23. Juli 2023 - Von Jakarta nach Cipayung Datar
KM 122
Die Dämmerung legt sich über die Hänge des Pangrango. Die Grillen zirpen ihren abendlichen Gesang, Vögel vernimmt man zwischen den Nadelbäumen, Palmen und Bananenstauden. Leise rauscht ein kleiner Bach durch den terrassenförmig angelegten Garten des Guesthouses. Eine unglaubliche Stille. Erholsam, ja geradezu nervenberuhigend. Die Gebäude liegen, eingebettet in den Gartenterrassen, auf etwa 500 Meter NN und alles strahlt die friedliche Stimmung eines buddhistischen Klosters aus. Wir sind die einzigen Gäste, was nicht verwunderlich ist, liegt das Griya Dumanis Guesthouse doch weit ab vom Schuss. Nun sitzen wir auf der hölzernen Veranda vor unserem Zimmer, lauschen dem Muezzin aus dem Dorf, dessen kleine Moschee unten im Tal an der Hauptstraße steht. Leichter Wind trägt seine mantraähnlich gesungenen Suren an den Hängen des Berges zu uns herauf und mischt sich mit den Stimmen der Natur. Was für ein Tag . .
Um 8 Uhr sitzen wir auf dem gepackten Motorrad, bereit den Stier bei den Hörnern zu packen und uns durch das frühmorgendliche Jakarta zu kämpfen. Es ist windig mit angenehmen 30 Grad. Die Straßen sind relativ leer, was vermutlich daran liegt, dass es Sonntagmorgen ist. Dennoch sind die Scooter immer überall gleichzeitig, was meine höchste Konzentration erfordert. Wir durchfahren Jakartas Central Distrikt mit seinen Glastürmen, die in der klaren Morgenluft - zugegebenermaßen - unnatürlich klar und imposant wirken. Doch ich kann all diese Dinge nur rudimentär wahrnehmen, der Verkehr wird immer dichter und man muss höllisch aufpassen, denn es gibt keine Regeln. Mitunter kommt mir auch schonmal ein Scooter entgegen - bei drei Geradeausspuren auf einer Schnellstraße . . . Der normale indonesische Scooterfahrer denk sich aber nix dabei . . . Wie bereits erwähnt, keine Regeln, bedeutet auch alle Freiheiten! So langsam gewöhne ich mich an die Dynamik und bekomme doch schon Vergnügen an diesem Verkehrsgambit. Auf großen gelben Schildern entlang der mehrspurigen Stadtautobahnen steht immer Hati-Hati, was Achtung bedeutet. Das ist auch gut so, denn bei der Fülle an prekären Situationen brüllt es sich einfacher Hati-Hati, als Achtung oder Vorsicht!
Erster Stop des Tages ist der BMW Motorrad Flagstore, Jakarta. Nach etwas Suchen finden wir den Laden, vor dem 2 BMW 1250 GS und etwa 10 fette Harleys stehen. Der Laden sieht geschlossen aus, ist aber laut Internet geöffnet. Wir wollen einen zusätzlichen Liter Motoröl kaufen, weil wir das nicht in die Kiste packen durften. Der verglaste Store ist riesig und bietet auf drei Etagen alles, was das Bikerherz begehrt. Aber er sieht geschlossen aus. Der Parkplatzwächter springt irritiert auf, weist uns aber einen Parkplatz zu und zeigt lächelnd auf den Eingang. Im Innern lassen sich ein paar Silhouetten ausmachen und so beschließe ich mein Glück zu versuchen. Es wird still als ich die fröhliche Schar an Motorradfahrern laut begrüße und alle starren mich an, als hätte ich rosa Plüschohren. Aber bevor ich nur einatmen kann, werden Hände geschüttelt und man drückt mich in den Sessel der Sitzgruppe und ich muss erzählen: Woher, Wieso, Warum . . . Als Anni dazu stößt, wird es richtig bunt und als nach wenigen Minuten der Kaffee kommt, haben wir - schwupp - jeder ein Mikro in der Hand und werden vom Motorradclub Black Owls Society, Jakarta über unsere Reise interviewt. Die Jungs sind klasse, unglaublich nett, zuvorkommend, bieten telefonische Hilfe bei etwaigen Problemen im Land an, haben super Routentipps . . . Außerdem herrscht eine wirklich humorvolle Stimmung. Als wir schweren Herzens unsere Bergziege besteigen, drücken alle auf Kommando ihre Nasen an der Scheibe platt und winken. Großes Gelächter, aber bevor wir loskönnen, geht noch die Fotorallye los. Ein wirklich netter Haufen!
Dann sind wir wieder auf der Straße. Inzwischen ist die Mittagshitze da und nicht nur in meiner Motorradjoppe, auch auf der Straße. Bei uns würde man sagen, die Sonntagsfahrer sind los, hier ist das auch so. Jeder Hans und Franz hat seinen Scooter, Motorrad oder dummerweise auch noch sein Auto herausgeholt und fährt Richtung Süden. In dem wogenden Meer der Rollerfahrer sind Autos mehr so Treibholz. Verunsichert, halten den Verkehr auf und stehen vor der Ampel nur im Weg rum . . . Es dauert 3(!) Stunden, bis wir die Suburbs von Jakarta erreichen. Wenn der geneigte Leser jetzt glaubt, wir hätten dann so eine schöne Landstraße mit Reisterrassen und Palmen gehabt, der irrt. Hatte ich auch gedacht! Von den Suburbs Jakartas geht es nahtlos in die Suburbs von Bogor über. Also bleibt alles gleich, Rolleranzahl, verunsicherte Autofahrer und das nervige stop-and-go. Es ist Wochenende und ganz Jakarta will in die Kühle der Berge, ich glaube sonntägliche Blechlawine nannte es der Reiseführer. Dem ist auch so, der Motor wird regelmäßig heiß, in Benutzung sind lediglich 1. und 2. Gang. Mehr als einmal gibt es, nun ja, formulieren wir es mal so, interessante Situationen mit den Rollern. Aber so langsam habe ich verstanden, dass man sich immer nach vorn orientiert und der Hinterfahrende immer auf den nächsten Vordermann achtet. Mit dieser Devise geht es richtig gut.
Hinter Bogor entzerrt sich so langsam der Verkehr und es wird ruhiger auf den Straßen. Also, nicht, dass der geneigte Leser das jetzt falsch versteht, aber wenn ich hier ruhiger Verkehr sage, ist das immer noch vergleichbar mit der Rushhourquälerei auf der Wolbeckerstraße!
Die Luft wird kühler, der Fahrtwind geradezu erfrischend, als wir die kurvige N9 durch die Regen Berge (Rain Mountains) immer höher kommen. Die Spitze des Vulkans können wir nicht sehen, sie liegt im Dunst verborgen.
Zum Abendessen strawanzeln wir ins Dorf hinunter und landen in einem ziemlich dschungeligen Restaurant, Café, Töpferwerkstatt und ich weiß nicht, was sonst noch alles. Es gibt sehr tollen Kopi Susu und dazu traditionelles Nasi Goreng, was etxtremst lecker war.
Inzwischen ist es stockfinster, der Muezzin ist verstummt und die Zikaden übertönen die Grillen mit ihrem Dauerkonzert. Tiefer Friede liegt über den Berghängen. Morgen wird uns die N9 an den Teeplantagen des östlichen Pangrango vorbeiführen, hinauf zum Puncak-Pass und weiter in Richtung Bandung . . .
Der verneigte Leser war heute im Freilichtmuseum Hagen, 20 Grad und Platz dasTal zu erklimmen