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AutorenbildIngo

Geburtstagsparty . . .

Aktualisiert: 25. Mai

23. Mai 2025 - Bodnath

KM 22.108


Die Straßen sind voll und ich meine, so richtig voller Menschen. Überall hängen die auffällig gestreiften, buddhistische Flaggen und durch die engen Gassen ziehen sich Tausende von Pilgern. Gruppen von älteren Frauen, mit schweren, farbenfrohen tibetischen Trachten, Kinder und Enkelkinder fest im Griff, streben zur großen Stupa. Versprengte Ansammlungen buddhistischer Mönche, erkennbar an ihren tiefroten Roben, einheimische Nepalesen, angetan in ihren besten Bekleidungen, chinesische, japanische, indische und westliche Touristen, alle sind auf dem Weg zur großen Stupa. Die Gassen werden gesäumt von Ständen, wo es Wasser gibt, denn es ist richtig heiß. Die Sonne brennt erbarmungslos auf den Stupabezirk, trotz eines dünnen Wolkenschleiers, durch den sich die Strahlen diffus brechen. Entlang der Häuserzeilen haben sich lange „Bretterverschläge“ gebildet, auf denen Pilger Butterlämpchen entzünden können. In einer schummrigen Seitengasse gießt eine ältere Frau unablässig, aus einem verbeulten Teekessel, dessen Emaillierung schon dem Rost gewichen ist, Butterwachs in kleine Messingleuchter. Ihre Enkeltochter stopft sofort einen langen Docht hinterher, bevor das Butterwachsgemisch aushärten kann. Zur Hitze der Sonne, steigt eine trockene, ranzig riechende Wärme von den flackernden Kerzen auf und erzeugt zusätzlich eine drückende Atmosphäre, dass mir der Schweiß nur so in die Kleidung fließt. Wir sind in Bodnath. Eine kleine buddhistische Pilgerstadt, am nordöstlichen Rand von Kathmandu. Eigentlich ist die Stadt zwar besucht, aber nicht übervölkert, doch heute ist das anders, denn heute feiert Nepal den Geburtstag Buddhas und das bedeutet, dass Tausende buddhistischer Pilger zur größten buddhistischen Stupa der Welt nach Bodnath gekommen sind . . .



Was soll ich sagen - Internet war ein Problem in den vergangenen Tagen. Unser Hotel in Patan ist super schön gewesen, mit unendlich freundlichem und hilfsbereitem Personal. Das heiße Wasser kam sofort, die Bude wurde gereinigt, wenn wir das gewünscht haben. Alles super, doch die Netzkapazitäten haben mich an den Rand des Wahnsinns gebracht. Für das Hochladen von Fotos habe ich schon mal 1,5 Stunden gebraucht - für 10 Fotos. Die Stromausfälle hielten sich in Grenzen, anders als in Thamel, wo dass nahezu täglich passiert. Wieder einmal erden uns diese Dinge, denn es zeigt sich wieder mal, in welchem stabilen System wir daheim leben. Häufig verliert man ja den Bezug dazu, dass alles nicht selbstverständlich ist.



Unseren letzten Tag in Patan verbringen wir mit einem großen Rundgang, wobei wir noch einige Tempel finden, die wir noch nicht gesehen haben. Kunststück, denn Patan hat 55 Pagodentempel, in Worten Fünfundfünfzig! Auch heute entdecken wir wieder wunderschöne Ecken in dieser kleinen Stadt. Nicht, dass es immer etwas „Neues“ wäre, aber es gibt in den schattigen Nischen dieser Stadt Gemäuer, Schreine und architektonische Leckerbissen, mal mehr oder auch weniger gut restauriert, dass man sich einfach an dieser Schönheit sehr erfreuen kann. Immer wieder „rennen“ wir in irgendwelche Innenhöfe, wo Frauen vor den Haustüren hocken und klönen. Ein „Namaste“ führt häufig zu lächelnder, non verbaler



