04. Januar 2024 - Von Nakasong nach Champasak
KM 15585
Am Ende der Straße stehen wir dann an einem sandigen Hang. Fahrspuren der Fahrzeuge haben den Sand in pistenartigen Spurrillen festgefahren, sonst ist es der reine lose Ufersand des Mekong. Zugegeben, den Fähranleger hatten wir uns anders vorgestellt. Etliche Verkaufsstände säumen die Piste runter zum Wasser. Zwei "Fährboote" liegen am Ufer. Dahinter erstreckt sich der breite, träge dahin fließende Mekong. In den Verkaufsständen pennen alle und auch sonst, läßt sich keine Menschenseele blicken. Einige Wasserbüffel aalen sich im Wasser neben einem der Fährboote. Und nun?
Unser heutiges Etappenziel heißt Champasak und ist nur knapp 190 Kilometer von Nakasong entfernt. Eigentlich sind es nur 120 Kilometer, doch man muss bis Pakse, über die innerstädtische Brücke und dann wieder nach Süden fahren. Es sei denn, man biegt bei Muang links rein, weg von der Hauptstraße und nimmt die Fähre, die 70 Kilometer Fahrerei spart. Wollen wir natürlich. Da es nicht weit zu fahren ist, drömmeln wir heute morgen rum. Wir sind beide etwas müde, da direkt hinter unserem Hotelzimmer, der laotische Nachbar, so gegen 22:30 seine Karaokebar geöffnet hat. Nach "hinten" raus, gibt es noch einen Balkon und damit auch eine Tür, die so verzogen in ihrer Führung sitzt, dass wir förmlich auf der Box sitzen. Es gibt natürlich laotischen Rap, wo er und seine Nachbarn ordentlich mitgrölen, was auf unserer Seite des Hotels, die dünne Holztür zur Resonanzmenbran degradiert. Es geht bis früh in die Puppen. Eigentlich machte die Nachbarshütte einen ganz gediegenen Eindruck, doch hinterm Haus - zu unserem Zimmer hin - ist es eher der Garten eines Chaoten, denn eines Laoten. Wir sind jedenfalls müde. Daher springt der Motor der Bergziege auch erst gemütlich um 10:30 Uhr
an und wir begeben uns auf die Landstraße Nr. 13. Der Asphalt ist rau, fleckig vom vielen Reparieren, doch gut zu fahren. Auch hier haben wir wieder eine deichartige Straße, denn der große Fluß ist nicht weit. Das Land ist flach, äußerst dünn besiedelt und der Verkehr hält sich in Grenzen. Kein Vergleich mit den Ländern, die wir bereits bereist haben. Blauer Himmel, immer mal wieder ein paar Alibiwölkchen, 32 Grad und kühler Fahrtwind. Insgesamt sehr, sehr angenehm zum Fahren. Eigentlich darf man nicht schneller fahren als 80 Kilometer pro Stunde. In Nähe von Dörfern tut man auch gut daran, unter diesem Wert zu bleiben, da dort ein erhöhtes Risiko von Schlaglöchern besteht. Aber die Straße ist vielleicht hier und da ein wenig wellig, aber so im Großen und Ganzen macht es riesig Spass hier laufen zu lassen. Natürlich gibt es
hier auch LKWs. Doch diese beschränken sich mehr oder weniger auf den lokalen Transport. Wir überholen immer wieder Tiertransporte, die gerne auch mal ein halbes Dutzend Wasserbüffel auf der Ladefläche transportieren. Davon abgesehen begegnen wir lediglich ein paar Überlandbussen, deren hochbepackte Silhouette schon von weitem sichtbar ist.
