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AutorenbildIngo

Officially in India . . .

28.02.2024 - Delhi

KM 19.112


Gott, war das ein Akt! Nach 5 Tagen des Zollinspizierens, ist die Bergziege nun auch offiziell in Indien angekommen. Die letzten zwei Tage waren der sprichwörtliche Ritt nach Laramie. Vorgestern morgen haben wir uns mit unserem Customer Broker Baljeet im New Custom House getroffen. Von unserem jetzigen Hotel nahe der Metro Haltestelle Chatrapur und dem Leber Institut sind es etwa 11 Kilometer bis zum Cargo Terminal und dem Zollgelände des Indira Gandhi International Airports. Wir nehmen ein Tuktuk. Erstens ist eine Tuktukfahrt immer ein sagenhaftes Erlebnis und zweitens sind sie preisgünstiger als ein Taxi, was auch nicht schneller ist. Den Rhythmus von Delhis Verkehr kannn man am Besten mit dem Begriff "schluckaufartig" bezeichnen. Springt ein Ampel auf grün brausen alle Fahrzeuge los, unmittelbar, es gibt in diesem Rennen keine Silbermedaillen. Und es werden auch keine Gefangenen gemacht. Es gibt



vorwärts, koste es, was es wolle. Dann bremsen alle Fahrzeuge abrupt und die gesamte Fahrbahnbreite ist verstopft. Sobald sich der Stau lockert rasen alle wieder los, bis zum erneuten Vollbremsen. Schluckauf halt! Da es nur rudimentär Fahrbahnmarkierungen gibt, hält sich eh keiner daran. Lächerlich, warum auch. Wo Platz ist, wird eine Fahrspur eröffnet - jawohl! Im Tuktuk ist es eben die klassische Nahtoderfahrung. Alles rappelt, denn das Gefährt ist dreirädrig, wodurch konstruktionsbedingt keinem Schlagloch ausgewichen werden kann. Kurven werden in totaler Schräglage genommen und auch zeitweiliges Kurvenrasen auf zwei Rädern, kann hier Alltagsnormalität sein. Alle Hupen, das totale Chaos, jeder will nur vorwärts und quetscht sich in die nächste Lücke im Verkehrsgetümmel, auch, wenn die Dimensionen der Lücke nur bedingt mit den Dimensionen des Fahrzeuges übereinstimmen. Als Fahrgast tut man gut daran, keine lebenswichtigen Extremitäten aus dem Tuktuk zu strecken. Oberstes Gebot ist, Ruhe bewahren, auch wenn spontan die wichtigsten Stationen des eigenen Lebens vor dem inneren Auge auftauchen. Die meisten Tuktukpiloten wissen was sie tun, schließlich haben sie ihr ganzes Leben in diesem Verkehrs-Purgatorium zugebracht. Es ist herrlich. Wie es ist, wenn ich selbst am Steuer sitze, wird sich zeigen. Ob wir die Bergziege jemals aus dem Zoll bekommen ist ohnehin fraglich . . . .