Kommunikation. Besonders amüsant scheinen alle zu finden, wenn wir verzückt vor unerwarteter Holzschnitzerei stehen, doch ihr Unverständnis im Anblick dieser, für sie alltäglich anmutenden Bauweise, ist überdeutlich wahrzunehmen. Ein Besuch in der tibetischen Gemeinde im nordwestlichen Teil von Patan steht heute noch an. Genauer gesagt, hat sich aus einem tibetischen Flüchtlingscamp in den vergangenen 65 Jahren ein ganzes Stadtviertel gebildet. Dort soll es Handwerkskunst, Restaurants, Gompas - Klöster - und vieles mehr geben. In Patan ist eigentlich alles nah beieinander, sodass man kein Fahrzeug oder Taxi benötigt, um von A nach B zu kommen. Das ganze Viertel liegt etwa 2,5 Kilometer von unserem Hotel entfernt, sodass wir uns zu Fuß aufmachen die tibetische Enklave zu besuchen. Doch das Ganze entpuppt sich als eine Enttäuschung. Ein Betonkloster, zwar bunt bemalt, an der vielbefahrenen Hauptstraße, die zu Patans Zoo führt; ein paar umliegende tibetische Restaurants, die aber ihre besten Zeiten hinter sich haben und ein riesiges Gebäude, in dem Frauen hockenderweise life Teppiche knüpfen. Die Teppichknüpferei verlassen wir sofort, denn wir kommen uns vor wie Voyeure. Das Kloster ist geschlossen und die Restaurants geben ebenso nicht viel her. Auch, wenn wir jetzt nicht China-Town, nach Bangkoker Maßstäben erwartet haben, ist das Ganze doch etwas enttäuschend, sodass wir erst mal unser Café Gabahal aufsuchen, um den



tibetischen Kummer in Kaffee zu ertränken. Das Café heißt Gabahal, weil es an der Gabahal Road liegt. Der Besitzer ist ein sehr verschmitzter Nepalese, der einen tollen Kaffee zubereitet und der Blick auf die wuselige Gabahal immer spannende Eindrücke bietet. Die Straße „touchiert“ den Durbar-Square und ist damit eine, der vielbefahrensten Straßen Patans. Nicht, dass sie jetzt besonders groß und breit wäre, nein, nein! In Nepal ist der Begriff „vielbefahren“ nicht gleichzusetzen mit „gut ausgebaut, breit, super asphaltiert“, bei Weitem nicht. Daher ist das verkehrstechnische Stadtbild hier großartig in seiner skurrilen Vielfältigkeit. Allein im Hinblick auf Fahrzeuge, Bepackungen, chinesische und westliche Reisegruppen, verstummen unsere Gespräche ganz häufig, weil das dargebotene Lokalkolorit unschlagbar ist.




In Patan findet immer noch das Jagat-Fest statt, ähnlich dem Neujahrsfest in Bhaktapur, wo schwere Holzwagen, geschmückt mit Bhairava-Masken, durch die Viertel gezogen werden. In Bhaktapur dauert die Veranstaltung gut eine Woche, hier einen Monat. Die Wagen sind riesig groß und eine, knapp 20 Meter hohe, weihnachtsbaumähnliche Spitze, ziert die religiösen Aufbauen der Holzwagen. Im Gegensatz zu Bhaktapur, ist der Wagen hier von einer Batterie Soldaten abgeschirmt, um tödliche Unfälle, beim Ziehen zu verhindern. Die Stimmung ist vergleichbar mit dem Münsteraner Kreisverkehr, wenn Deutschland die Fußball-WM gewinnt. Da die Gassen eng und uneben sind, ist das ekstatische Gedränge schon ziemlich anstrengend, wenn man als Bleichgesicht eine vornehme „Distanz-Komfortzone“ von daheim gewohnt ist. Interessant ist, dass auf der städtischen „Route“ des Spektakels, alle Stromleitungen gekappt werden müssen, da der Elektriker als Solcher in Nepal ja spinnenwebenförmige Verkabelungen zwischen den Fassaden bevorzugt, so in 3-4 Metern Höhe. Das erklärt vermutlich auch, warum es hier so viele Stromausfälle gibt. Aber, im Hinblick auf das historische Spektakel interessiert das hier niemanden, Hauptsache der hölzerne Klöpper wird am eigenen Wohnzimmer vorbeigewuchtet.



Nach dem täglichen „Ziehen“, jeden Tag ist übrigens ein anderes Team dran, strömen die Massen mit viel Tschingbummrassatäterääää zum Durbar-Square. Dort angekommen gibt es ein ordentliches „Kulfischwelgen" für alle. Kulfi ist DAS Eis in Nepal. Keine Party ohne Kulfi. Für 25 Rupien, 17 Cent, bekommt man einen kleinen, vanillig-weißen Milcheiskegel, der auf einem dünnen Holzstäbchen steckt. Heute sind wir vorbereitet und haben frühzeitig Stellung vor dem Königspalast bezogen, auf der oberen Stufe natürlich und harren der „Zieh-Rückkehrer“ und dem Tschingbummrassatäteräää. Mit Einsetzen der Dämmerung sind alle „Sitzplätze“ auf dem Durbar-Square besetzt und die Kulfi-Orgie kann beginnen. Wir sind ja mehr so auf Mangoeis, denn das ist hier derart gut, dass wir gar nicht genug bekommen können. Daheim ist Mangoeis ja mehr so enttäuschend, daher nutzen wir jetzt hier nochmals die Gelegenheit. Doch dann muss es sein, Anni organisiert zwei Kulfi. Wir ernten natürlich jede Menge nepalesische Anerkennung von den Menschen um uns herum. Das „Zwinkern“ und Lachen scheint uns in den Zustand eines Nepalesischen Ehrenbürgers zu erheben, was natürlich auch fotografisch festgehalten werden muss. Doch das Interesse ebbt ab, als die Massen aus den Gassen herbeiströmen. Wir vermuten, dass die ortsansässige Kumari auch in einer Sänfte



