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AutorenbildIngo

Nepalesisches Tiramisu . . .

Aktualisiert: 6. Mai

03. Mai 2024 - Kathmandu

KM 22.097


Wir bummeln durch Kathmandu. Die Gassen sind eng, der Verkehr hektisch und es sind gepflegte 34 Grad. Wird fühlen uns zurückversetzt in die guten alten Corona Tage, als einem jeden Orts Maskierte entgegen kamen. Es wird ausdrücklich empfohlen, in Kathmandu mindestens eine OP-Maske zu tragen. Eigentlich von Jedem. Reiseführern, Blogs, Ministerien, Einwohnern und besonders von der Fraktion der Passivraucher. Ein Tag in Delhis Verkehr soll, nach amtlichen Nachrichten, zur ungefähren Aufnahme einer Teermenge führen, deren Äquivalent, gute 30 Zigaretten der Marke Rot Händle, filterlos, wären. Laute Stimmen



prognostizieren, dass es in Kathmandu schlimmer sei. Dementsprechend begegnet man hier auch wieder zahllosen Gesichtern, mit der obligatorischen OP-Maske. Wir übrigens auch. Nachdem ich seit Wochen, meinen anfänglichen Erkältungshusten nicht losgeworden bin, fahre ich mit Staubschutz über Mund und Nase durch den nepalesischen Verkehr. Siehe da, es wird besser. Also sehen wir wieder aus wie Peter, Paul and Mary auf dem Wege zur Bank.



Kathmandus Durbar-Sqaure liegt nur knapp 1,5 Kilometer von unserem Hotel entfernt, am südlichen Ende von Thamel, dass ist der Name des Stadtteils, sodass wir zu laufen beschließen. Die Tatsache, dass ein Mensch, besonders ein Tourist, 1,5 Kilometer laufen könnte, verstört den Asiaten zutiefst, besonders den Nepalesen. Was soll ich sagen? Man ist eher bereit eine Kühl-Gefrier-Kombi auf dem Rücken einen Berg hoch zu tragen, als zu Fuß, auf ebener Strecke 1,5 Kilometer, zu laufen. Lächerlich. Kann man doch fahren. Entsprechend wirr und hektisch ist der Verkehr. Der Gang durch die Gemeinde ist spannend. Selbst wenn im Navi eine Hauptstraße



verzeichnet ist, ist sie kaum breiter, als bei uns eine Fahrspur. Falls ein Gehweg existiert, hat er vielleicht eine Breite von 22,37 cm und ist oftmals nicht gepflastert. Außerdem residieren dort meist dösende Hunde, über die man schnell mal stolpern kann. Viele haben die Dimension eines Bremsklotzes. Also, dass Fell ist zu eng, für die Masse Hund. Nicht dass man angeknurrt würde, nein, nein, zu so einem exorbitanten Kalorienverbrauch gibt sich kein nepalesischer Hund her.




Die meisten Einbahnstraßenschilder sind mehr so Dekoration, denn wirkliche Richtlinie. Für uns übrigens auch. Wir hätten etliche Kilometer Umweg fahren müssen, um unser Hotel zu erreichen. Da fährt man einfach gegen die Fahrtrichtung in die Einbahnstraße und ist ruckizucki beim Hotel. Hat niemanden gestört, auch den Polizisten nicht, der uns sehr euphorisch zugewunken hat und den Daumen in die Höhe reckte. Das wir gegen die Fahrtrichtung






unterwegs waren, ist mir gar nicht mehr so richtig aufgefallen - normal halt, obwohl Anni schon tadelnd, mit einem doch etwas schneidenden Ton aus dem Helm heraus, „Das ist eine Einbahnstraße“, hervorbrachte. Ich hab nur „Was ist denn“ zurück gefragt, schließlich musste ich ja die Hoteleinfahrt finden. Außerdem waren da auch etliche andere Mopedfahrer, die auch in die Gegenrichtung mussten.



