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AutorenbildIngo

Land der Millionen elefanten . . .

18. Januar 2024 - Vientiane

KM 16.902


Obwohl sich unsere ganzen Weiterreisedetails noch nicht geklärt haben, werden wir morgen Vientiane in Richtung Norden, nach Vang Vieng und Luang Prabang verlassen. PT Air Cargo weiß natürlich Bescheid, dass wir nur noch über WhatsApp oder per Mail erreichbar sind. Dennoch hätten wir gerne heute alles geklärt, Preise, Zeitschiene, Zollangelegenheiten. Wir haben natürlich schon vorgearbeitet und Flüge für uns recherchiert, usw.. Aber vielleicht gehört dieses, ich nenne es mal vorsichtig - "ungenaues" Gefühl - zu unserer Reise . Es gab in den vergangenen Monaten immer mal wieder Situationen, die wir nicht planen konnten, man denke nur an die Überfahrt der Bergziege mit dem Bananenboot von Sumatra nach Malaysia . . .



Da wir heute nachmittag nichts weiter machen können, haben wir mit dem Kulturprogramm begonnen. Jawohl, nicht dass der geneigte Leser denkt, wir würden jetzt nachlässig. Wir warten die Mittagshitze ab und begeben uns dann zum Wat Sisaket, das nur einen Steinwurf vom Präsidentenpalast und der ziemlich groß geratenen französischen Botschaft liegt. Das Wat ist noch aktiv, was bedeutet, dass dort ziemlich viele Mönche leben und ähmmm, arbeiten. Anhand der orangenen Roben, die immer zum Trocknen in der Sonne hängen, kann man meist erkennen, dass Klöster noch aktiv sind. Was nicht heißt, dass die Mönche auch aktiv sind. Nein, nein. Die laotischen Mönche sind sehr gechillt. In Thailand sieht man sie in den Wats auch



häufiger mal arbeiten. Fegen, aufräumen, kleinere Restaurierungen und Malerarbeiten, bis hin zum Rasenmähen. Der laotische Mönch ist da mehr so spirituell ausgerichtet, vermute ich jetzt mal, weil die Betbrüder häufig schon auch mal in Schatten so tief schnarchen, dass sie des Nachts bestimmt ungemein wichtige, hochgeistige Arbeit verrichten. Auch haben die laotischen Mönche andere Konfektionsgrößen, als die thailändischen Kollegen. Es kann schon mal vorkommen, dass die orangefarbenen Mönchsroben einfach zu klein oder zu eng geliefert wurden, skandalös, wie ich finde.



Doch zurück zum Wat, denn was im Klosterinnern abgeht, geht uns nichts an! Im Innern der Anlage liegt der Tempel mit einem Innenhof und einem Überdachten Wandelgang. Wat Si Saket wurde 1818 im Auftrag von König Anouvong oder Sethathirath V. erbaut. So, den Namen Sethathirath sagen wir jetzt drei Mal ganz flott hintereinander laut vor uns hin. Das hilft, die ganzen historischen Persönlichkeiten Indochinas, im Kopf zu behalten. Wat Si Saket ist damit möglicherweise einer der ältesten noch erhaltenen Tempel in Vientiane. Die französische Kolonialregierung restaurierte Wat Si Saket 1924 und erneut 1930. Hoffe nicht, dass sie 1924 Mist gebaut haben, den sie 1930 wieder ausbügeln mussten. Wenn der geneigte Leser jetzt schmunzelt, erinnere ich in diesem Zusammenhang an die bundesdeutschen



Flüssebegradigungen, die für teuer Geld in den 60er und 70er Jahren vorgenommen wurden und heute, ebenfalls für teuer Geld wieder rückgängig gemacht werden! Passiert also nicht nur den Franzosen. Ich bin mir nicht sicher, ob man bei buddhistischen Tempeln auch von Kreuzgängen sprechen darf, aber ich nenne den Wandelgang einfach mal so. Der Kreuzgang beherbergt unendlich viele große, sitzende Keramik- und Silberbuddhas. Zusätzlich sind in den Rückwänden des Kreuzganges, Hunderte von kleinen Nischen, in denen ebenfalls kleine




Buddhafiguren sitzen. Also, Kleinstbuddhafiguren, so im Überraschungseiformat. Um in das Innere der Anlage eingelassen zu werden, muss das geneigte, kulturbegeisterte Bleichgesicht natürlich ein Ticket kaufen. Doch es ist wirklich eine schöne Anlage, deren Alter einen vielfach höheren ästhetischen und anheimelnden Charme verströmt, als die grellbunt bemalten, neueren Betonwats, die derzeit überall aus dem Boden sprießen.



