit folks



36 Ansichten

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Flugfertig . . .

1 Comment


Marc Luetjens
Marc Luetjens
Nov 08, 2023

KI klärt die aktuelle politische Lage im Dolly befahrenen Land:

Die politische Situation in Thailand ist kompliziert und ungewiss. Seit dem Militärputsch im Jahr 2014 wird das Land von einer Junta unter der Führung von Prayut Chan-o-cha regiert, die sich als Übergangsregierung bezeichnet. Die Junta hat eine neue Verfassung erlassen, die ihr mehr Macht und Einfluss auf die zukünftigen Regierungen sichert. Die Verfassung wurde 2016 in einem umstrittenen Referendum angenommen, das von vielen als unfair und manipuliert kritisiert wurde.

Die Junta hat 2019 Parlamentswahlen zugelassen, die jedoch von vielen Unregelmäßigkeiten und Beschwerden überschattet wurden. Die Oppositionsparteien, die für mehr Demokratie und Reformen eintreten, haben die meisten Stimmen erhalten, aber nicht genug, um eine Mehrheit in der Nationalversammlung zu bilden. Die…

Like
bottom of page