11. Oktober 2023 - Langkawi
KM 6219
Es regnet. Der Himmel ist schwarz verhangen, die Berge, die wir normalerweise vom Smiling Buffalo aus sehen können, sind hinter einer grauen Regenwand verschwunden. Die Luftfeuchtigkeit ist so drückend, dass mir, trotz meiner Bewegungslosigkeit, der Schweiß das Tshirt und die Shorts durchweichen. Kein Wind, die Blätter der Pflanzen im Garten des Buffalo bewegen sich keinen Millimeter. Heute ist nur mäßig Betrieb. Die drückende Schwüle verlangsamt irgendwie alles. Ein guter Moment, um zu verharren, nachzudenken, inne zu halten. 3 Monate unterwegs. Fast drei Monate, wenn wir kommende Woche in Thailand einreisen, werden wir auf den Tag genau 3 Monate auf Reisen sein.
Ich weiß noch genau, wie ich immer die schlichten Grafiken 200 Days to go, 150 Days to go, 100 Days to go, usw gepostet habe. An was man alles denken musste und wollte, welche Ideen und Träume sich hinter der Wand meines Schädels unaufhörlich auf- und abspulten. Wahnsinn, wirklich, wie viel Vorbereitung in diese Reise geflossen ist. Einerseits war das ja schon quasi ein „Vorreisen“, andererseits wurde es zum Schluss doch echt viel, wenn ich da so an den Kistenbau denke. Immer wieder haben wir geplant, Equipment angeschafft, Ausrüstung auf den Prüfstand gestellt, Dinge aussortiert und andere Ideen wieder verworfen.
Heute morgen habe ich einem Freund geschrieben, dass das Motorrad genau der richtig dimensionierte Kosmos für unsere Reise ist. Nach drei Monaten läßt sich sagen, es ist die perfekte Dimension für unser „Unterwegssein“. Auch wenn die Bergziege hier im Verkehr, unter all den filzzigen Scootern, wie ein Lastenelefant daherkommt, ist sie doch unsere ganze Welt. Wenn wir morgens alles verpackt haben, der Schlumpf und Rotkäppchen auf der Gepäckbrücke angegurtet sind, der neue Kartenabschnitt gefaltet im Sichtfenster des Tankrucksacks steckt, die Ersatzreifen angeschlossen sind und wir in die kühle Morgensonne aufbrechen, wieder einem neue Abenteuer entgegen, dann ist die Bergziege unsere ganze Welt. Bullig, schwer, aber doch wendig und schnell, wenn es sein muss. Ich mag diese Situation, wenn wir in einen neuen Tag aufbrechen, Fahrt aufnehmen, Bewegung entsteht, Fahrtwind durch das offene Visier und durch das Airflowsystem der Jacken strömt. Die Luft riecht immer anders, je nachdem wo wir sind. In höheren Lagen erfrischend und sauber, in den Niederungen meist feucht und ein bißchen
modrig, im tiefsten Stadtgewühl nach Dieselqualm und Öl, an der Küste nach salzhaltige Meerwasser, im Urwald nach feuchter Vegetation und in der Ebene, unter der sengenden Hitze, nach heißem Sand, Gestein und trockenem Staub. Zu den Gerüchen kommen meist auch noch die eigentlichen Elemente hinzu, besonders der Staub. Manchmal fährt man in eine Wolke aus Staub, weiß nur, dass da ein LKW vor einem ist, aber nicht wie weit er weg ist oder wie schnell er fährt. Wir haben zwar Regenzeug dabei, sind aber bisher, dem Himmel seis gedankt, von so finsterem Dauerregen verschont geblieben. Ich vermute mal, dass ich die Regenbekleidung in diesen Breiten ohnehin nicht tragen würden, denn bei der Wärme, würde ich unter dem Gummi genauso nass sein, als wäre ich ohne Regenschutz gefahren. Der geneigte Leser liegt richtig, wenn er denkt, wieso tut ihr euch das an, nehmt doch ein Auto. Nun ja, schwer zu erklären. Beim Auto sitzt man in einem Raum und das Wahrnehmen des Landes, der Menschen und das
„Ausgesetztsein der Elemente“ passiert immer aus einem Raum heraus. Man schaut durch Quadrate, einem Fernseher gleich, und speziell für mich mutet das, wie eine zweite-Hand-Erfahrung an. Ich mag den Druck des Windes, seine Kühle oder auch Wärme, wenn er durch das offene Visier über meine Wangen strömt, am Gewebe meiner Jacke zerrt oder auch die Bergziege ins Wanken bringt. Mein alter Professor sagte mal, „wo keine Bewegung ist, entsteht nichts!“ Auch wenn der gute Mann längst auf einer Himmelswolke weilt, habe ich immer noch seine Worte im Ohr. Bewegung, zentrales Motiv unserer Reise. Die Bergziege ermöglicht uns