mitgeschleppt wurde, denn irgendjemand wird am Durbar-Square vorbeigetragen. Der Kumaripalast von Patan liegt schräg gegenüber vom Gabahal-Café und ist ziemlich schön, so nebenbei erwähnt. Gesehen haben wir sie aber nicht, dafür aber jede Menge Trommeln, quäckige Blasinstrumente und Straßentanz. Doch der ganze Budenzauber ist schnell vorbei, vermutlich in seiner Länge auf den Genuß eines Kulfis abgestimmt, wer weiß das schon? Vielleicht geht man aber später auch woanders feiern? Das Kulfi war jedenfalls ziemlich gut. Ich habe gehört, dass es nicht immer aus Kuhmilch zubereitet wird, sondern auch mal mit anderen Milchsorten, je nachdem, was so aus ist. So insgeheim graust mir natürlich davor, mal einem Kulfi unterzukommen, wo in der Produktion nur Ziegenmilch griffbereit war. Und da Ziegenkäse ja auch nicht meins ist, bekomme ich da schon Gänsehaut . . .



Heute ist der 23. Mai und damit müssen wir unser schönes, internetloses Hotel in Patan verlassen. Wir haben unsere 7 Sachen gepackt und warten in der Lobby noch auf den Carnet und die Frachtpapiere der Bergziege. Der Chef von Unique Cargo wohnt ums Ec, schaut noch rein und übergibt uns die Papiere im Original. Immer, wenn der Carnet nicht in meinem Rucksack ist, habe ich ein flaues Gefühl im Magen, denn der Verlust des Carnets zieht richtig behördlichen Stress nach sich. Doch alles gut, die Papiere sind da, Nepal hat den verplombten Export nach Indien und weiter nach Deutschland ordnungsgemäß bestätigt. Damit ist die Bergziege nun auch auf hoher See und nur der Klabautermann, Huti-Rebellen oder Piraten können verhindern, dass sie nach Hamburg segelt. Das Taxi wartet, um uns nach Bodnath zu bringen. Schlechter Zeitpunkt, wie der Manager uns verrät, denn heute ist Buddhas Geburtstag. Aha, so so. Verkehr, Verkehr, Verkehr. Die Aussage erstaunt mich ein wenig, weil der Verkehr in Nepal, speziell in Kathmandu, immer ein Thema ist. Was hat nu´ Buddhas Geburtstag damit zu tun. Er lächelt und sagt, „10.000 Pilger, Minimum in Bodnath!“ Aha, so so. Eigentlich stand im Netz, dass die Nepalesen Buddhas Geburtstag am 10 Mai feiern, aber, dass war wohl eine Fehlinfo. Nun gut, Hotel ist gebucht und so müssen wir los. Für die 8 Kilometer setzt der Taxifahrer gut eine Stunde an!



Der Fahrer ist offenkundig Hindu und äußert sich ziemlich abfällig über die ersten buddhistischen Umzüge, die uns im Straßengewirr von Kathmandu unterkommen. Alles „Chinesen“ gibt er uns zu verstehen, mit unüberhörbarem Unterton, „Tibet-Chinesen“. Er hat offenkundig eher indische Wurzeln und merkt aber an unserer Reaktion, dass diese Diskussion uns nicht interessiert. Tatsächlich ist es auch das erste Mal, dass wir in Nepal mit einer derartig abfälligen Bemerkung über eine Ethnie konfrontiert werden. Die restliche Fahrt verläuft eher schweigend. Je näher wir an Bodnath herankommen, um so dichter wird der Verkehr und die Zahl der offenkundig buddhistischen Menschen steigt rasant an. Trotz aller gegenteiligen Aussagen, schaffen wir es mit dem Taxi bis zum Hotel. Für die letzten Tage, haben wir mal etwas in die Tasche gegriffen und ein schöneres Hotel gebucht. Im Innenhof des Hotels befindet sich ein buddhistisches Kloster, was für uns auch eine Neuheit ist. Wir haben ja schon viel gesehen, doch ein Kloster im Hotelinnenhof ist mal was anderes. Der Erleuchtung scheint ja nun nichts mehr im Wege zu stehen. Wir machen erst einmal Pause, denn es ist richtig drückend.



