13. Januar 2024 - Von Tiou nach Paksan
KM 16652
Das Tolle am Reisen sind die vielen Eindrücke, die man von einem Land gewinnen kann. Ohne Frage wären da natürlich die Landmarks, wie das heute so schön in der Bloggerszene heißt, die Sehenswürdigkeiten. Dann sind da die Menschen, die solch eine Reise sehr bunt machen und last but not least, sind dann da auch die farblosen Alltäglichkeiten, die es in ihrer Langweiligkeit nicht einmal auf das Foto des schmerzfreiesten Reisenden schaffen.
Aber es gibt auch noch die landestypischen Kuriositäten. Wenn man wie wir, nicht auf den öffentlichen Touristenpfaden wandeln muss, sondern sich seine Route schon selbst zusammenstellen kann, dann begegnen einem schon manch fragwürdige Dinge. Dabei meine ich nicht "fragwürdig" im Sinne von "zweifelhaft", sondern schon mehr so, "Hä, was war das jetzt?" Wir sind jetzt mehr als 16.000 Kilometer auf asiatischen Straßen unterwegs und immer wieder müssen wir allabendlich, in unseren Rekapitualtionsgesprächen laut losprusten. "Hast du das gesehen", oder "Mein Gott, das glaub ich ja jetzt nicht!?" Dabei ist es egal ob es ein drei
Meter langer Waran in Malaysia ist oder der Darth Vader Buddha in Thailand. Wenn ich daheim beginne die - gefühlten - vier Millionen Bilder zu sondieren, welcher Spass da wohl noch alles zu Tage tritt, was unsere Gehirne gerade verdrängt haben, da täglich Neues dazukommt. Manchmal hätte ich gerne ein kleines Mikro, wo ich eben meine Gedanken aufsprechen kann, bei dem, was wir so alles an der langen Straße von Jakarta nach Indien zu sehen bekommen.
Dieser Gedanke bringt mich zu unserem gestrigen Wat-Besuch im Phou Hin Bou Nationalpark.
Heute Morgen sind wir früh auf den Beinen, um 7 Uhr wird gepackt, denn bei dem Zustand der Straßen, werden wir vermutlich länger für die 170 Kilometer nach Paksan brauchen. Außerdem möchte ich gerne vor den meisten Hotelgästen auf der Terrasse sein und mit dem Fliewatüt über die Flusslandschaft fliegen. Das Spring River Resort hat so eine - unverschämt - schöne Freiluft-Chillout-Lounge, wo man gerne nach dem Frühstück den Kaffee nimmt. Es ist jedoch der einzige Platz im ganzen Hotel, wo nicht irgendeine Dschungelpflanze oder Palme die
Startbahn in den Orbit verdeckt. Dort ist auch niemand und so steigt das Fliewatüt in die Lüfte und ermöglicht mir einen Rundumblick über das Tal des Nam Hin Bou Rivers. Das ganze Tal wird von scharfgezackten, steilen Karstfelsen eingerahmt. Darin windet sich der Fluss träge mäandrierend, in großen und kleinen Schleifen, gen Osten, wo er natürlich den Mekong speist. Wie könnte es auch anders sein. Es ist wahrlich einer der schönsten Orte, die wir auf unserer Reise gesehen haben. Auch wenn der Wermutstropfen eine dichte, graue Wolkendecke ist, die das Tal komplett überzieht. Wäre der Himmel wolkenlos, würden die schier unendlichen Facetten von Grüntönen, Blautönen, Brauntönen und Grautönen eine Farbexplosion erzeugen. Doch das Licht ist bleiern und die Wolken liegen "drückend" über den Reisfeldern der Talbauern.
