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AutorenbildIngo

Dunst . . .

11. April 2024 - Von Bandipur über Besisahar nach Gorkha

KM 21.546


Über der Region Gandaki und Gorkha liegt Dunst. Nicht so ein westfälischer Frühmorgendunst, der aus den Rieselfelderwiesen aufsteigt und einen - seltenen - sonnigen Tag ankündigt, sondern eine dicke graubraune Suppe. Als wir in Pokhara starteten, dachten wir zunächst, dass das einfach nur der übliche Baustaub sei, der, von der niemals endenden Blechlawine aufgewirbelt wird, die sich täglich von Pokhara nach Kathmandu wälzt. Doch während der zwei Tage in Bandipur, intensiviert sich dieser Dunst, bis man kaum noch die Bergrücken sehen kann, die östlich und westlich von Bandipur liegen. Das Erstaunliche ist, dass der Himmel wolkenlos ist, man die Sonne sieht, doch über allem dieser graubraune Schleier liegt. Unseren zweiten Tag



in Bandipur verbringen wir mit Wandern. Hoch und runter, doch leider kann man kaum die Talsohle sehen. Schade, denn von Bandipur hätte man, also theoretisch, die Chance den Annapurna 2/3 und den Manaslu zu sehen. Aber es bleibt bei der schönen Theorie, als wir gestern morgen die Bergziege packen und unter schönem Sonnenschein, durch den Dunst die 8 Kilometer ins Tal hinabrollen. Wir folgen dem pistenähnlichen Prithvi Highway, vielleicht 3



Kilometer, bevor eine tiefschwarze, frische geteerte Straße links abgeht und in Richtung Besisahar führt. Auf der Landkarte ist neben der gelben Linie, eine Grüne verzeichnet, die bedeutet, dass es sich um eine „landschaftlich schöne Strecke“ handelt. Durch das weitläufige Tal mäandert der mächtige Marsyangdi River, der aus den Hochlagen des Manang Tals gen Süden fließt. Aber auch hier liegen die schönen kleinen Dörfer, eingebettet in die



Terrassenlandwirtschaft, im fahlen Sonnenlicht, das immer mehr Schwierigkeiten hat, sich gegen den dichten Dunst durchzusetzen. Natürlich hört die schöne Asphaltstraße nach einigen Kilometern auf, doch weiterhin führt eine halbwegs intakte Fahrbahn nach Norden. Je näher wir an Besisahar kommen, um so „enger“ wird das Tal und auch so steiler die Berghänge. Die Dörfer schmiegen sich jetzt an die steilen Hänge, die beidseitig oberhalb des steinigen Flussbettes des Marsyangdi liegen. Immer wieder passieren wir alte nepalesische Steinhäuser,




deren unteres Drittel mit karminroter Farbe gestrichen ist, während die oberen Teile der Wände, schlicht weiß getüncht sind. Doch moderne, mehrstöckige Flachdächer dominieren das dörfliche Bild, wobei die Farbgestaltung von, bunt gefliest bis zu wild farbigen Anstrichen reicht - sprichwörtlich jeder Coleur. Das Tal ist dicht besiedelt und wird ziemlich effektiv genutzt. Die Anbauterrassen erstrecken sich von der oberen Uferböschung, bis fast an den Grad der



Bergrücken. Eigentlich müssten wir die gesamte Zeit auf den weißen Doppelkegel des Manaslu zufahren, doch bei diesen diesigen Licht- und Sichtverhältnissen, kann man nicht einmal den nächsten Bergrücken genau erkennen. Vom Prithvi Highway bis Besisahar sind es ungefähr 35 Kilometer. Die Strecke ist intensiv befahren, wobei die omnipräsenten Touristen-Off-Road-Fahrzeuge unaufhörlich Terkking-Kunden heran zu karren scheinen. Überlandbusse jeder Größe



und auch, na sagen wir mal vorsichtig, jeglicher technischer Qualität, runden das wuselige Verkehrsballett ab, dass sich langsam immer höher schraubt. Dennoch kommen wir gut durch und inzwischen haben wir uns auch an den speziellen Rhythmus der nepalesischen Straßenbeläge gewöhnt. Taucht in einiger Entfernung eine enge Serpentine oder auch eine Brücke auf, ist einfach davon auszugehen, dass der Belag davor und dahinter völlig desolat ist. Nur, dass der geneigte Leser jetzt nicht denkt, ich meine ein "deutsches Desolatsein“, sondern eine richtig zünftige, nepalesische Abbruchkannte, die in unseren Breiten bereits mit rotweiß gestreiften Barrieren abgesperrt würde. Hier eher nicht. Überhaupt, Absperrungen, lächerlich, ich bin mir sicher, dass dieser deutsche Begriff gar kein nepalesisches Sprachäquavilent hat. Da kann das schon mal auf der bergabgewandten Seite 50 bis 100 Meter senkrecht in die Tiefe gehen, der Nepalese als solcher, fühlt sich so noch nicht in seiner Verkehrssicherheit eingeschränkt. Da hängt auch schon mal der Bus mit dem Heck über dem Abgrund, was hier niemanden aus der Ruhe bringt, außer vielleicht ein paar Bleichgesichter, die dann wohl eher Grüngesichter genannt werden müssten. Mir macht es immer etwas Magenziehen, wenn ich an solchen Stellen einem fetten Überlandbuss ausweichen muss und die Koffer der Bergziege schon Freiluftschwindel bekommen.