Am frühen Nachmittag machen wir uns auf, rein ins Getümmel. Vom Stupabezirk schallen Mantren, Gesänge und auch lieblich geblasene Schalmeien herüber, die den Charme rostiger Metallplatten verströmen. Eigentlich benötigen wir ein Ticket für den Bezirk, doch die aufbrandende Pilgerwelle spült uns einfach am völlig überforderten Wachmann vorbei, rein in eine der Zugangsstraßen. Gassen zweigen ab, Klöstereingänge eröffnen den Blick in weitläufige Innenhöfe und eine buddhistische Geschäftswelt säumen den engen Zugang zur Stupa, die von der Glasperle, über Holzmasken bis zur tiefroten Mönchskutte, alles im Programm haben. Je



näher wir dem Spektakel kommen, um so lauter ist die Geräuschkulisse, die über dem Ganzen liegt. Unweigerlich werden wir in den Strudel der Pilger gezogen, die sich in der mehrfachen Umrundung der Stupa befinden, ähnlich dem verkehrstechnischen Strudel, der einen in den Verkehrsfluss um das Kolloseum zieht. Der Moment ist großartig. Die Stupa liegt im Gegenlicht der Sonne, die Luft ist geschwängert von Tausenden brennender Räucherstäbchen und erzeugen Nebelschwaden, im ohnehin diffusen Licht. Die Stimmung schwelgt zwischen religiöser Ekstase, spiritueller Fröhlichkeit und einem lauten Großevent. Wir sind gefangen im Pilgerfluss, werden getragen vom Rhythmus der sich bewegenden Menschenmassen, die mit geschlossenen Augen ihre Gebetsperlen abzählen, die in Gruppen hintereinander Gebetsmühlen drehen oder sich auf Knien in der Umrundung der Stupa befinden. Wir schaffen es raus aus



dem Strom und finden erst einmal Ruhe auf der Dachterrasse eines Cafés. Von oben ist es für den Moment erträglicher, denn der spirituelle Visukill kam einfach urplötzlich. Unaufhörlich werden gespendete „Haufen“ von verknüpften Gebetsfahnen herbeigebracht und ein Team ist ununterbrochen damit beschäftigt, sie an der Krone der riesigen Stupa zu befestigen. Ohne Pause treten neue Gruppen in den laufenden Strudel, der sich um die Basis der Stupa bewegt. Schulgruppen, die Schilder hoch halten, auf denen moralische Zitate Buddhas stehen, Mönchsgruppen, Lamas mit seltsamen Kopfbedeckungen, winkende Lokalpolitiker auf der Ladefläche rausgeputzter Pickups, Trommelkapellen und Bläser, die auf langen tibetischen Trompeten dunkle Tonleitern produzieren. Da sind Dudelsackpfeiffer einer Militäreinheit in Galauniform, eine indische Gruppe Frauen in identischen Saris und blauen Mützen, verschiedene Klöster haben Abordnungen geschickt. Ein unglaubliches Wimmelbild an Pilgern, Gläubigen und Menschen, die die positive Stimmung genießen und dabei die Stupa umrunden.



Eine geschlossene Häuserfront, kreisrund angeordnet umgibt die Stupa, wie ein schützendes Bollwerk und erzeugt so eine sehr familiäre Atmosphäre, die heute eher einer, zum Bersten gefüllten Eventfläche gleicht. Das Schauspiel ist grandios, was natürlich auch einfach der ganzen architektonischen Situation geschuldet ist. Irgendwie könnte die riesige Stupa mit dem Häuserumfeld sehr gut eine Studiokulisse sein, so unwirklich wirkt der ganze Komplex. Die Stunden vergehen, ohne, dass sich an der Menge der Menschen etwas ändern würde. Mit dem zuneige gehenden Tag scheinen sogar immer mehr Menschen auf den Platz zu drängen. Am späten Nachmittag sind die Wolken verschwunden und blauer Himmel tritt genau zur goldenen Stunde des Tages hervor, sodass die 30 Kilogramm Blattgold auf der Spitze der Stupa, zu funkeln anfangen. Bonne nuit folks!



PS. Im neuen Hotel ist das Internet noch katastrophaler, daher wird es nur wenig Bilder geben - Sorry!



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