diese Bewegung, das „Unterwegssein“. Die elementare Freiheit der Bewegung erlaubt es uns, die Veränderungen Stück für Stück wahrzunehmen. Wenn wir durch die Lande rollen, verändert sich alles um uns herum. Die Gesichter der Menschen, die Vegetation, die Topografie des Erdteils, die Zeichen einer jedweden Zivilisation. Wir sind in Indonesien ausnahmslos überall mit einer, ja beinahe fürsorglichen, Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit aufgenommen worden, was vielleicht auch zum Teil daran liegt, dass wir nicht mit Termindruck in einem Überlandbus vorbeigerauscht sind. (Das hier bitte nicht falsch verstehen, natürlich muss man mit begrenzten Ferientagen zeitsparende Distanzen überbrücken, klar, geschuldet dem Zwang begrenzter Ferien.) Oft haben die Frauen Anni ganz erstaunt angestaunt, dass sie hinten auf der Bergziege hockt und ebenfalls den ganzen Strapazen ausgesetzt ist. Diese „Verwundbarkeit“ und die
Tatsache, dass wir „hergefahren“ sind, führt häufig in Gesprächen zu einer Verbundenheit, deren Herzlichkeit wir uns nicht entziehen können. Außerdem wohnt der Bergziege natürlich auch ein elementares Freiheitsgefühl inne, natürlich. Der ein oder andere geneigte Leser wird sich jetzt sicherlich erheitern, in Anbetracht dieses kitschigen Motorradklischees. Aber es ist tatsächlich so, dass wir völlig frei entscheiden können wann wir, wohin fahren. Und, wir haben unseren „ganzen Hausstand“ dabei. Wie gesagt, ein eigener Kosmos. Natürlich gibt es an den Grenzen auch Papierkram und Stress, wie beim Überqueren der Straße von Malakka oder derPapierkram an der Grenze von Thailand. Vermutlich wird es die in Indochina auch geben, wer weiß.
Inzwischen haben wir bereits ein Paket mit Klamotten nach Deutschland geschickt. In Penang haben wir aussortiert und fast 6 Kilogramm Zeug nach Bochum geschickt. Eigentlich läßt sich nach fast 3 Monaten Reise sagen, dass wir wenig überflüssiges Zeug dabei hatten. Aber
natürlich sammelt sich hier und da etwas an, das man eigentlich nicht braucht. Im Handling der Bergziege merke ich dies 6 Kilogramm sehr wohl, da dieses Gewicht überwiegend in Schlumpf und Rotkäppchen steckte. Unsere Campingstühle haben wir in drei Monaten nicht einmal wirklich gebraucht, auch wenn die nur 1,5 Kilogramm zusammen wiegen, sind sie jetzt auf dem Weg in die Heimat. Die restliche Ausrüstung ist tatsächlich gut gewählt und würden wir auch wieder so planen und packen. Wenig benutzt haben wir bisher das Werkzeug, was aber auch gut so ist. Ich will das nicht beschreien, aber bisher - toi toi toi - läuft die Bergziege problemlos. Aber, man weiß ja nie, was hinter der nächsten Kurve so lauert . . .
Gestern morgen habe ich eine neue Landkarte ausgepackt - Thailand - und das ist ein seltsames Gefühl. Das war auch schon so, als wir Java, bzw. Sumatra verlassen haben. Dies ist tatsächlich ein sehr seltsames Gefühl. Das Wegpacken der jeweiligen Landkarte ist ein bißchen so, als hätte man mit diesem Abschnitt der Reise nichts mehr zu tun. Faktisch ist das auch so, aber natürlich beschäftigen wir uns immer noch sehr mit den vergangenen Monaten. Trotzdem sind unsere anderen Motorradreisen häufig eine Art Rundkurs gewesen. Doch jetzt kehren wir nicht mehr nach Malaysia, Sumatra und Java zurück, was sich sehr befremdlich anfühlt. Eine neue Landkarte steht für mich inzwischen sinnbildlich für einen neuen „Anfang“. Neue Schrift
und Sprache, neue Regeln, neues Geld, neues Essen, und, und, und. Zu Beginn ist das alles sehr komplex, so in etwa, als würde man neu laufen lernen. Selbst wenn wir früher auch viel in der Welt unterwegs waren, ist der Moment, wenn man mit dem Motorrad die Grenze hinter sich läßt, ein ganz neuer Start. Manchmal habe ich ein wenig Angst, dass ich einfach Vieles vergesse, was wir bereits erlebt haben, weil es von neuen Eindrücken überlagert wird. Da helfen so Regentage übrigens ganz ungemein, weil man dann nicht in den touristischen Erlebnisstress gerät, sondern in irgendeinem Café rumschlonzt und beim Blick auf die smaragdgrüne Andamanensee in Erinnerungen graben kann. Bonne nuit folks.
KI erstaunt den Leser:
Ich denke, dass Selbstreflexion eine nützliche Fähigkeit ist, um sich selbst besser zu verstehen und zu verbessern. Ich glaube aber nicht, dass es Gesülz ist, über sich selbst nachzudenken. Gesülz bedeutet laut Duden "langweiliges, belangloses Gerede". Selbstreflexion ist aber weder langweilig noch belanglos, sondern kann muss aber nicht zu wichtigen Erkenntnissen und Veränderungen führen. Wie die Artikel zeigen, gibt es viele Vorteile und Methoden der Selbstreflexion. KI findet es spannend und bereichernd, sich mit eigenen Gedanken, Gefühlen und Handlungen auseinanderzusetzen.