20 September 2023 - Von Ipoh nach George Town
KM 5373
Heute sind wir mit der Bergziege zwei Monate unterwegs. 2 Monate, kaum zu fassen. Während heute die Urwaldstraße so unter uns wegrollt, ist mir alles Mögliche eingefallen, was wir in den vergangenen Monaten alles gesehen und erlebt haben. 2 Monate, Wahnsinn. Nun dafür haben wir heute auch einen wirklich besonderen Reisetag gehabt.
Um kurz nach 8 sitzen wir im Sattel und verlassen Ipoh in der frischen Morgenluft. Die Sonne steigt gerade erst zum Himmel auf und hat noch keine richtige Kraft entwickelt. Keine Sorge, kommt noch. Gestern Nachmittag wurde es heiß, als würde man einen Ofen öffnen, der 4 Stunden mit Ober- und Unterhitze gebacken hat. Aber heute morgen sind die unterschiedlich weit entfernten Bergrücken am Horizont klar erkennbar. Die ersten dreißig Kilometer folgen wir noch der Autobahn Richtung Butterworth. Komischer Name, irgendwie müssen wir beide immer grinsen, wenn auf einem Straßenschild Butterworth steht. Wer weiß, was die Briten sich bei diesem Namen gedacht haben! Nicht lange hinter Ipoh geht es ziemlich schnell rauf in die Berge.
Der Dschungel ragt hoch über die Bergspitzen und Dunst liegt in den Baumkronen. Das
Morgenlicht ist ungewöhnlich klar. Kaum haben wir den ersten Bergkamm erreicht, bietet sich uns ein unglaubliches Schauspiel. Zwischen zwei Bergspitzen fließen Wolken über den Kamm und vernebeln langsam die Baumkronen der Urwaldriesen. Auch wenn wir praktisch gerade erst losgefahren sind, muss ich anhalten. Dieses Naturschauspiel habe ich erst ein paar Mal gesehen und es fasziniert mich immer wieder. Binnen Minuten sind ganze Wolkenformationen über den Bergrücken "geflossen" und haben den Ganzen Berghang verdeckt. Im Wald scheinen die Wolken
dann auf den Waldboden nierder zu sinken. Was sie natürlich nicht tun, aber zumindest erscheint es so. Während ich da so fasziniert in der Gegend rumfotografiere und filme, hat sich eine Gibbonfamilie angeschlichen. Genauer gesagt, das jüngste Mitglied der Sippe. Wo ich doch
gerade das 300ter in der Hand habe, drücke ich doch ab. Klaro! Das gefällt Mutti aber gar nicht,
so setzt sie immer wieder zum Sprung an. Ok, Ok, gebe nach und verlasse meinen Aussichtspunkt. Diese Gibbonart habe ich noch nie gesehen, sie sind eher dunkelbraun bis dunkelgrau. Auch sind sie viel kleiner, als ihre hellgelb und weißen Kollegen in Indien. die ich im Palast der Winde schon vor der Linse hatte. Immer wenn ich die Kamera hebe, schauen sie weg. Es ist extrem schwer ihre Gesichter zu fotografieren, weil sie viel blinzeln und sich sehr schnell
umdrehen. Alles in Allem sehen sie ganz schön traurig aus. Ich weiß nicht, ob dass ihr angeborener Gesichtsausdruck ist oder nur ein Flunsch, weil ich keine Plastiktüte mit Obst lose auf der Bergziege rumliegen habe? Wer weiß das schon. Werde aber versuchen, zu diesen Affen noch Infos zu finden.
