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  • AutorenbildIngo

Wolken, Wolken, Wolken . . .

23. März 2024 - Pokhara

KM 20.931


Wir stehen auf dem Sarangkot View Point und sehen über die Talsenke hinüber zum Annapurna-Massiv. Aber natürlich sehen wir nix. Alles über 2000 Metern, liegt in einer grauen Wolkendecke. Natürlich haben wir rational nicht damit gerechnet, dass es - zumindest - lose Bewölkung gibt, doch insgeheim haben wir natürlich irrationalerweise, doch darauf gehofft, dass wir die 6000er - 8000er in der Annapurna-Range sehen können. Aber immerhin sind wir über unsere erste tibetanische Gebirgsstupa gestolpert . . .



Heute morgen zeigt sich doch tatsächlich die Sonne über dem Fewa Lake. Auf den umliegenden Bergkuppen herrscht zwar dichte Bewölkung, doch aus dem Fewa-Tal bläst stetiger Wind die Wolken in Richtung Nordwesten. Also genau in Richtung Annapurna-Range. Doch die wärmende Sonne lockt uns zunächst auf die Dachterrasse, vor unserem Zimmer, von wo aus, wir tief bis in



das gegenüberliegende Tag blicken können. Wir sind schon spät dran, der Rhythmus von Pokhara ist ein ganz anderer, doch wir stören uns nicht an der unterschwelligen Dynamik, die hier die meisten Touristen ausstrahlen. Aber dazu später mehr. Hier hängen wir ab, glotzen zweckfrei einfach in die Gegend, genießen die Ruhe. Mit Ruhe meine ich das Hupen. In Indien wacht man morgens auf, weil mit dem Sonnenaufgang ein Dauerhupkonzert entsteht, in Nepal, weil einer (!) mal die Hupe betätigt. Dann schreckt man hoch und ist sich nicht sicher, ob man zu Spontantaubheit neigt, weil man keine weiteren Hupen hört. Nepal kann so schön ruhig sein. So folgen wir gebannt dem Wolkenspiel, mit ihren immer wieder unterschiedlichen Erscheinungsbildern. Manchmal fließen ganze Wolkenmassen über den östlichen Bergrücken und umhüllen die World Peace Stupa gänzlich. Diese Stupa liegt dem Sarangkot View Point, der auf der anderen Seite des Fewa Lakes auf dem nächsten Gebirgszug liegt, förmlich gegenüber.



Den weiteren Morgen verbringen wir in einem kleinen, weiß-türkis eingerichtetem Café, nur ein paar Türen von unserem Hotel entfernt. Das ist sozusagen unsere Recherche-Bude. Da brüten wir über Landkarten, Reiseführern und Google maps. Die touristische Routine in Pokhara ist eher sehr vibrierend. Reisende kommen an, verbringen einen Tag damit ihr Trekkingprogramm zu organisieren und am nächsten Tag in der Frühe, kommt so ein erbarmungswürdig klappernder Mahindra-Pickup, sammelt die gesammelte Trekkingbaggage ein und karrt sie in die harte Wildnis der Annapurna-Range. Die Topacts sind der Dhaulagiri Trek, der der Jomsom-Muktinath-Trek, der Annapurna Circuit und natürlich das Annapurna Base Camp. Die Schlagzahl, mit der hier die Off-road Fahrzeuge, Hochgebirgsrucksäcke und Trekkis aus Pokhara heraus



befördern, scheint die Tatsache nahe zu legen, dass es gerade eine Art Volkslauf um die Annapurna-Range gibt. Scheint ein bißchen überlaufen zu sein dieser Tage, so wie die 80.000 Besucher, die jährlich den Kilimanscharo besteigen (wollen). Wir lesen erst einmal ganz ausgiebig die entsprechenden Seiten in unserem Reiseführer und kommen zu dem Schluss, dass wir überhaupt nicht ausgerüstet sind, 14 Tage um das Annapurna-Massiv herumzukraxeln. Allein die Auswahl einer geeigneten Agentur, wo auch Wert auf die Sicherheit der Gäste und der eigenen Mitarbeiter gelegt wird, scheint schwierig zu sein. Das Angebot ist Pokhara so übersättigt, dass hier jeder Hans und Franz Bergtouren anbietet. Bei Bergtouren sprechen wir nicht über einen Wanderweg von Plochingen nach Pliningen, sondern von Hochgebirgstrekking im Himalaya. Wir hören immer wieder, dass häufig die Agenturen ihren Trägern und Bergführern nur einen Hungerlohn von 10 US$ pro Tag zahlen, dem Touristen aber, je nach Route, zwischen 60 und 100US$ (pro Tag) abknöpfen. Außerdem ist es oftmals so, dass besonders die Träger, am Ende der Nahrungskette stehen und manch eine Agentur ihnen nicht