Mr. Baljeet fängt uns vor dem Custom House ein. Ohne den höflichen Sikh mit seinem Turban, würden wir immer noch in den hintersten Winkeln des Cargo Bereichs herumirren. Wir versuchen heute einen Teil der Liste zu umgehen. Normalerweise ist unser Carnet des Passages das Dokument, an dem alles hängt. Nicht in Indien, wie ich ja bereits erwähnte. Man benötigt ein Empfehlungsschreiben der WIAA - der Western Indian Automobile Association, die in Mumbai sitzt, einen Carnet des Passages, eine Pass-/Visakopie, eine Kopie des internationalen Führerscheins, ein D.O. (Zolldokument der Fluggesellschaft) und die AWB, die Airway Bill (Rechnung) der Fluggesellschaft. Leider steht das ja nirgendwo und nachdem wir am Freitag von dieser ominösen Liste gehört haben, wurden Mails nach Mumbai geschrieben und außerdem vergeblich versucht, Anrufe an das WIAA Büro in Mumbai durchzubekommen. Keine Reaktion, der Downloadbereich der Webseite funktioniert nicht und so versuchen wir mit Mr. Baljeets Hilfe einige Hürden zu umgehen. Wir gehen also sofort zum Deputy Commisioner, der für die Herausgabe der Waren zuständig ist. Die Dame ist sehr nett und signalisiert, dass sie die Bergziege sofort frei geben wird, sobald aus dem Customer House, von einem anderen Deputy das OK kommt. Ihr ist die Liste egal, so das OK kommt, wird gestempelt und es geht los. Uhrenvergleich - 14 Uhr - und auf zum Custom House. Ich sollte erwähnen, dass wir jedes Mal einen neuen Visitor Pass benötigen, wenn wir den Zollbereich betreten. Ausgerechnet heute hat die Belegschaft gewechselt und was Donnerstag und Freitag in unkomplizierter Papierform ging, muss heute online erledigt werden. Da hilft auch kein gutes Zureden von Mr. Baljeet. Wir verlieren eine gute Stunde und bekommen am Ende doch ein Papier, weil das Onlineverfahren mit einem Bezahlsystem gekoppelt ist und das wiederum mit einem indischen Bankkonto. Hm, scheinbar bringen nicht oft Bleichgesichter ein Fahrzeug nach Indien. Zurück im Custom House müssen wir natürlich warten. Den Deputy Commissioner besucht man nicht einfach. Bei jeder Station müssen wir immer Warten. 90% der Angelegenheit besteht aus Warten. Der DC ist ein sehr angenehmer Mann, bietet uns einen Platz und Wasser an, lässt ein paar Büro-Leibeigene rufen, denen übertragen wird, sich der Sache anzunehmen. Wir müssen das Büro verlassen und in uns schwelt irrigerweise die aufkeimende Hoffnung, dass es da unbürokratische Amtshilfe gibt. Irrige Annahme, im Gegenteil, wir müssen erneut bei Adam und Eva anfangen, alles erklären, auch dass wir in Mumbai niemanden erreichen. Alles geht nur quälend langsam, denn jeder muss gefragt und involviert werden. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass jeden Tag, den wir die Bergziege nicht abholen, die Lagergebühren-Rupien nur so in eine imaginäre Registrierkassen rollen. Wir wollen ja, aber die bürokratischen Hürden sind einfach systemisch in den Kleinstverantwortungen zu suchen. Es findet ein riesengroßes Palaver statt, wo wir zur totalen Untätigkeit verdammt in einem engen, muffigen Kabuff dabei hocken und nix verstehen. Mr. Baljeet teilt uns mit, dass wir ohne die Empfehlung aus Mumbai nichts machen können. Man empfiehlt uns einen Agent. Aha, so so - hatten wir ja, aber, der Kerl hat sich ja nicht gemeldet und wir haben zwei Tage verloren. Also wenden wir uns an das Superass, was wohl überall in Indien seine Finger mit drin hat, was Einfuhren von Waren angeht. Mir wird aufgetragen, alle möglichen Anschreiben anzufertigen, also immer schön Bitte, Bitte machen, die Liste abzuarbeiten und digitalisiert dem Agentenass zumailen. Eigentlich hatten alle, aber auch restlos alle, bereits diese digitalen Kopien. Damit der geneigte Leser das versteht: Die Chassinummer der Bergziege steht im Carnet, geprüft von München und gestempelt. Doch ich muss ein Foto davon schicken, der Carnet reicht nicht aus!?! Also sitze ich die halbe Nacht und bereite die Daten auf, schön häppchenweise kategorisiert, denn wenn Supermann zu viel Arbeit damit hat, macht er es erst in drei Wochen. Gestern morgen passiert lange nichts. Um 11:30 schreibt mir der Agent, er hätte mir einen QR-Code geschickt und, dass ich flott bezahlen muss, da sonst nichts mehr geht, er müsse weg. Aha, so so. Nach mehreren hektischen Telefonaten mit Mr. Baljeet, übernimmt die Agentur von Mr. Baljeet die Sofortüberweisung und setzt sie uns auf die Rechnung. Tatsächlich kommt eine halbe Stunde später das ersehnte Papier aus Mumbai. Und nun halte sich der geneigte Leser fest, dieses Schreiben bestätigt die Echtheit unseres deutschen Carnets!!! Für 50 US$! Zugegeben, ich bin super genervt und auch kurz vor dem Axtmord! Dann müssen wir schnell zum Zollbereich kommen. Also, alle Unterlagen in



Kopieform gegriffen - digital reicht nämlich nicht (!) - und ab ins Tuktuk. Wir schaffen die Strecke in gut 30 Minuten und um 13:30 Uhr stehen wir, nach dieser Verkehrssituation, leicht derangiert vor dem Custom House. Wenn der geneigte Leser nun glaubt, jetzt ginge es schnell, der irrt. Nun fängt es an. Wir haben alles von der Liste, feinst in Kopie und digital. Doch nun kommt die Rache des kleinen Zollbeamten. Der ausführende Beamte ist stinkig, dass Mr. Baljeet einfach zum DC gegangen ist und fühlt sich übergangen. Er muss erst eine Akte anlegen. Das Arbeitstempo ist kurz vor dem Umfallen, dann soll ich erst einmal ein formales Anschreiben an den DC richten. Mr. Baljeet ist mir gegenüber so peinlich berührt, dass dieser Zollbeamte wieder irgendetwas gefunden hat, warum er mit der Akte nicht weitermachen muss. Zwischendurch kommen immer neue Customer Broker herein und legen neue Vorgänge auf en Tisch, die XXXXXXXXX dann zuerst bearbeitet. Also schreibe ich ein formales Gesuch an den DC. Doch es braucht anderthalb Stunden, bis ein grüner Aktendeckel erstellt und alle Papiere darin abgeheftet sind. So, nu is die Akte fertig und jetzt muss noch jeder Hans und Franz die Akte sichten, bevor sie das Fludderpapier unterschreiben und ihr OK geben. Natürlich dauert das, da hier alle Zeit haben. Sage und schreibe 7 Beamte müssen die Akte verifizieren. Mr. Baljeet tut mir inzwischen leid, denn er ist von diesem Procedere so peinlich berührt, dass er sich andauernd bei uns entschuldigt. Wir signalisieren ihm, dass alles OK sei und wir ohne ihn ohnehin immer noch am Tor stehen würden. Vom Custom House müssen wir wieder den dreiviertel Kilometer zum Zollbereich laufen. Am Gate 6 brauchen wir wieder einen Pass. Uhrenvergleich: 16:15Uhr und die Zollinspektion der Bergziege muss bis 18 Uhr erfolgt sein, da der Beamte dann Feierabend macht. 16:30Uhr stehen wir wieder vor dem Büro der DC-Dame, die Montag sagt, sie bräuchte nur das OK aus dem Custom House und sie würde alles freigeben. Ich weiß nicht, ob da eine Botschaft versteckt war, Fakt ist, dass erst einmal der Customer Superindendant dieser Abteilung das unterfackeln! Aha, so so. Wir warten eine halbe Stunde, er