Wir huschen über die Straße und nehmen gleich einen weiteren Tempel mit, also, so vor dem Abendessen. Nachdem wir drei Tage fast nur rumgelungert haben, jetzt Hardcore-Kultur. Haw Phra Kaew wurde 1565–1566 auf Befehl von König Setthathirath erbaut, nachdem er die Hauptstadt von Luang Prabang nach Vientiane verlegt hatte. Selber Name, doch anderer König, verwirrend ich weiß. Das Wat ist frisch restauriert und sieht nicht wirklich alt aus. Die Ordinierungshalle, der Usobot, ähnelt sehr einem Thai-Wat. Wohingegen das Wat Si Saket mit seinem hölzernen Dachstuhl und den etwas verblichenen Malereien, historisch sehr kultiviert daher kommt, verströmt das, wenn auch spirituell wichtigere Wat Haw Phra Kaew den Charme einer frisch renovierten U-Bahnhaltestelle aus den 50er Jahren. Dabei ist die Geschichte dieses Bauwerks durchaus bewegend. Natürlich Mord und Totschlag, so viel ist mal sicher! Der Tempel wurde auf dem Gelände des königlichen Palastes errichtet, um die Smaragd-Buddha-Figur zu beherbergen, die Setthathirath einfach in Chiang Mai eingesackt hatte, um sie nach Luang




Prabang zu bringen. Der Tempel diente Setthathirath mehr so als persönliche Hauskapelle, und aus diesem Grund gab es in diesem Tempel keine ansässigen Mönche. Der abgezogenen kleine Smaragd-Kerl wohnte dann für über 200 Jahre im königlichen Haustempelchen, doch 1779 kam ein siamesischer General, namens Chao Phraya Chakri (Irgendein Urururgroßvater vom heutigen Thaikönig) vorbei, nahm die Figur mit, einfach so, vermutlich hat es dabei eine ordentliche Rauferei gegeben und anschließend wurde sie nach Thonburi gebracht. Natürlich hat unser blutrünstiger General den Tempel dem Erdboden gleichgemacht, logisch, weshalb heute der betonierte Charme so offenkundig dominierend ist! Der Samragd-Buddha residiert heute im Wat Phra Kaew in Bangkok und gilt als das spirituelle Heiligtum Thailands. Nu stand König Anouvong vor den Trümmern seiner Hauskapelle und ließ daher den Tempel 1816 wieder aufbauen und ließ anstelle des verlorenen Smaragd-Buddha eine neue Buddhafigur anfertigen. Als König Anouvong gegen Siam rebellierte, das muss so um 1828 rum gewesen sein, um die volle Unabhängigkeit von Thailand wiederzugewinnen, wurde Vientiane als Vergeltung von siamesischen Truppen dem Erdboden gleichgemacht und damit natürlich auch der Tempel



gleich mit. Tja, Irrungen und Wirrungen! Der Tempel wurde zwischen 1936 und 1942 während der Kolonialzeit Französisch-Indochinas von den Franzosen wieder aufgebaut. Als Grundlage für den Wiederaufbau dienten die erhaltenen Bauteile des alten Tempels. Obwohl er dem Grundriss des alten Tempels folgte, ähnelt der wiederaufgebaute Tempel eher einem Ubosot im Bangkok-Stil des 19. Jahrhunderts. So viel zu Mord und Totschlag. Heute ist es keine Tempel mehr, sondern ein Museum, was sofort genutzt wird, um 30.000 Kip Eintritt vom kulturbegeisterten Bleichgesicht zu verlangen. Was ein bißchen erstaunlich ist, sind die fehlenden Elefantenfiguren. Nahezu jedes Wat in Vientiane hat, entweder vor dem Eingang oder im Innenhof vor den Usobots, große Elefantenfiguren stehen. Schließlich heißt das Königreich hier im Norden ja auch das Land der Millionen Elefanten. Doch in beiden Wats gibt es keine einzige Dickhäuterfigur. Elefantenmäßig ist bei unserer Reise echt der Wurm drin. Millionen Elefanten. Das ich nicht lache!




Nun benötigen wir ein gutes Abendessen. Das finden wir in einem kleinen Restaurant, was einen ziemlich neuen Eindruck macht und in einen sehr sauber gebautem Apartmentblock liegt. Im Atrium stehen mehrere alte, restaurierte Motorräder, darunter eine ganz schnuckelige Royal Enfield mit Beiwagen und Picknickkorb aus Weidenzweigen, lackiert in British Racing Green. Ein Traum. Dann steht ein älterer Mann neben uns am Tisch, seinen Motorradhelm in der Hand und wir kommen ins Gespräch. Ein ehemaliger Paris-Dakar-Rallyefahrer, in Afrika geboren und der seit Urzeiten in Vientiane lebt. Er hat unsere Bergziege gesehen, die wir vor dem Restaurant angebunden haben. So kommen wir ins Gespräch und eins ergibt das Andere und schon versacken wir bei einer spannenden Geschichte, die nur das Leben so schreiben kann. Natürlich gehören die ganzen Motorräder im Atrium ihm, inklusive des Apartmenthauses und des




Restaurants, in dem wir sitzen. Lustigerweise hat er ebenfalls eine identische Bergziege, wie die Unsere, die aber bereits nach Luang Prabang unterwegs ist, weil er dort mit einem Freund eine Mopedtour machen will. Der Rest des Abends ist Karten wälzen, Straßentips und viel Gelächter. Die tiefgefurchten Lachfalten, die seine blitzenden Augen umgeben, versprühen so viel charmanten Humor, dass wir die Zeit vergessen und schließlich vom Personal gebeten werden zu gehen, da sie bereits über eine halbe Stunde geschlossen hätten. Nicht schlecht, einfach mal den Chef vor die Tür zu setzen, aber schließlich sind wir in Laos, da gehen die Uhren anders, in jeder Beziehung! Seine amüsanten Episoden, humoristischen Einlagen und natürlich sein Charme hallen noch lange in uns nach. Die Menschen, denen wir auf unserer Reise immer wieder begegnen, sind einfach eine tolle (Lebens-) Bereicherung, so viel ist mal sicher. Bonne nuit folks!.





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