einmal die Unterkunft und Verpflegung zahlt. Wir sind echt ein bißchen geerdet und wüßten gerade auch gar nicht, selbst, wenn wir ausgerüstet wären, welche Agentur man ansprechen sollte. Privat verpflichtete Träger bekommen meist nicht mehr als - und jetzt halte sich der geneigt Leser fest - 200 NR (nepalesische Rupien) pro Tag. Jau, überbezahlter Nichtstuer, der Elende, weigert sich obendrein auch noch mehr als 30 Kilogramm Gepäck zu schleppen und will auch noch 1,38€ pro Tag abgreifen, der Unverschämte der! Vielleicht hatte ich auch noch nicht erwähnt, dass die indische Rupie, wie auch die nepalesische Rupie gerade gegenüber dem Euro ganz schön an Wert eingebüßt hat. In Indien war der Wechselkurs Jahrzehnte lang, stabil bei 70-75 Rupien für einen Euro. Derzeit steht es aber bei 90 Indische Rupien für 1 €. In Nepal ist der Verfall noch größer und trifft natürlich besonders die ärmeren Menschen. Wir verschieben eine mögliche Trekking Tour auf einen weiteren Besuch in Nepal. Vielleicht hast Du ja Lust zu führen, Richard? In diesen Tagen ist das Wetter ohnehin so unberechenbar, dass ich gar nicht auf die Idee käme, eine Wandertour zu starten. Für die kommenden Tage ist es ebenfalls sehr durchwachsen angekündigt. Heute fegen immer wieder Schauer über den See und in die Täler. Aber gut, das kann man sich nicht aussuchen, wenn man seinen Jahresurlaub so gelegt hat. Verstehe ich schon!



Für heute steht der Sarangkot View Point auf dem Programm und da der 1600 Meter hohe Gipfel, ab mittags in der Sonne liegt, machen wir einen Spaziergang in Richtung Sarangkot. Man kann immer am Fewa Lake entlang laufen. Dazu hat man eine grobe Betonpiste angelegt, gut 2 Meter breit - und da spaziert so gemütlich in Richtung Westufer. Das Ufer ist mit Clubs, Bars, Restaurants, einer Skatehalle und einem, äh, ja ... Lunapark gesäumt. Also, ich finde, das ist ein klassischer Lunapark, mit Riesenrad und Schiffsschaukel, aber, äh, ja, die Einheimischen haben die Anlage "Pokhara Disneyland" getauft! Was soll ich sagen? Wir passieren des Riesenrad, das mit einer derartigen Geschwindigkeit rotiert, dass mir allein schon vom Zuschauen, das Frühstück Pfötchen gibt. Es sitzt auch niemand drin, also, vielleicht nicht mehr, wer weiß das schon . . . Auf dem Wege nach Sarangkot kommen wir am Dhaka Topi Café vorbei und ich ärgere mich schon ein wenig, das ich dieses, mein neues Mützchen, nicht eingepackt habe.



Würde bestimmt Rabatt bekommen, allein nur dafür, dass mir der hiesige rituelle Topflappen so gut steht! Interessant ist übrigens, dass es bis in die 1950er Jahre in Nepal Pflicht(!) war, dass der Mann außenhäusig das Dhaka Topi tragen musste. Selbst auf Passfotos . . . Das erklärt einiges, wie ich finde!

Unser Ziel ist die Annapurna Seilbahn, die zwar ein japanisches Unternehmen gebaut hat, aber immerhin haben die Jungs aus Tokio, die gute österreichische Doppelmaier-Technologie benutzt. Das beruhigt - wie auch schon auf Langkawi. Die letzten 400 Meter zur Talstation geht es steil bergauf und ziemlich verschwitzt erreichen wir die Kassenhäuschen. Stolze 12 US$



kostet der Spaß, rauf und auch wieder runter. Es ist nicht viel los, liegt vielleicht am Preis, obwohl die Einheimischen weniger zahlen müssen, was wir auch völlig OK finden. Also, nichts, wie rauf auf den Berg. In der Abfahrtshalle, sind an den Einstiegen Fusssohlenaufkleber angebracht. Die Dimension der Fussohlen machen mich aber stutzig, denn entweder lebt der Yeti oder hier war Buddha zu Besuch. Die heiligen Fußabdrücke des Buddha, die wir in Thailand immer bestaunen durften, hatten mindestens diese Latschengröße.