taucht nicht auf. Also entscheidet Mr. Baljeet, dass wir zu Madam DC reingehen, doch auch sie will, dass erst alle Schergen der Abteilung die Akte sichten und unterschreiben, bevor sie zur Tat schreitet. Wir sollten uns halt irgend einen anderen Superintendant der Abteilung suchen. Also los, inzwischen habe ich die Hoffnung aufgegeben, dass das heute noch klappt. Eine Comedy inzwischen. Wir schnappen uns irgendeinen höheren Zollbeamten, der unterschreibt ungesehen, dann müssen noch zwei weitere Schergen unterfackeln, doch die wollen Zeit, die ein gründliches Aktenstudium ermöglicht. Jetzt ist Mr. Baljeet kurz vor dem Axtmord. Wir werden in einem leeren Büro geparkt und er verschwindet. Vorher will er wissen, wie schnell wir die Bergziege zusammenbauen können, damit wir heute noch zur Zollinspektion zum Custom House kommen. Es ist 17:30 Uhr und er windet sich, als ich ihm sage, dass das 1 Stunde dauern wird. Um 17:45 Uhr haben wir tatsächlich alle Unterschriften und können die Bergziege abholen. Natürlich haben die Hallenarbeiter der zweiten Schicht von 17:30 Uhr bis 18:00 Uhr Teepause und es ist niemand in den Lagerhallen. Schlage Mr. Baljeet vor, dass es doch sinnvoller sei, wenn der Zollinspektor zur Halle kommt, dann könne er unmittelbar die Rahmen und Motornummer ablesen, den Carnet unterschreiben und Heim fahren. Er versuchts, während ich auf die Kiste warte, geht Anni mit Mr. Baljeet zum Bezahlen aller Gebühren für Alles. Da es fünf Tage braucht, damit wir das Moped bekommen müssen wir knapp 700€ blechen . . .



Unter den Augen von 20 Lagerarbeitern, die mal eben für eine Stunde die Arbeit eingestellt haben, inklusive des halben Sicherheitsdienstes, montieren wir wieder das Vorderrad, die Bremssättel, und das Windschild. Beim Anklemmen der Batterie teilt uns Mr. Baljeet mit, dass der Zollinspektor nicht kommen wirde, doch aber mit Fotos der Nummern zufrieden ist. Aha, so so, wie unbürokratisch. Geht doch! Um 20:10 Uhr haben wir die Bergziege aus dem Zoll, einen gestempelten Carnet und können Richtung Hotel aufbrechen. Mr. Baljeet ist überglücklich, wir übrigens auch(!), dass das nun endlich geklappt hat. Es ist ihm so peinlich, was man da mit uns veranstaltet hat, dass er sich kaum losreißen kann. Aber es ist wirklich ein Glück, dass wir auf ihn getroffen sind, denn ohne seine Hilfe und Kooperationsbereitschaft, würden wir immer noch in irgendeinem Büro sitzen . . .




Heute Morgen scheint die Sonne und wir haben uns frei genommen. Gestern Abend sind wir völlig fertig ins Bett gefallen und haben alles Weitere auf heute verschoben. Wir erledigen noch ein paar Schraubarbeiten, die gestern im Dunklen einfach nicht mehr gingen. Außerdem ersetzen wir am Koffer die verlorengegangene Flagge von Kambodscha und die Indische kommt hinzu. Natürlich klebe ich sie falsch herum auf, doch durch den freundlichen Hinweis unseres Hoteliers wird das korrigiert. Bei schönstem Sonnenschein hängen wir in einem Café ab und können nun alles weitere in Ruhe angehen. Morgen werden wir recht früh nach Jaipur aufbrechen, um der Rushhour zu entgehen. Die Fahrt gestern vom Airport zum Hotel - 11 Kilometer - waren, sagen wir mal, spannend. Aber bei weitem nicht so anstrengend, wie in Jakarta. Das werden wir morgen früh feststellen. Nun packen wir erst mal unsere Sachen, damit wir morgen zügig loskommen. Bonne nuit folks!




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