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AutorenbildIngo

Schlamm und staub . . .

07. April 2024 - Von Pokhara nach Bandipur

KM 21.380


Warme Abendsonne taucht den kleinen Marktplatz von Bandipur in rötliches Licht. Hier herrscht tiefer Frieden. Frauen sitzen auf den Stufen ihrer Häuser und klönen, Kinder spielen Fussball oder murmeln in den kleinen pittoresken Gassen dieses bezaubernden Ortes. Am kleinen Hinduschrein, fachsimpeln ältere Männer, mit weißen Hemden und würdig ausschauenden, grauen Wollwesten gekleidet, oftmals das fahlfarbige Dhaka Topi verwegen schräg auf dem ergrauten Haupt sitzen. Abgenutzte, hölzerne 108ter, gleiten unablässig durch die Finger. Gebetsperlenketten, mit 108 Holzperlen daran, gibt es hier an jeder Ecke. Bandipur liegt auf einem Berggrat, auf ungefähr 1000 Meter Höhe. Mittig im Dorf gibt es einen Platz, den ich im Stillen den Marktplatz getauft habe. Ob das tatsächlich ein Marktplatz ist, sei dahin gestellt. Die umliegenden, alten Häuser präsentieren sich krumm und schief, als würden sie sich der Last der Jahrhunderte beugen, ihre Anordnung ist mehrheitlich willkürlich. Ein kleines, zweistufiges Tempelchen steht herzig am Rand des Platzes und strahlt tiefen spirituellen Charme vergangener Jahrhunderte aus.



Die Luft ist frisch und die Sonne steht noch nicht hoch am Himmel, als wir heute Morgen aus Pokhara abfahren. Die letzten Tage haben wir mit so unterschiedlichen Tätigkeiten verbracht, wie Wäsche machen, Winterbekleidung auslüften und hemmungslos rumfaulenzen. Da wir Pokhara ja ganz gut kennen, machen wir die Kaffeehausszene unsicher und verbringen viel Zeit




mit Planen und Lesen. Das Camille hat außerdem eine sehr ausgefallene Menükarte, mit genau ausgewiesenen Schärfegraden. Welch eine Entspannung für meine Mundhölennerven. Für die nächsten Tage schreiben wir etwas Sightseeing auf den Reiseplan. Mahir hat uns empfohlen, auf dem Weg nach Besisahar, in Bandipur Zwischenstation zu machen. Also lesen wir uns ein und befinden das kleine Örtchen würdig, für einen schönen Zwischenstopp. Während da so




Cocco und Latte, die beiden Golden Retriever des Hauses, zwischen uns rumwuseln, entscheiden wir uns für eine weitere Annapurnatour. Also haben wir erneut einen Permit für das Annapurna Sanctuary erworben und werden uns langsam von Pokhara, über Bandipur und Besisahar, in das Tal des Marsyangdi begeben und versuchen bis Manang zu fahren. Die Aussagen über die Pisten-/Straßenverhältnisse sind widersprüchlich, was uns nicht wundert. Die Einen sagen, dass die Straße nach Muktinath super in Schuss ist und die Anderen sagen, dass die Straße nach Muktinath grottig ist. Gleichermaßen stellt sich uns die Situation, hinsichtlich des Dorfes Manang dar. Nichts Genaues weiß man nicht. Maning liegt auf knapp 4000 Meter, rückseitig zur Annapurna Range. Wir werden dann also zwischen Annapurna 2/3, beides Siebentausender und dem Achttausender Manaslu, Richtung Manang fahren. So weit, wie es geht. In der Reiseliteratur steht, dass die Straße inzwischen durchgängig ist, was eben schwierig zu beurteilen ist, weil es Straßen gibt und es gibt nepalesische Straßen! Zwischendurch steht auf einmal Mahir mit seiner Frau neben uns, der Hotelier aus Beni, der sich im Camille mit Reiseproviant eindeckt. Er ist auf dem Weg nach Kathmandu. Allerdings nehmen sie das Flugzeug und fahren nicht mit dem Auto.



