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AutorenbildIngo

Der Laote und sein Hahn . . .

Aktualisiert: 8. Feb.

04. Februar 2024 - Von Thathong nach Pakxan

KM 18.122


Für die heutige Episode gab es gleich mehrere Titel. Das ist eher selten, denn wenn man abends, abgekämpft von der Hochlandpiste das Zimmer seines Guesthouses betritt, ist man rechtschaffene müde. Aber heute stand es 1:1 zwischen Der Laote und sein Hahn und Das fehlende Stück Straße! Der Hahn hat das Rennen gemacht. Wir sind ziemlich früh in Pakxan angekommen und direkt zum BK Guesthouse gefahren, wo wir vor ein paar Wochen schon einmal so herzlich empfangen wurden. Der geneigte Leser erinnert sich - der "deutsche Avocadobaum". Da biege ich also in die Einfahrt ein, fahre durch den Garten, vorbei an besagtem Avocadobaum, unter das Schleppdach und stelle den Motor der Bergziege aus. Kaum ist es still, kräht direkt nebenan ein Hahn los. Wenn das keine Omen ist, dann weiß ich es auch nicht.



      Nach einer anstrengenden Bergetappe, die zwar nicht so krass war, wie die Gräberpiste nach Muang Hiem, kommen wir mit dem goldenen Nachmittagslicht in Thathong an. Thathong ist ein Nest, auch wenn es von unserer Landkarte her, eine gewisse Größe zugewiesen bekommt Es bleibt ein Nest an der Landstraße, das der Herrgott in einer Sekunde der Vergesslichkeit hier entstehen ließ. In einem lang gezogenen Flusstal, flankiert von sehr eindrucksvollen Bergen, reihen sich die Häuser Thathongs an der Landstraße entlang. Mit dem Einbruch der

Dämmerung dürfen wir Zeuge eines sehr romantischen Sonnenuntergangs hinter den Bergen sein. Leichter Kondensnebel liegt über dem Fluss und kühlere Luft breitet sich gleichermaßen mit der Dunkelheit aus. Viel zu tun bleibt eigentlich nicht. Einige Läden haben noch geöffnet und die Besitzer sind eifrig damit beschäftigt, die Straße zu wässern, damit der Staub gebunden wird und nicht die Auslage verunziert. Alltag in Laos. Da kein einziger LKW mehr unterwegs ist, ja eigentlich gar kein Fahrzeug mehr, ist mir der Sinn nicht klar, warum des Nachts die Straße gewässert wird. Aber, ich bin hier ja auch nicht zu Hause und daher sind mir alltägliche



Gebrauchsriten der Eingeborenen durchaus fremd. Bevor die letzten Lichtreste Thathong in völlige Finsternis tauchen, passieren wir auf unserem Abendspaziergang den Hahnenmarkt. Der Laote und sein Hahn haben eine besondere Beziehung. Ist ja nicht neu, gibts bei uns auch. Der Waliser und seine Ziege, der Ire und sein Schaf, Inspektor Clouseau und der rosarote Panther. In fast allen Städten oder Dörfern bekommt man Hühnerkäfige. Die sind aus Bambusfasern geklöppelt, wie bei uns die Weidenkörbe. In der Form einer Halbkugel, die man einfach auf den Boden stellt, Viecher drunter und fertig ist das laotische Geflügel-Stammheim. In einer Senke neben der Landstraße, stehen mehrere Bambushalbkugeln, mit dem Durchmesser 1 Meter, auf dem schmuddeligen Untergrund und in den faserigen Gefängnisszellen stakst jeweils ein Insasse herum. Unterschiedlichst bunt gefiedert ist die Auslage und die Händlerschar wartet auf Hahnenabsatz. Außerdem haben fast alle noch einen Hahn unter den Arm geklemmt! Aha, so so? Kennt man von uns auch. Wenn dem Kunden die Farbe und Form nicht zusagt, geht der findige Verkäufer ins Lager und sucht Alternativen. Hier weiß man als Kunde allerdings nicht was ist die 1. Wahl und was wäre die Alternative. Fragen über Fragen des Orients. Natürlich teilen die Gefängnisinsassen lautstark ihren situativen Unmut mit der eingeklemmten Fraktion. Die wiederum bekommt nur so ein Glucken heraus, was vermutlich mit ihrer temporären Dudelsacksituation zusammenhängt. Die drei Herren schauen uns sehr ernst, ja geradezu

finster an. Hahnenhandel scheint ein ernstes, ja sogar stolzes Geschäft zu sein. Ein vierter Hahnrei stößt dazu, die Ware ebenfalls in der Achselbeuge sicher eingeklemmt. Es kommt zu keinen Handelssituationen und ich bin mir nicht mehr sicher, ob es sich hier tatsächlich um einen Marktplatz handelt. Schließlich ist es Samstagabend und vielleicht werden die Hähne zum Lüften rausgebracht, wer weiß das schon? Oder aber die Ehefrauen haben gesagt, geht mal Spielen, damit sie sich in Ruhe dem Frühjahrsputz widmen kann. Verständlich, welche Frau kann schon mehr als einen aufgeplusterten Hahn im Haus ertragen? Vielleicht ist es aber auch eine besondere laotische Tradition der Bergvölker, Samstags den Hahn zu lüften?



