12. März 2024 - Von Allahabad nach Varanasi
KM 20.428
Der Ganges hat ziemlich wenig Wasser. Von Allahabad führt eine große Brücke über den Fluß, unmittelbar neben der Mündung des Yamunaflusses. Von der Brücke aus, kann man das Kumbh Mela Festgelände sehen, eine riesige Sandfläche am Sangam - der Mündung - oder auch dem Zusammenfluss der beiden Ströme. Der Yamuna ist der zweitgrößte Nebenfluss des Ganges und mit einer der längsten Flüsse Indiens. Er entspringt im unteren Himalaya, am Yamunotri-Gletscher in Uttarakhand, in einer Höhe von etwa 4.500 m und legt eine Strecke von 1.376 Kilometern zurück. Wie der Ganges, wird der Yamuna im Hinduismus hoch verehrt. Hinduistischen Legenden zufolge, befreit das Baden im heiligen Wasser des Yamuna, von den Qualen des Todes. Aha, so so. Wenn ich mir das Wasser so von der Brücke aus ankucke, bin ich mir da nicht so sicher. Aber schließlich sind wir im Orient und da ist die störrische Ungläubigkeit der Bleichgesichter legendär. Leider "sehen" wir wir den Yamuna zum letzten Mal. Ursprünglich wollten wir ja noch nach Himachal Pradesh und dann wären wir etliche Kilometer seinem Flusslauf nach Nordwesten gefolgt. Aber, dann ein anderes Mal!
Die Strecke von Allahabad nach Varanasi ist ziemlich unspektakulär. Auf der Landkarte eine gut ausgebaute Schnellstraße, in der realen Welt ein Baustellenabfolge. Wo es keine Off-road Abschnitte gibt, können wir laufen lassen. Es sind nur 130 Kilometer bis zur Heiligen Stadt Indiens. Nach unserem gestrigen Verkehrserlebnis wollen wir vor der Rushhour in Varanasi sein.
Wir brauchen auch nur 2 Stunden, bis wir Varanasis Stadtgrenze erreicht haben. Tja, obwohl ich schon einmal hier war, muss ich wohl vergessen haben, dass in dieser Stadt immer Ruzshhour ist! Was soll ich sagen. 5 Kilometer vor unserem Hotel, bleiben wir im Chaos stecken.
Varanasi ist voll von indischen Pilgern und wenn sie sich nicht zu Fuß zu den Ufern des Ganges begeben, dann nehmen sie meist - aus Kostengründen - eine Fahrradrickscha. Und die Jungs legen den Verkehrsfluss so richtig lahm. Was nützen einem 120 PS, wenn man die Kraft nicht an den Boden bekommt. Also was macht das deutsche Navigationstalent: Links raus und mit einer straßentechnischen Parallelverschiebung im Kopf eine Alternativroute im Kopf suchen. Tja,
Navigationstalent, Ingo, du Volltrottel. Varanasi ist die älteste, durchgehend bewohnte Stadt der Welt! Aha, so so. Da hat man bestimmt so konsequent gebaut, dass man mit Prarallelverschiebungen arbeiten könnte? Manchmal, muss man einfach mal nix sagen. Wir verfranzen uns hemmungslos in den Altstadtgassen. Und wenn ich Gasse sage, dann meine ich auch Gasse. Die meisten sind kaum breiter, als 2 Meter und im Falle von Gegenverkehr, sowie bei gleichzeitig geparkten Fahrzeugen, kann es schon mal eng werden. Außerdem hat das Navi aufgegeben. Die engen, extremst verwinkelten Gassen, werden auf der Straßenkarte, als normal
dimensionierte Fahrwege dargestellt. Doch manch vorgeschlagener Weg entpuppt sich als so schmal, dass nicht einmal ein Roller hindurch passt, geschweige denn die Bergziege. So irren wir gut eine Stunde durch dieses Gewirr unterschiedlichster Verkehrswege, bevor wir uns eine Pause verordnen, um den Weg neu zu justieren. Auf das Navi können wir nicht vertrauen, denn es kennt unser Guesthouse nicht. Daher versuchen wir es mit einem Café in der Nähe. Wieder und wieder landen wir beim großen Kreisverkehr und ich komme mir inzwischen wie ein totales
Reisegreenhorn vor. Doch dann, urplötzlich, meldet maps.me, dass wir nur noch 650 Meter von unserem Hotel entfernt sind. Jetzt auf Nummer sicher. Ich parke am Gassenrand, um die Durchfahrt für Roller und Elektrotuktuks zu gewährleisten. Anni übernimmt den Job des Indianerscouts und geht zu Fuß in das wirre Geflecht der kleinen Gassen. Danach wird es spannend. Binnen Sekunden spricht sich rum, dass da ein Bleichgesicht mit einer Monstermaschine auf dem Hof steht, nicht nur bei den Nachbarn, sondern auch bei den Affen. Die Rasselband kommt gerade von einem Beutezug und hangelt sich an den Stromleitungen die
Fassaden runter. Oberhalb der gepackten Bergziege bleiben sie auf einem Gesims sitzen. Finster dreinblickende Gesellen, rot unterlaufene Augen, roter Arsch und schnelle Finger. Mir wird warm. Also befestige ich alle losen Teile, wie die Helme, fest am Moped, ziehe meine Handschuhe an und schraube das Insta 360 Stativ aus seiner Halterung. Dieses Stativ kann man auf knapp 2 Meter ausziehen und es liegt prächtig in der Hand. Die Affenbande ist unschlüssig, ein Vorwitziger versucht es und ich ziehe mit einem lauten Ruck den Stab auseinander und stoße die Metallspitze gegen den Laternenpfahl, an dem der Räuber sich
langsam hinab hangelt. Die Affenmeute scheint in Varanasi schreckhafter zu sein, als ihre ultra agressiven Vettern in Jaipur. Die Meute macht sich von dannen. Aber, es wird nicht langweilig. Wir haben direkt gegenüber von einem kleinen Shop geparkt, der auf hinduistische Pilgerdevotionalien spezialisiert ist. Während ich da so auf Annis Rückkehr warte, preist mir der Besitzer einen kleinen marmornen Lingam an. Das ist, je nach wissenschaftlicher Theorie ein Phallussymbol - steht für die schöpferische Ursprungskraft Shivas - oder einfach nur ein heidnischer Steinkult. Ich verweise auf die Bergziege und darauf, dass wir so gar keinen Platz für Souvenirs haben. Doch er ist ziemlich geschäftstüchtig und zeigt mir spontan das Modell "Reise-Lingam" im praktischen Taschenformat. Er demonstriert mir darüber hinaus, wie man den Phallus liebevoll feucht hält und schaut mich erwartungsvoll an, ob seiner Verkaufstechnik. Ich frage mich, ob er damit Erfolg hat. Doch wenn ich bedenke, dass er bestimmt 5 von den Dingern verbimmelt hat, allein in der halben Stunde, die ich gewartet habe, dann muss er es ja raus haben. Und. mal ehrlich, die Dinger nutzen sich ja nicht ab, also wieviele Marmorlingams kauft wohl der gläubige Hindu in seinem Leben? Andererseits gibt es 1,5 Milliarden Inder . . .
Anni hat das Hotel gefunden und geleitet die Bergziege und mich sicher durch das Gewirr, bis wir - natürlich an der engsten Stelle der Gasse halten. Von unserem Zimmer ist es gerade mal ein knapper Meter zum Nachbarn. Was soll ich sagen, die Altstadt von Varanasi ist eben so alt, da gab es noch keine Bauvorschriften. Bonne nuit folks!
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