   Wir erreichen den Durbar-Square ohne personelle Verluste. Ist nicht selbstverständlich, den Kathmandu hat einige städtebauliche Eigenarten. Wie erwähnt, sind die Straßen ziemlich dunkel, eng und unübersichtlich. Dann kann es auch noch sein, das irgendwann, irgendwer, irgendwo einen pagodenförmigen Tempel gebaut hat. Da man sich in dieser Region damit schwer tut, die Geister oder Götter umzusiedeln oder gar zu vertreiben, bildet der Tempel eben eine historische Temposperre, da er immerhin gut die Hälfte der Straßenbreite einnimmt. Das



mit der Temposperre sollte der geneigte Leser jetzt nicht ernst nehmen, war mehr so sinnbildlich gemeint. Denn den Nepalesen als Solchen, stört es gar nicht, wenn eben nur die halbe Fahrbahn zur Verfügung steht und die andere Hälfte, fest in Geisterhand ist. Ist im Gebirge ja auch so. Da fehlt ja auch häufiger mal was. Also passiert jedweder Verkehrsteilnehmer ungebremst das spirituelle Nadelöhr und eigentlich erlebt nur der Tourist dort eine zünftige Nahtoderfahrung. Bremsen - lächerlich! Wie gesagt, wir erreichen den Durbar-Square lebend.



Durbar heißt übrigens Königspalast. Zunächst müssen wir blechen, 1000 nepalesische Rupien, die für den Wiederaufbau des Durbar-Squares, Reinigung usw. verwendet wird. Ähnlich wie in Bhaktapur, kann man sich auf der Basis seines Tickets, einen 3 Monate gültigen Besucherausweis ausstellen lassen, was wir im Anschluss sofort machen. Jetzt können wir offiziell immer auf den Durbar-Square, bis zum Ende unserer Nepal-Reise. Das Erdbeben hat hier ganz schön gewütet. Viele Gebäude und Fassaden werden von schweren Stahlträgern



gestützt. Manche Häuserecken weist dynamische Setzrisse auf, etliche Gebäude sind immer noch eingerüstet und mit grünen Windschutznetzen verhängt. Dennoch ist der Platz rund um den Königspalast sehr sehenswert. Wir werden noch einige Male herkommen, bis wir alles gesehen und auch verstanden haben.

    Ein Kaffee, ein Rundgang und nach 2 Stunden machen wir uns auf zu Mahir und seiner Frau.



Wir sind zum Kaffee eingeladen. Der geneigte Leser erinnert sich, dass ist der nette Hotelier, der mit seiner Frau ein Hotel in Beni führt, wo wir auf dem Weg nach Muktinath übernachtet haben und ebenso auf dem Rückweg. Michael, Mahirs Vater liegt im Krankenhaus in Kathmandu - Knie-OP - und so sind Mahir und seine Frau Mahima ebenfalls in Kathmandu. Wir haben gefragt, ob wir etwas mitbringen sollen, doch er winkt per WhatsApp ab und so sind wir



aufgeschmissen. Wir fragen sogar den jungen Servicemitarbeiter im Himalayan Java Coffee House - Filiale Kathmandu - doch der kann mit der Frage gar nichts anfangen. Scheint also nicht üblich zu sein, eine Kleinigkeit mit zubringen. Wir kaufen eine dunkle Bohnenröstung - so hardcore Bohnen, denn Mahir hatte in seinem Hotel immer so einen Becher Altöl vor sich stehen. Wird schon richtig sein. Vom Durbar-Square sind es gut 3 Kilometer zu ihrem Familiensitz. Der liegt schon fast in Lalitpur, früher eine eigenständige Newari-Gemeinde, heute eingemeindeter Teil von Kathmandu. Das Haus, na ja eigentlich müsste man eher Villa sagen, liegt direkt neben der Britischen Schule von Kathmandu und wir haben rausgehört, dass das Land, auf dem die Schule steht, mal der Malla Familie gehörte. In Nepal gibt es keine