Tja, wie soll ich sagen, kluge Entscheidung von Mahir und seiner Frau, den Flieger zu nehmen. Da wir ja die Bergziege anne Hacken haben, werden wir wohl den Prithvi Highway nehmen, der von Pokhara nach Kathmandu führt. Google zeigt einige orangefarbene Stellen auf unserer Route, was bedeutet, dort kommt es zu Verzögerungen. Heißt eigentlich, dass dort überall Off-Road-Abschnitte sind.

Noch vor dem Ortsausgang von Pokhara geht es los. Sand, Schlamm, Schotter, Kies. Und natürlich nicht zu vergessen, es handelt sich um eine "unbefestigte Schotterpiste", was für uns die Steigerung einer normalen Piste ist. Dabei sind nämlich die



Seitenstreifen nicht befestigt und man kann da schonmal zur Seite wegsacken. Das Schlimmste ist eigentlich, dass es die gesamte Strecke über derartig staubt, dass ich kaum was sehen kann. Und da, wo es nicht staubt, hat ein Tankwagen wassersprühend, die Piste in ein überdimensioniertes Schlammloch verwandelt. Dadurch schlingert das Hinterrad der Bergziege derartig, als würden wir in einer nepalesischen Wäscherei auf ausgelaufener Schmierseife



Pirouetten drehen. Außerdem kommen einem natürlich auch wieder die wunderlichsten Fahrzeugensembles entgegen. Hinzu kommt, dass wirklich dichter Verkehr herrscht, da der Prithvi-Highway die logistische Lebensader Nepals ist. Highway-lächerlich! Am Ende des Tages fahren wir gut 70 Kilometer durch eine einzige Baustelle. Wir wundern uns ein wenig, dass Google nicht die gesamte Strecke in Orange anzeigt. Michael hatte uns ja erzählt, dass einige seiner Gäste, von Beni nach Kathmandu - über den Prithvi-Highway - 12 Stunden gebraucht


haben (knapp 300 Kilometer). Gut, da hatte es noch einen Landslide gegeben, aber 12 Stunden in so einem Tourist-Only-Zäpfchen, ist bestimmt großartig. Wir überstehen etliche Situationen, die sich aus den Parametern, Platzmangel, Verkehrsdichte, lokale Überholtechnik, Dieselausstoß, schlüpfriger und unebener Untergrund, sowie nebelartiges Staubaufkommen zusammensetzen.



Zehn Kilometer vor Bandipur, müssen wir rechts raus, weil mein Handy im Cockpit der Bergziege so zugestaubt ist, dass ich die Straßenkarte nicht mehr sehen kann. Wir trauen uns gar nicht in das Restaurant, da wir aussehen, wie gepuderte Weihnachtsmänner. Blöde, weil wir gestern erst unsere Mopedbuxen aus der Wäscherei geholt haben. Nun ja, nach dem Waschen ist immer wieder vor dem Waschen! Alte chinesische Wäschereiweisheit!



Links geht es nach Besisahar und rechts, strack den Berg rauf, nach Bandipur. 8 Kilometer schlängelt sich eine steile, schmale Straße, nur wenig verstaubt übrigens, durch lose Bewaldung, vorbei an Terassenwirtschaft und kleinen Siedlungen, auf gut 1000 Meter hoch. Bandipur ist nicht mehr als eine Bergsiedlung im Distrikt Tanahun in der nepalesischen Provinz Gandaki. 2011 gab es DIE nepalesischen Volkszählung und laut dieser amtlichen Registrierung, lebten in den zusammenhängenden Dörfern Bandipur und Dharampani insgesamt gut 15.500



Menschen. Wenn man so die Straße da hoch kachelt, hat man zwar nicht den Eindruck, dass am Ende des Asphaltbandes irgendwie Leben zu sein scheint, doch wir werden eines Besseren belehrt, als wir urplötzlich vor einer ausgewiesenen Fussgängerzone abbremsen müssen. Unser Hotel liegt mittig in der Fussgängerzone. Blöd, also bleibe ich bei der Bergziege und Anni stiefelt los, um Hotel und Hotelier ausfindig zu machen. So hocke ich in der Sonne und schau mich um. Schon von hier aus lässt sich erahnen, welch ein hübsches Lokalkolorit uns erwartet. Anni kann den Hotelier nicht finden, aber der Nachbar hat wohl gesagt, dass er ihn ausfindig machen will und wir schon mal die Ziege parken und abladen sollen. Direkt am Eingang der Fußgängerzone liegt ein Parkplatz, wo wir die Bergziege anbinden und von Gepäck befreien.