Die Flussniederungen sind völlig unberührt, das Wasser klar und keinerlei zivilisatorischer Eingriff ist in Sicht. Wir hoffen inständig, dass niemals so etwas wie Öl, Gas oder seltene Erden dort gefunden werden. Dann ist es mit der Naturpracht wohl vorbei. China kauft Laos auf, nicht nur landwirtschaftliche Produkte, auch Hotels, Straßen, Schienen, Bergbaukonzessionen. Allein für die neue Bahnlinie von China nach Singapur, muss wieder mal das halbe Bruttosozialprodukt von Laos, als Sicherheit bei den Chinesen fungieren. Aber bisher ist das Tal unberührt, auch vom Massentourismus ist man weit entfernt. Spätestens, wenn die ersten chinesischen Reisebusse im Tal stehen, dann ist es vorbei. Wir haben in den verschiedensten Hotels gehört, dass in ganz Asien Hotels, speziell von chinesischen Reiseagenturen gebaut werden. Die Hotels werden ausschließlich von chinesischen Reisegruppen gebucht und belegt. Dadurch können die Laoten faktisch kein Geld verdienen, nur, wenn sie dort als Servicekräfte arbeiten. Tja, das ist eine lange Geschichte . . .
Dann sind wir wieder auf der Schlaglochpiste gen Osten. Zunächst müssen wir 40 Kilometer durch die Talsohle, bevor es wieder in die Berge geht. In den Dörfern ist viel los, es werden Hochzeiten gefeiert und so sind die Menschen weitgehend herausgeputzt. Mancher Bauer kommt in sauberem Hemd und Hose auf seinem frisch gewaschenen Moped angefahren, die Gattin hinten im Damensitz, ihrerseits angetan mit einem bunt besticktem Phasin. Das fahle Licht läßt die "rotgepuderte" Vegetation stärker hervortreten. Die Schlaglöcher sind angefüllt mit der trockenen, roten Erde und wann immer ein Auto hindurchfährt, entsteht eine kleine oder riesige Staubwolke. Kurz vor dem Talende passieren wir ein Wat, was eine recht seltsame
Formensprache hat. So fahre ich auf den Hof und wir stolpern über die erste Kuriosität des Tages. Direkt vor der Stupa, aus der eine digitale Leuchtspirale herausblickt, vermutlich um das erlauchte Haupt des Buddha zu erleuchten, hat man auf einem Betonsockel die vergoldete Mischtrommel eines Zementmischers einbetoniert. Aha, so so? Fragen über Fragen des Orients. Was, liebe Leute, ist das denn? Tja, wir können uns keinen Reim darauf machen, wirklich, wir versuchen alle nur erdenklichen spirituellen Gedankenansätze. Doch uns will partout nicht einfallen, welchen spirituellen Wert eine vergoldete Mischtrommel eines Zementmischers da jetzt wohl hat. Wir müssen uns wirklich schwer zusammen nehmen, nicht laut los zu prusten, zumal ein Laote andächtig und salbungsvoll, mit Gaben für den Buddha, über das Areal schreitet. Ich grüße freundlich, doch er versteht kein Wort Englisch, so werden wir vermutlich nie erfahren, was der goldene Mischer da wohl geleistet hat, dass er direkt vor die Stupa gestellt wurde. Wie gesagt, Fragen über Fragen des Orients!