    Besisahar ist eine Bezirksstadt, relativ groß und auch das Tor zum Annapurna Circuit. Wir lassen die Stadt links liegen, der Sprit dürfte noch bis Kathmandu reichen. Wenn wir tanken, dann erzeugt das Fassungsvermögen der Bergziege immer einen mittleren Auflauf, denn, dass man fast 40 Liter in ein Moped bekommt, ist für die Nepalesen eher unverständlich. Das führt zu viel Palaver, Gelächter und guter Stimmung. Dabei ist das Alter egal. Neugierig sind sie alle, mit Dhaka Topi und grauen Haaren oder im Teeniealter, egal, aber sie sind einfach auf nette Art neugierig. Viel weniger bedrängend als die Inder. Daher ist die Kommunikation mit den Menschen hier fröhlich und ausgelassen, was uns einfach sehr gut gefällt. So vom



Wohlfühlcharakter her gesehen. Wir geben unseren Permit ab, er wird registriert und dann geht es weiter. Gute 5 Kilometer hinter Besisahar, ist das Tal des Marsyangdi ziemlich schmal geworden und die Hänge sind auch noch eine Spur steiler geworden. Die Straße führt jetzt immer direkt oberhalb des Flussbettes entlang. Die alte Straße, die steil bergauf durch einige kleine und auch enge Dörfer führt, ist zugunsten einer längeren Strecke am Fluss entlang, aufgegeben worden. So muss man zunächst durch einen Tunnel und gelangt dann auf eine



Sand-Schotter-Piste, die schon mal ziemlich elendig zu fahren ist. Besonders gerne haben wir es, wenn in den Dörfern die „Fahrbahn“ gewässert wurde, klaro, dann staubt es nicht so, doch dadurch wird der ohnehin schon lose Belag zu Schmierseife. Inzwischen ist es so diesig geworden, dass wir das „Ende“ der steilen Hänge nicht mehr sehen können. Die Piste ist echt krass. Kilometerlang hat man einfach grobe Flusskiesel, jeglicher Größe, auf die Piste gekippt




und darauf zu fahren wirft die Bergziege immer von rechts nach links. Innerlich habe ich Angst, dass uns entweder der Hinterreifen flöten geht oder die Federung bricht. Außerdem tut mir Anni leid, denn die hat keinerlei Möglichkeit einzuschätzen, wie sie ihr Gewicht verlagern muss, um den härtesten Schlägen der Federung zuvor zu kommen. Nach wenigen Kilometern führt eine Brücke, belegt mit verschweißten und zusätzlich verschraubten Stahlplatten, auf die linke Seite



des Marsyangdi. Danach geht es steil den Berg rauf, bei gleichbleibendem Belag. Sicherungen am Rand gibt es nicht und mit halben Auge sehe ich immer in die Tiefe. Kleine Siedlungen säumen den Rand der Piste, meist bestehend aus kleinen, windschiefen Steinhäuschen. Alte Frauen, schwer beladen mit Holz oder anderen Pflanzen, laufen am Rand entlang, hoch über der Schlucht des Marsyangdi. Überhaupt, scheinen Frauen hier die einzigen Träger zu sein, die wir



im Alltag zu sehen bekommen. Wenn wir in Bandipur morgens auf der Hotelveranda zum Frühstück saßen, wurde uns immer ganz anders, wenn wir die Frauen, offenkundig aus niederen Kasten (obwohl das in Nepal bei Strafe verboten ist zu erwähnen) und schleppten Gasflaschen, Wasserkisten und Touristengepäck. Wieder nur mit dem obligatorischen Sisalstrick oder Stofflappen über den Kopf gelegt. Besonders mochte ich die kleine Frau, die 3 Reissäcke, a 25 Kilogramm, auf dem Rücken balancierte. Das würde keiner von uns durchhalten, so viel ist mal sicher.




    Die Landschaft ist großartig, leider wird der Dunst immer dichter und häufig läuft Wasser die Piste runter, was die steilen Auffahrten ziemlich anstrengend machen. Manchmal muss Anni den Scout machen, absteigen, vorlaufen und schauen, ob ein Fahrzeug den Berg runter kommt. Überwiegend besteht die Piste aus einer Fahrspur, was nicht heißt, dass ich links am Berg ein Recht auf die Bergseite hätte. Das Recht kann auch schon mal ein Off-Roader für sich beanspruchen und so müssen wir auf die rechte Abhangsseite ausweichen. Ungefähr 10




Kilometer vor Jagat, unserem heutige Etappenziel, kommen uns die ersten schlammbespritzten und regennassen Fahrzeuge entgegen. Wir halten an und halten ein kleines Powow ab, wo uns der Fahrer mitteilt, dass die weitere Strecke derzeit unter Gewitter liege und der Regen die Fahrbahn ziemlich aufweiche. Die Gewitter hängen wohl bis zum Eingang ins Manangtal und werden die Strecke für Tage ziemlich schlammig machen, von der Gefahr durch Erdrutsche mal abgesehen. Keine 5 Kilometer zurück, war ein Trupp von 5 Bauarbeitern beschäftigt, den Rand



der Piste zu stabilisieren, der einige Tage zuvor, von einem Erdrutsch halb (!) fortgerissen wurde.