Hausnummern oder sonst irgendwelche Orientierungshilfen, wenn man ein bestimmtes Haus sucht. Also gabelt Mahir uns am Gate 1 der Britischen Schule auf und wir werden zu dem „kleinen“ schmucken Haus geleitet. In dem Haus wohnen etliche Generationen, ziemlich großzügig nebeneinander, außer Omma. Sie residiert eine Villa weiter. In dem privaten Wohnzimmer von Mahir und seiner Frau, stapelt sich eine Kalorienschlacht auf dem runden Tisch in der Mitte des Raumes. Schokotörtchen, Blätterteigtaschen, Cheesecakes mit Erdbeeren, die Speisefolge mehr so nach dem Tenor, „der Bauch stößt schon ans Hemd“, wie mein Vater



sagen würde. Es führt kein Weg am nepalesischen Tiramisu vorbei. Großartig und völlig ohne Chili. Zugegeben, bin im 7. Himmel. Endlich mal was ohne Chili! Wir haben einen großartigen Nachmittag, voller Gelächter, interessanter Geschichten und bekommen so einen richtig guten Einblick in die nepalesischen Gesellschaftsstrukturen. Während wir die Hochzeitsbilder von den Beiden zu sehen bekommen, treten Mahirs Mutter und natürlich auch Omma auf den Plan. Beide sprechen, genau wie Mahir und Mahima, glasklares Englisch. Irgendwie haben wir einen sehr denkwürdigen Kaffeeklatsch. Wir sind jetzt genau im Bilde, wie eine nepalesische Hochzeit abläuft, welche Bedeutung die Farben der einzelnen Kleidungen haben und welche Riten bis



heute fester Bestandteil der Zeremonien sind. Zum Beispiel fanden wir es richtig spannend, dass Rot die Farbe für verheiratete Frauen ist. Witwen sollten weiß tragen, als Schutz, damit man sofort sehen kann, ob ein Mann sich an ihnen vergreifen wollte. Da Nepal, bis weit in die Moderne, ein landwirtschaftlich geprägter Staat war/ist, haben die Männer meist schmutzige Hände von der Feldarbeit und wenn eine Witwe weiße Kleidung trägt, sieht man natürlich die unanständigen Grabbelhändchen darauf sofort . . . Wie gesagt, spannend. Oder, bis heute gibt es es einen Schwerträger „hinter“ dem Bräutigam. Ich meine der steht da mit seinem Zahnstocher so dekorativ rum. Das kommt daher, dass früher die Braut manchmal bis zu einer Woche unterwegs war, bevor sie im Dorf des Bräutigams ankam. In diesem Teil der Erde wurde



und wird die Mitgift meist in goldenen Ringen, Armreifen, Fußreifen oder Diademen angelegt, weshalb in den Bergen immer Banditen präsent waren, auf der Suche nach einem Präsent. Dafür war dann Messer-Jocke mit dem Schlitzmesserchen dabei, damit man etwaige Blut-Sventes sauber enthaupten konnte. Daher muss bis heute, immer so ein Kerl mit Filletiermesser bei einer richtigen nepalesischen Hochzeit anwesend sein. Wir haben Stunden gequatscht und herausgefunden, warum Mahir in Indien und Nepal zur Schule ging, warum er Fußball und Polo gespielt hat und warum er einen indischen Cousin hat. Omma war mit einem



Inder in Kalkutta verheiratet, dessen Haupterwerbsjob, die Zucht von Rennpferden war. Als Omma dann rausfindet, dass ich mal ein Pferd mein eigen nannte, werde ich ganz in Beschlag genommen. Sie erzählt vom Kalkutta Race Circuit, kramt Medallien hervor und ist in ihrer ganzen Art so furchtbar sympathisch, dass wir gar nicht merken, wie die Zeit vergeht. Irgendwann schaut Ommas Bruder noch rein, schließlich will der einen prüfenden Blick auf die Bleichgesichter werfen, doch ich zerquetsche dem General a. D. seine Hand, was er anerkennend quittiert und schon verzieht er sich wieder, weil er einfach nur rudimentär Englisch kann. Mahirs Mama möchte unsere weitere Route erfahren und wir berichten ihr von



unseren desaströsen Tibet-Tourversuchen, woraufhin sie ihr Handy zückt und sofort ein Reisebüro anruft, dem Mitarbeiter klar macht, er solle mal was zusammenstellen und nicht die üblichen Halsabschneiderpreise für die Bleichgesichter verlangen, schließlich könne er nur von unserer Multiplikatorwirkung profitieren. Aha, so so. Am Ende sitzen wir in einem Taxi, dass uns für einen nepalesischen Preis nach Thamel zurückbringt. Ein großartiger Tag! Bonne nuit folks!

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