Dann geht es steil in die Berge. Die Straße ist breit, doch von unebener Textur, an den Rändern ist der dünne Asphalt vielfach ausgebrochen. Doch es ist gut zu fahren, nichts im Vergleich zu den Steigungen in Indonesien. Immer wieder kommen uns Laster entgegen, im Schneckentempo bergauf und auch bergab. Die Bremsen quietschen erbärmlich und ich möchte gar nicht wissen, was passiert, wenn . . . Die Straße windet sich von der Talsohle auf die höchste Spitze, wo urplötzlich ein Aussichtspunkt mit Café auftaucht. Davor parken Roller und etliche Fahrzeuge, sodass wir ebenfalls anhalten und beschließen, einen Kaffee zu trinken. Während wir noch die Bergziege anbinden, hält plötzlich hinter uns ein alter T3 Bulli mit einem spanischen Kennzeichen. Sie sehen Unseres und so kommt es zu einem begeisterten Winken beiderseits. Von der Terrasse hat man einen sagenhaften Blick über die zerklüfteten Karstfelsen. Zwar ist das Licht immer noch bleiern, doch ich schicke das Fliewatüt nocheinmal in den Himmel, um die laotischen Externsteine einzufangen. Dann lernen wir Lisbeth, Yorrick und ihre Tochter Solveig kennen. Sie sind mit ihrem T3 Bulli von Spanien bis nach Syrien gefahren und haben sich dann nach Bangkok eingeschifft, da der Weg durch den Nahen Osten versperrt war. Beide sind Musiker, Violinisten, und sind auf dem Weg nach Japan. Schon nach kürzester Zeit sitzen wir alle im Gespräch vertieft, bei Kaffee und Lunch und reden über Gott und die Welt, das Reisen, Musik, Kunst, Motorradfahren. Wir haben in den vergangenen Monaten
so viele interessante Menschen auf der "Straße" getroffen, was uns immer sehr beseelt. Die beiden geben unterwegs immer wieder mal Konzerte in Krankenhäusern oder Cafés (Insta: orbit_musicians). Irgendwie haben wir viele Parallelen in unseren Reisegeschichten und auch in unserem Denken, dass wir gar nicht merken, wie die Zeit vergeht. Leider wollen sie nach Westen und wir nach Osten. Aber so ist das auf der Straße, Kontakte ausgetauscht und der Wind weht uns weiter zur Landstraße 13, die nach Paksan und weiter nach Vientiane führt.
In Vieng Kham treffen wir auf die 13 und eine gigantische Baustelle. Diese Baustelle wird uns nun bis nach Paksan begleiten. was noch gut 90 Kilometer sind. Der Asphalt ist spröde und die gesamte Straße besteht förmlich aus einem einzigen zusammenhängendem Schlagloch. Die Erde ist tiefrot und alle 100 Meter verlaufen tiefe Schlagrinnen, von Löchern kann da keine Rede mehr sein, quer über die Fahrbahn. Nicht genug damit, ist der "Graben" hinter der Kante meist 10-20 cm tief, dass bei der kleinsten Unachtsamkeit das Fahrwerk, inklusive unserer beider Wirbelsäulen, einen empfindlichen Schlag bekommt. Da hilft nur Tempo rausnehmen und langsam fahren. Das ist anstrengend, denn von hinten kommen unentwegt SUVs und LKWs in allen Dimensionen, die in unmittelbarer Nähe Vollgas geben und durch sowie über die Gräben und Löcher heizen, dass Staub und Kies nur so spritzt. Wir sind in kürzester Zeit gepudert. Roter Staub ist überall, auch in den Ohren, wie ich abends feststelle und das, trotz Helm. Wir brauchen
noch einmal drei Stunden, um die Strecke nach Paksan hinter uns zu bringen. Zwischendurch gibt es manchmal längere Stücke, wo wir laufen lassen können, doch das ist trügerisch, denn unvermittelt tauchen wieder kilometerlange Abschnitte voller Gräben und Löcher auf. An einer Stelle muss ich ganz nach links lenken und auf die Gegenfahrbahn ausweichen, wobei ich fast in der Ruine des großartig angekündigten Etablissement - Goat Grill & Karaoke - einparke. Was soll ich sagen? Der Laden steht in völliger Einsamkeit am Straßenrand. Wer hat sich das ausgedacht? Kilometerweit ist kein Dorf oder eine menschliche Behausung zu finden und dann baut jemand ins Nichts, den Goat Grill & Karaoke. Ich meine, vielleicht haben die Kerle hier so laut ins Mikro gejallert, dass die Entfernung zum nächsten Dorf schon gerechtfertigt war? Wer weiß das schon? Kann also nix werden, nein, wirklich nicht. Obwohl der Name des Schuppens hätte schon ziemlich viel Potential, also, so marketingtechnisch. Obwohl, ich hab hier noch nicht eine einzige gegrillte Ziege auf irgendeiner Speisekarte gesehen. Tja, Fragen über Fragen des Orients! Bonne nuit folks!
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