Eigentlich sind es nur knapp 100 Kilometer von Ipoh nach George Town auf der Insel Pinang, doch wir möchten noch mehr Dschungelfahrt haben. Einfach nur über die Autobahn nach Pinang zu brettern, ist schließlich nicht Sinn unserer Reise. Von Malaysia haben wir bisher zwar etliches gesehen, aber so richtig auf dem Land waren wir noch nicht. Also drehen wir heute eine Extrarunde über die Stadt Gerik im Norden. Dabei streifen wir die Ausläufer des Urwaldes, der zum Taman Negara gehört, obwohl der eigentliche Parkt noch gut 100 Kilometer weiter im Osten liegt. Laut Landkarte ist die Straße nach nach Gerik eine "Rote Straße". Aber diese entpuppt sich als breite Betonpiste, die sich immer parallel zu den Bergen durch die bewaldeten Täler schlängelt. Heute morgen liegen breite Wolkenbänder über der Vulkanlandschaft. Wir lassen laufen, denn die Route ist nicht sehr stark befahren. Hin und wieder gibt es ein Dorf, oder auch
einen Ecopark, der aber schon vom Eingang her aussieht wie Disneyland und so fahren wir weiter. Das ein oder andere kleine Ölpalmenfeld sehen wir auch. Vermutlich eher illegal angelegt und auch ein ein kleiner neuer Speicher kündet vom Drang nach großem Geld. Ohne den Verkehr und mit der frischen Morgenluft kann man viel mehr Gerüche wahrnehmen, und an den Ölpalmen riecht die Luft einfach "fettiger", vielleicht ein bißchen mehr so wächsern. Schwer zu erklären. Wir durchfahren kleinere Dörfer, manch eine Kleinstadt, überqueren etliche breite, schlammige Urwaldflüsse mit viel Wasser und einen unendlich blauen Stausee. Gegen halb
11 sind wir bereits in Gerik, was neuer Rekord ist. 130 Kilometer in dieser Zeit, wäre in Indonesien undenkbar gewesen. Dabei sind wir gar nicht gerast, sondern haben einfach laufen lassen. Nach einer The Tarik Pause, schwarzer Tee, biegen wir auf die Landstraße 4 ab. Laut Karte eine "Gelbe Straße", die in Indonesien schon eher eine Schotterpiste wäre. Nicht so in Malaysia, denn die Landstraße 4 ist genauso breit wie die "Rote Straße", nur hier fährt so gut wie gar niemand mehr her. In Indonesien sind Urwaldstraßen fast zugewachsen, klar, sie haben ja auch so viel davon, dass man das unmöglich alles kurz halten kann. Nicht so in Malaysia, da kann man das. Die Vegetation ist rappelkurz geschnitten, der Asphalt, zwar rissig, aber ist gut zu überblicken, sodass das Mopedfahren wirklich traumhaft ist. Dann steht da am Straßenrand
doch tatsächlich ein Straßenschild, dass wir nur von Bildern her kennen: Vorsicht Elefanten kreuzen die Fahrbahn! Wow, wir sind mit unserer Bergziege in einem Erdteil unterwegs, wo vor freilaufenden Elefanten gewarnt wird. Leider sehen wir heute keine Elefanten, wie sie die Straße kreuzen. Trotz aller Anstrengungen die Anni unternimmt, im Dickicht des Waldes einen oder mehrere Rüssel und große Ohren zu erspähen. Nichts zu machen. Dennoch fahren ich an unübersichtlichen Stellen gemächlich. Ich wüsste auch nicht, wie ich meinem
Versicherungsagenten erklären sollte, dass ich hinter einer Kurve mit einem Dickhäuter zusammengestoßen bin . . . Dennoch scheint es hier Elefanten zu geben, denn die Dichte der auftretenden Schilder läßt diesen Schluss zu. Ein paar Kilometer weiter wird vor dem nächsten möglichen Wildwechsel gewarnt. Wir fahren an den Straßenrand, denn auch dieses Schild ist
für uns eher selten. Scheinbar leben hier, neben den Pachydermen, auch Tapire. Aber auch Tapire sind heute eher daheim geblieben, denn die lassen sich auch nicht blicken. Aber irgendwie ist es ein seltsames Gefühl, dass diese Tiere hier beheimatet sind, die wir eigentlich nur aus dem Zoo kennen. Trotz ihrer Abwesenheit beflügelt die Verkehrszeichen dennoch unsere Fantasie und lassen uns mit einem merkwürdigem Hochgefühl weiterfahren.
Als wir von der bergigen Dschungelstraße auf die Hauptstraße, Richtung Butterworth, abbiegen, erwischt uns 5 Minuten lang ein heftiger Regenguss. Scheinbar war das das Signal der Elemente für heute loszulegen. Nach diesen Regenguss fahren wir bis George Town in einen heißen Föhn, Stufe 3. Die letzten 40 Kilometer vor der Küste hat wieder die Geldgier gesiegt und es werden endlose Felder mit Ölpalmen angelegt, Speicher, Straßen und sonstige Infrastruktur gebaut. Aber das alles kann uns nicht die Freude daran nehmen, im Elefanten- und Tapierland gewesen zu sein. Wir kommen trocken, nur verschwitzt, über die Overseas Bridge, die Pinang mit dem Festland verbindet, nach George Town. Wir bleiben eine Woche, um unsere Einreise nach Thailand zu planen, noch ein bißchen Kultur zu machen und von Elefanten und Tapiren zu träumen. Bonne nuit folks.
KI hilft:
White-Thighed Surili Monkey (Presbytis siamensis)