Wie heißt das so schön in unserem Reiseführer, "Bandipur ist vor allem für seine erhaltene, alte Kulturatmosphäre bekannt". Aha, so so. Wir schleppen also unsere Habseligkeiten durch die erhaltene, alte Kulturatmosphäre und müssen schon nach wenigen, schweißtreibenden Metern, jawohl - auch hier sind es heute 30 Grad, feststellen, dass das Örtchen wirklich urgemütlich daherkommt. Beim Hotel angekommen, lässt sich auch der Hotelier blicken und versorgt uns mit Milchkaffee, weil das Zimmer noch nicht fertig ist. Kein Problem für uns, für ihn eh nicht,




denn er ist so was von laid back, dass er es in dieser Hinsicht locker mit jedem australischen Surfer Dude aufnehmen könnte. Unser Hotel ist ein Rotary-Club-Nepal Hotel, was bedeutet, dass mit den erwirtschafteten Gewinnen des Hauses, 5 Schulen unterstützt werden. Allein dieser Fakt war für uns ausschlaggebend, hier ein Zimmer zu buchen. Man ist ja schließlich nie ganz außer Dienst! Unser Zimmer ist so was von herzig, wir sind spontan darin verliebt. Alles ist krumm und schief, verwinkelt, der Boden knarrt, doch alles ist mit Liebe zum Detail gemacht




und von einem kleinen Balkon aus, können wir sehen, was so auf der Straße abgeht. Bandipur wurde von Newar-Händlern aus Bhaktapur im Kathmandu-Tal als Handelsknotenpunkt gegründet, nachdem das Kathmandu-Tal 1768 von Prithvi Narayan Shah erobert worden war. Höhenbedingt, nutzten die Bewohner die malariafreie Lage, um es zu einer wichtigen Station entlang der Handelsroute Indien-Tibet auszubauen. Bei unserem ersten Rundgang durch




Bandipur sind die vielen alten Bauten aus der Magar-Zeit auffällig, denn anscheinend brachten die Bewohner ihr kulturelles Erbe und ihre Architektur mit. Beim ein oder anderen Neubau im Dorf, scheint sich die Architektur im Wesentlichen bis heute unverändert gehalten zu haben.

Ursprünglich war Bandipur ein einfaches Magar-Dorf, doch über die Zeit entwickelte sich der Ort zu einem wohlhabenden Handelszentrum mit stadtähnlichen Merkmalen.







Sehr ansehnliche Gebäude mit klassischen Fassaden und Fensterläden sowie Straßen, die mit silbrig-glänzenden Schieferplatten gepflastert sind, laden uns förmlich ein, einen Rundgang durch das alte Handelszentrum Bandipurs zu unternehmen. Bandipur erlebte seine Blütezeit übrigens in der Rana-Zeit (1846-1951), aha, so so, als der Stadt, als Zeichen seiner Macht und seines Ansehens, eine Sondergenehmigung für eine eigene Bibliothek erteilt wurde. Bei unserem Rundgang schlummert ein Hund am geziegelten Sockel des alten Bildungsgemäuers. Wir schleichen vorbei, denn schließlich wollen wir keine schlafenden Hunde wecken, da man nie weiß, was man bekommt!





Inzwischen beginnt Bandipur aus dem Dornröschenschlaf zu erwachen. Noch kommen nicht all zu viele westliche Touristen her, da man tatsächlich zwischen Pokhara und Kathmandu einen Stop einlegen müsste und die meisten Touristen hetzen eigentlich zwischen diesen beiden Metropolen hin und her, mit einer Trekkingphase dazwischen. Doch der Zwischenstopp ist es alle Mal wert, so viel ist mal sicher. Bonne nuit folks!







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