Überhaupt ist es großartig, da wir die gesamte Fahrt über die Sonne im Rücken haben, was die Landschaft in satten Farbtönen erscheinen läßt. Auch wenn es nur die unterschiedlichsten Abstufungen von verblasstem Grün- und Brauntönen sind. Die Vegetation ist seltsam, meist höhere Laubbäume, deren Blätter sich Gelb und Braun verfärbt haben. Das Land ist wahnsinnig trocken und wenn die Hitze nicht wäre, fühlt es sich streckenweise an, als würden wir eine Herbsttour über die Deutsche Alleenstraße machen. Reisfelder, Gräser, niedrige Büsche und Ranken haben sich in ihrer Trockenheit sandfarben verfärbt und während der gesamten Strecke hängt der Geruch von trockenem, warmen Stroh in meinem Helm. Sehr sommerlich, anders kann ich das nicht nennen. Es tut mir für den geneigten Leser leid, der gerade den
regenreichsten Herbst des Jahrhunderts hinter sich hat. Interessanterweise, könnte diese leere Straße auch in den USA sein, in Estremadura, Mani oder in der Emilia Romagna. Gefühlt sind wir heute durch den ganzen Mittelmeerraum gefahren, wenn sich nicht hier und da eine Zuckerpalme noch in die Landschaft geschlichen hätte. Leben findet heute nur im Schatten statt, Auf der Straße treten fast durchgängig Luftspiegelungen auf und fernab von Dörfern sind wir nahezu allein. Es geht immer nur geradeaus, gefühlt auch, wenn die Straße einen sanften Richtungswechsel vornimmt. Herden von milchkaffeefarbenen Kühen wechseln die Straße und zwingen uns mehr als einmal zum abrupten Bremsen, da sie aus dem Schatten heraus in einer Reihe die Straßenseite wechseln. Die einzigen Hinweise, dass man sich noch auf der richtigen Route befindet und nicht etwa im Nirgendwo, sind die Kilometersteine. Typisch für das ehemalige Französisch-Indochina ganz in weiß gehalten, mit einem halbrunden, dunkelrot gestrichenen, oberen Abschluss. Selten ist die Aufschrift noch gut zu entziffern, denn die erbarmungslose Sonne bleicht hier alles aus. Laut Karte sollen sich mehrere Kleinstädte
an der 13 befinden. Doch meist passieren wir kleine Häuseransammlungen oder Siedlungen, die im Wimpernschlag des Augenblicks, auch schon wieder im Rückspiegel verschwunden sind. Nur der leichte Anstieg von lokalem Verkehr und Transport zeugt von Leben. Am Horizont tauchen bald dunkelblaue Bergsilhouetten auf und künden von Bergland, was für unsere Augen sehr wohltuend ist. Seit fast vier Wochen sind wir nur in der Zentralebene von Indochina unterwegs und ich freue mich sehr auf etwas bergige Streckenabschnitte.
Eigentlich sollte Pathoumphon eine Stadt sein, zumindest laut meiner Landkarte. Doch da muss wohl ein Irrtum vorliegen, denn kaum versuche ich abzubremsen, sind wir durch die
Stadt schon wieder hindurch. Dann sind wir wieder in der Einsamkeit unterwegs, mit flimmernden Luftspiegelungen am Horizont. Die meisten Holzhütten am Straßenrand sind verlassen. Windschief, das Holz von der Sonne verblichen und vergraut, spröde, morsch gesplittert. Vertrocknete Reisfelder, Baumansammlungen mit gelbem Blattwerk, sprichwörtlich eine Einöde.
In Muang kommt ein Abzweig zum Wat Phou, ein ehemaliger Tempelkomplex der Khmer in der Provinz Champasak aus dem 11.-13. Jahrhundert. Unser Ziel für morgen. Die Fähre ist nicht auf meiner Karte eingezeichnet, doch Peter, ein schweizerischer Weltenbummler, erzählte uns beim gestrigen Abendessen davon. Also links ab und auf zur Fähre. Die Straße endet in einer Mischung aus einer sandigen, gelblich-roten Schotterpiste, mit alten Asphaltabschnitten.