Da wir auf dem Weg nach Mukthinat so gerade eben einem Himalayagewitter entronnen sind, beschließen wir umzukehren. Schweren Herzens. Schade, aber da die Sicht ohnehin nicht gut ist, verschieben wir unsere Manangtour auf einen späteren Zeitpunkt. Abgesehen davon, müssen wir einen neuen Permit haben, wenn wir nach Besisahar zurück fahren. Manchmal ist

es klüger umzukehren, als den Berg herauszufordern. Außerdem, wer wäre ich denn, der Mann mit 63 Meter hohem Heimatberg, mit einem Achttausender zu streiten! Jawohl.



    Also geht es die ganze Holperstrecke zurück nach Besisahar. Wir checken aus und suchen uns ein Hotel in der Stadt. Wir finden eine gute Bleibe, die auch ziemlich günstig ist und canceln erst einmal unser Zimmer in Jagat. Der Hotelier hat Verständnis für die Situation, scheint häufiger vorzukommen und verbleibt mit - „beim nächsten Mal!“ Ich mag die Nepalesen! So eine Off-Raod-Etappe ist ziemlich anstrengend, für Fahrer und Beifahrer gleichermaßen und so fallen wir ins Bett und schlafen durch bis zum Morgengrauen.



  Das Wetter hat sich heute morgen keinen Deut verändert, graubrauner Dunst liegt über Besisahar. Wir fahren heute weiter nach Gorkha. Einen erneuten Versuch zu unternehmen, nach Manag zu fahren, ist sinnloss, da wir erstens keinen Permit mehr haben und zweitens der Wetterbericht dichte Bewölkung vorhersagt. Man kann halt nicht Alles haben, zumindest nicht Alles zur gleichen Zeit. Da wir ja eine unglaublich schöne Zeit in Muktinath hatten, werden wir die Annapurnarückseite verschmerzen können. Außerdem wollen wir ja weiter in die Everest



 Region, da gibts auch noch Berge, also, hab ich mir sagen lassen. Bergziege bepacken und auf nach Gorkha, die Wiege der nepalesischen Einheit. Es sind gut 80 Kilometer bis dorthin, wobei wir nicht abschätzen können, wie gut der Prithvi Highway ist, dem wir etwa 15 Kilometer lang folgen müssen, bevor es wieder links ab und nordwärts geht. Doch tatsächlich können wir da laufen lassen, denn das meiste der Strecke ist bereits neu asphaltiert. Nach Gorkha geht es dann 30 Kilometer den Berg rauf, rein in den Dunst, der immer dichter wird. Gorkha liegt auf gut 1000 Metern und bald können wir die Talsohle nicht mehr sehen, was das Fahren irgendwie



surreal macht. In Gorkha gibt es nicht so viele Hotels und die, die bei booking.com gelistet sind, haben die grottigsten Kritiken. Wir suchen uns ein Guesthouse, das bei Google zu finden ist. Da die Bewertungen sich super anhören, treten wir über WhatsApp mit dem Besitzer in Kontakt und können für zwei Nächte ein Zimmer buchen. Gorkha wird wenig von internationalen Touristen besucht, weil es einerseits etwas abseits liegt und andererseits auch nicht so viel Lokalkolorit zu bieten hat, wie bspw. Bandipur. Aber, hier steht der Palast von Prithvi, der



geneigte Leser weiß schon, der Kollege mit der nepalesischen Einheit. Dieser Palast liegt hoch oben auf einem Berggrat, von wo aus man - theoretisch - den Dhaulagiri im Westen, über den Annapurna 1, den Machapuchare, den Annapurna 2/3, die Ganesha-Gruppe an der tibetischen Grenze, bis hin zum Manalsu den Großen Himalaya dieser Region sehen könnte. Was soll ich sagen, könnte. Derzeit kann man vom Balkon unseres Hotels nicht mal den unteren Rand der




Stadt Gorkha sehen. Unser Hotel ist nicht weit vom alten Stadtkern und so tingeln wir los, um uns ein wenig die Füße zu vertreten, nachdem wir in den vergangenen Tage so viel gesessen haben. Vor dem Museum, das mitten in der Stadt liegt, gibt es einen kleinen gepflasterten Platz mit alter Bebauung, schlafenden Hunden und einigen Stufentempeln. Das Licht hat eine




schwefelige Farbe angenommen und der Dunst zieht in Schwaden durch die Altstadt. Kaum sitzen wir in einem Restaurant, da zieht ein Unwetter über die Stadt, natürlich aus Richtung Manaslu. Tja, was soll ich sagen, wohl alles richtig gemacht. Bonne nuit folks!

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