Dann sitzen wir in der Gondel und Ruhe kehrt ein. Vielleicht kennt der geneigte Leser dieses Gefühl, wenn die Gondel endlich in der Luft ist und nur noch das leise Jaulen der Drahtseile und das Winden um die Gondel zu hören ist? Anni und ich werden dann immer gleichermaßen ruhig und bestaunen das Land, die Umgebung und den Horizont, der da scheinbar lautlos unter uns weggleitet. Sarangkot ist ein kürzlich eingemeindeter Bezirk von Pokhara. Der Bezirk liegt



auf dem gleichnamigen Hügel Sarangkot, auf der Westseite von Pokhara, mit einer Höhe von 1600 Metern über N.N.. Nach Sarangkot gondelt oder wandert man, für einen Panoramablick auf den Himalaya. Bei klarem Wetter - aha, so so, kann man so auf die drei 8000er, den Dhaulagiri, den Annapurna 1 und den Manaslu bestaunen. Ja, ja, ich weiß schon, bei klarem Wetter! Vom Sarangkot View Point, der natürlich auf dem Bergrücken, oberhalb der Gemeinde Sarangkot liegt, bietet sich auch zusätzlich noch ein weiter Blick auf die Stadt Pokhara, vom äußersten Norden bis zum Süden, einschließlich des Fewa-Sees.



An der Bergstation steht eine kleine, aber schmucke, tibetische Stupa, umgeben von verblichenen Gebetsfahnen, die im schnacken Wind heftig flattern. Was soll ich sagen, die Stupa passt gut auf meinen Balkon, doch überall stehen Wächter, daher verzichte ich mal darauf, mir ein weiteres Mitbringsel einzupacken. Wir belassen es bei einem Rundgang und Anni betätigt kräftig die Gebetsmühlen, denn wir können etwas göttliche Intervention auf unserer Weiterfahrt



nach Norden gut gebrauchen. Zum Gipfel, dem Sarangkot View Point, sind es dann noch einmal gut 10-15 Minuten steiler Fußweg, bis wir an einer sehr großen Aussichtsplattform ankommen, auf der noch ordentlich gebaut wird. Die meisten Touristen fahren den Hügel rauf, um vom Aussichtsturm oben, den Sonnenaufgang zu beobachten. Hätten wir ja auch gemacht, doch Wolken, Wolken, Wolken . . . Neben dem unvergleichlichen Himalayapanorama, welches man bei klarem Wetter von hier sehen kann, aha, so so, hat sich diese Bergkette in den letzten Jahren als einer der besten Paragliding-Hotspots der Welt entwickelt. Dementsprechend wimmelt es über dem Fewa Lake den ganzen Morgen auch von Paraglidern, die unterhalb der Wolkendecke die Thermik nutzen. Mit dem Erreichen des View Points bietet sich uns ein unglaublicher Blick.




Ich glaube, ich hatte erwähnt, dass alles, oberhalb von 2000 Metern, in den Wolken verschwindet, was sehr schade ist, denn direkt gegenüber, müsste jetzt der 6993 Meter hohe Machapuchare, der Fishtail, liegen. Aber wir sind noch etliche Tage in dieser Region, wir werden schon noch blauen Himmel bekommen. Dann stehen wir auch früher auf! Im Treppenhaus des View Points fällt uns dann ein recht seltsames Schild auf? Was soll ich sagen? Junge Teddybären sollen nicht mit fremden Mädchen mitgehen? Oder, Junge Teddybären dürfen nicht an der Hand geführt werden? Oder sind es Moralhinweise, wie Junge Mädchen dürfen hier nicht in Begleitung von Teddybären rein? Fragen über Fragen des Orients!




Rückseitig bietet sich tatsächlich ein ziemlich weiter Blick über den Großraum Pokhara. Am Gipfel hier wird gebaut, wie eigentlich an allen Ecken und Kanten um Pokhara und dem Fewa Lake. Ein riesiger, dreistufiger nepalesischer Pagodentempel wurde unterhalb des View Points errichtet, völlig nach alten Vorgaben, mit dekorativen Ziegeln und mit traditionellen Holzschnitzereien. Sie scheinen sich hier auch auf spirituelle Anstürme zu wappnen! Noch ein paar Jahre, dann gibt es hier oben fertige Hotels, Supermärkte und auch genügend Wander- oder Trekkingrouten, sodass Pokhara Downtown ein Stück vom Tourismuskuchen an Sarangkot abgeben muss, wer weiß das schon? Bonne nuit folks!



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