Einige Kilometer folgen wir diesem straßentechnischen Provisorium, bis wir in einer etwas heruntergekommenen Häuseransammlung ankommen, an deren Ende sich die hochgelegene Uferkante des Mekongs befindet. Doch hier ist niemand. Die Garküchen liegen ebenfalls ausgestorben da, wie die beiden "Fähren", die schon zu Zeiten der Jangtse-Treidler alt gewesen sein müssen. Welche nehmen wir? Keine Ahnung. Vom Motorenlärm der Bergziege aufgeschreckt, richtet sich eine ein kleine stämmige Khmerfrau hinter ihrem Verkaufsstand auf und glotzt uns ziemlich zerzaust an. Mehr so, wer stört hier die geheiligte Mittagssiesta . . .
Des Englischen nicht mächtig, brabbelt sie irgendetwas daher und macht eine undefinierbare Handbewegung zu dem abenteuerlichen Ding, was formtechnisch wesentlich weniger als Fährboot durchgeht, als der andere Seelenverkäufer. Der hat zumindest noch die erkennbare Form einer Fähre, doch die scheint nur für LKWs reserviert zu sein. Dienstleistungen im Fährbusiness sind hier heute ein Fremdwort. Da ich mit angezogener Bremse am sandigen Hang stehe, geht Anni runter zu der, von der Suppenkönigin angepriesenen Galeere, um zu sehen, was Sache ist. Erst einmal muss der Käptn Haddock geweckt werden und ohne ein Wort der Kommunikation, springen schon der Erste und Zweite seiner Offiziere aus dem Schatten des Maschinenraums und winken mir zu, die Saharapiste bergab zu fahren. Der Preis steigt natürlich in Angesicht des schweren Motorrades und der Bleichgesichter um das 10fache und wir müssen 11€ für die Passage zahlen. Besser als 70 Kilometer durch Pakse gurken. Im Grunde ist das Ding ein Trimaran. Drei Auftriebskörper, formschön in Bananenform geschweißt, ordentlich verrostet, dazu ein krasser Longtailmotor und eine verbeulte Wellblechhütte als
Deckaufbauten runden den klassischen Schiffsaufbau ab. Das Deck, was auch gleichzeitig als Ladefläche für die Fahrzeuge dient, ist mit unterschiedlich dicken Holzplanken belegt. Reeling oder Geländer muss der Ingenieur vergessen, oder einfach als überflüssiges Detail angesehen haben. Die Auslegerrampen sind verbogen, krumm und schief. Morsche Planken wurden ersetzt, die Stahlkonstruktion darunter ist verbogen und verbeult. Natürlich lassen sich die Ausleger nicht auf den Sand hinabsenken, sodass ich die Bergziege über Holzbretter auf das rummelige Deck bugsieren muss. Noch bevor ich den Motor aus gestellt habe, haben Pat und Patachon schon die Reifen gekeilt und mit einem klapprigen Motor öttelt das Gefährt auf den spiegelglatten Mekong raus. Bonne nuit folks!
KI ist Freund des Mekong:
Ah, die Abenteuer des Reisens! Es scheint, dass unsere Protagonisten auf eine Fähre gestoßen sind, die mehr einem Seelenverkäufer gleicht als einem vertrauenswürdigen Transportmittel. Aber was soll’s, das ist Laos. Hier sind die Fähren so vielfältig wie die Menschen, die sie betreiben.
Die Dame, die kein Englisch spricht, erinnert mich an meine alte Freundin Dtui. Sie hat auch immer ihre eigenen Wege gefunden, um sich zu verständigen. Und der Käpt’n Haddock - ein passender Name für einen Seemann, der aus dem Schlaf gerissen wird, um seine Pflichten zu erfüllen.
Die Preissteigerung ist natürlich unvermeidlich. Ein schweres Dolly und ein paar Bleichgesichter sind eine zu verlockende Gelegenheit für einen schnellen Gewinn. Aber 11€ für eine Passage,…