    In den frühen Morgenstunden werden wir unsanft geweckt. Von einem Hahn, ach, was sage ich, gefühlt sind es alle Hähne des Dorfes. Irgendwann habe ich mal gelernt, dass ein Hahn in den frühen Morgenstunden durch ein- bis zweimaliges, lautschräges Krähen, die nächsten Anwohner weckt. Dann ist aber auch wieder Ruhe. So die westfälisch, vermutlich leicht romantisch verklärte, Theorie aus Dr. Ingos kleinem Landbrevier für Alles! Hier in Laos schreien die Hähne immer, überall, die ganze Nacht und auch den ganzen Tag. Da kann man schon mal kurz vor dem Axtmord sein. Hier krähts einfach überall. Wenn man früher so auf Tour ging, mal nach Mexiko oder mal nach Afrika, dann hatten die Hähne den Anstand und haben nächtliche Randale den Hunden überlassen. Das kennt der geneigt Leser bestimmt. Wenn man irgendwo in Niederbayern mal gezwungenermaßen im Landgasthof Zum Goldenen Hirsch zu nächtigen gesungen war, bellt ein Dorfhund hallend in die nächtlich bayrische Bergstille. Binnen Minuten zog sich das Bellen von Dorf zu Dorf und nach ein paar Minuten war dann wieder Ruhe, wenn das letze Bellecho im Orbit verschwunden war. Auch das ist anders in Laos. Dieses Land ist zwar volle Hunde, doch die sind so gechillt, dass sie tagsüber meist pennen, gern mitten auf der Straße, so zwischen den ganzen LKWs, Pickups und uns eben. Das wiederum ist so anstrengend, dass Hund sich des Nachts einfach davon erholt und er dann wieder pennen muss, vorzugsweise mitten auf der Straße, da der Belag ja so schön kuschelig aufgeheizt ist. Mich erstaunt immer wieder, dass eine Tollwutimpfung als unbedingtes Muss zur Impfberatung für die geneigte Tropenreise sein muss. Ohrstöpsel für Hahnenschreie wäre da weitaus angesagter. Den Job der Hunde übernehmen also hier die Hähne und halten alle wach, die ganze Nacht. Da ich morgens aber meist der Einzige mit blutunterlaufenen Augen bin, scheinen sie nur mich zu wecken. Ist ein bißchen wie der Muezzin in Indonesien.

Also gut - wach ist wach! Auf, die Bergziege packen und ab auf die Bahn nach Pakxan. Es ist bereits ziemlich warm und vorsichtshalber haben wir unsere wärmenden Otrovoxjoppen schon wieder in den Tiefen des Schlumfpes verschwinden lassen. Der Himmel ist strahlend blau und es verspricht ein wunderschöner sommerlicher Tag zu werden. Im gleißenden Gegenlicht lassen wir laufen. Die Landstraße orientiert sich immer am Fluss und schlängelt sich leicht geschwungen durch das Tal. Die Straßenränder sind mit mit langem Schilf bewachsen, deren weißbraune Puschel sich im Wind leicht hin und her wiegen. Anfangs bin ich natürlich hochkonzentriert, denn bei dem extremen Gegenlicht- und Schattenspiel kann man schon einmal die Schlaglöcher übersehen. Doch tatsächlich schaffen wir die ersten 20 Kilometer in kürzester Zeit. Es ist zu der frühen Stunde kaum Verkehr und der Belag ist super. Hier und da mal ein geringfügiger Fahrbahnmangel, das war es dann aber auch schon. Hinter Thasi



verlassen wir die 1D und fahren Richtung Süden nach Pakxan, was nur noch knappe 70 Kilometer sind. Ich habe gelesen, dass man von Thathong aus auch per Boot nach Pakxan kommen kann. Dem ist aber nicht so, denn der Wasserstand ist so niedrig, dass man vermutlich über etliche Kilometer hin, das Longtail schieben müsste. Die Berge werden flacher, kein Wunder, denn wir fahren direkt auf die Mekong Tiefebene zu. Leider hat sich an den ökologisch fragwürdigen Rodungen und der ausgedehnten Manjokmonokultur im Verlauf unserer heutigen Etappe nichts verändert. Doch das Gegenlicht überzieht den feinen, frühmorgendlichen Kondenznebel des Flusses, der über Dörfern und Bergen hängt, mit einem goldenen Schleier. Während wir in die Morgensonne so dahinfliegen, liegen die Siedlungen und das Tal in einem romantisch verklärendem Lichtspiel da. Kurz hinter Thasi überholt uns ein Rollerfahrer, angetan mit einer alten Armeejoppe, Tarnmusterhosen und Latschen. Das Gesicht, im Gegenwind nach unten geneigt, liegt tief im Schatten eines Tarnmusterhutes. Ich hatte gerade die Helmkamera aus geschaltet, als ich sehe, dass er sich ein buntgezeichnetes Tuch um die Hüften geschlungen hat und in der, daraus entstandenen, taschenähnlichen Mulde auf seinem Rücken, glotzt mich dösig ein Hahn an. Unfassbar, aber nun gut, vielleicht lüften sie das Geflügel auch eben am Sonntag. Verrückte Welt! Fragen über Fragen des Orients!



Die letzten 30 Kilometer beginnt wieder die übliche Löcherpistenei. Wobei es tatsächlich ein paar Fragen gibt, die mich echt interessieren. Wann immer wir eine neu asphaltierte Straße befahren, tauchen regelmäßig Abschnitte auf, wo die neue Asphaltierung aufhört und 10 Meter dahinter wieder anfängt. Wäre das ein Einzelfall, würde sich ja niemand einen Kopf darüber machen. Doch, die Situation Des Fehlenden Straßenstücks tritt hier regelmäßig auf. Man fährt entspannt über neuen Belag, dann zack - 10 Meter alter, schrömmeliger Belag - zack und weiter geht es mit dem schönsten Asphalt. Fragen über Fragen des Orients. Trotz allem erreichen wir Pakxan relativ entspannt, bereits vor dem Mittagessen. Rekord! Bonne nuit folks!

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