20. Januar 2024 - Vang Vieng
KM 17.111
Heute wandern wir! Jawohl, müssen unsere müden Knochen mal wieder in Schwung bringen. Die Muskulatur wieder mit einem fiesen Muskelkater ärgern. In den frühen Morgenstunden ist man in Vang Vieng sehr geschäftig. Da dieses Örtchen fast nur aus Restaurants, Hotels und Eventveranstaltern besteht - manchmal auch alles in Personalunion - geht es hier früh los. Da wäre eine Sonnenaufgangstour mit dem Heißluftballon. Sehr schön, aber Nepp, denn die Tour geht lediglich 30 Minuten und da gehört Start und Landung mit dazu, alles für läppische 110 US$. Man kann natürlich den Ballon auch privat mieten, für länger eben, aber den Preis gibt es nur auf Anfrage. Dann wäre da Paragliding oder Motorparagliding, ebenfalls für 30 Minuten,
Inklusive Start und Landung, nach dem Preis fragen wir gar nicht mehr. Entfällt. Eine Kayaktour vielleicht? Wir müssten uns frühzeitig dem chinesischen Großraumtaxi-Exodus anschließen, der sich heute morgen in der Frühe, während wir noch schlaftrunken und gedankenverloren unserem Kokostoast wiederkäuen, aus der Stadt herausschiebt. Pro Taxi hocken da 12 kantonesische Süßwassermatrosen, wie Affe auf Schleifstein, auf der Ladefläche eines Suzuki-Kleinlasters, während ebensoviele neonfarbenen Plastikkayaks auf dem verbeulten Alusonnendach festgedengelt sind. So drei Chinesen auf dem Kontrabass-mäßig . . . Summe ich das tatsächlich vor mich hin, als die chinesische Taximauer an unserem Hotel vorbeidefiliert? Fragen über Fragen des Orients! Vielleicht Tubing? Da läßt man sich in so einem LKW-Reifenschlauch den Fluss hinabtreiben. Da müssten wir zu einer anderen Karawane der Vang Vieng´schen Seidenstraße. Die Taxen mit den Reifenschläuchen, die auf den Fahrzeugdächern aussehen, wie überdimensionierte Rohrdichtungen oder wahlweise auch wie graugelbe Donughts, starten an einer anderen Stelle. Wir könnten auch zur Blauen Lagune 1,2 oder 3 radeln, wo gerne die Dreadlockfraktion schon früh morgens einen Dübel durchzieht, damit man so ganz offen für eine bewusstseinserweiternde Erfahrung im türkisen Wasser ist.
Als der hektisch aufgewirbelte Staub des frühmorgendlichen Aktionismus sich leise rieselnd wieder auf den Straßenbelag gelegt hat, kehrt Ruhe in Vang Vieng ein. Wir sind die letzten Mohikaner am Frühstückstisch. Der Hotelbesitzer hatte gestern einen lauwarmen Versuch gestartet, uns eine Kombitour - Ballon (morgens), Motorgliding (abends), Kayaktour bis Mittags, dann Höhlenexkursion (Nachmittags) und noch ein kurzes Abkühlen in Blauer Lagune 1,2,3. Ich hatte ihn gefragt, wann wir da noch Zeit für die Local Village Markets finden wollen? Das hat ihn nachdenklich gemacht, scheinbar hatte seine Eventplanung doch einen gravierenden Fehler. Zu weiteren Verhandlungen kommt es nicht. Wir werden heute wandern, doch zunächst besuchen wir eine Organic Farm, die in Maulbeeren macht. Dort lasse ich einen muffigen, sehr stumpf schmeckenden Tee über mich ergehen und einen recht seltsamen neuseeländischen Touristen.
Das war wirklich ein Vogel, der ununterbrochen redete und als er dann 10 Minuten durchgehalten hatte, wurde uns seine vegane Lebensphilospohie mitgeteilt. Ich bin stolz auf ihn, er hat 10 Minuten durchgehalten, bevor er auf das Thema vegane Nahrung kam. Außerdem wurde es immer skurriler, denn er erzählte, dass er sich mit einem seiner, wesentlich abenteuerlustigeren, Kumpels mal über die Asienkarte gebeugt hat und eruierte, was man denn in Asien so als gefährlichsten "Shit" machen kann. Der Typ riet ihm, in die laotische "Sonderwirtschaftszone" im Goldenen Dreieck zu fahren (was wir ja von der thailändischen Seite gesehen hatten). Wo das Abenteuer liegt ist uns beiden nicht klar, außer vielleicht dass dort extremst mafiöse Casinostrukturen existieren, wo er in seiner Ellibuxe, mit dem weit ausgeschnittenen Unterhemd und dem Drang, den laotische Fleischfressern seine vegane Philosophie zu unterbreiten, bestimmt mächtig Anklang gefunden hätte. Wir machen ihm einen Gegenvorschlag, nämlich in der Region Nan, mal barfuß durch die hochgrasigen Bergwiesen zu streifen. Die Eastern Sidewinder Viper freut sich bestimmt über gesund ernährtes Blut.
Am frühen Mittag ruft der Berg. Wir machen uns auf, überqueren den Fluß über eine provisorische Panzerbrücke und gelangen in das Land der Karstfelsen. Eine große, überwiegend landwirtschaftlich genutzte Ebene, ist von gezackten Felsen umgeben. Mittig erheben sich kegelförmige Berge, die mich aber eher an die Drachenvulkane bei Jim Knopf und die Wilde 13, der Augsburger Puppenkiste erinnern. Dann geht es rechts ab, in einen schattigen Schotterweg und wir kommen an einem Parkplatz raus, der uns je Nase 10.000 laotische Taler kostet. Keine Parkgebühr, sondern Eintritt. Beim Parkticket kassiert man pro Fahrzeug, wenn man Eintritt zum Wanderweg nimmt, kann man pro Nase abkassieren. Die Tourismusbranche funktioniert hier wie geschmiert.
Was nun folgt ist unserem Freund Richard gewidmet, seines Zeichens internationaler Bergführer und daher vertraut mit Auf- und Abstiegen. Der Reiseführer sagt, man benötige gutes Schuhwerk, aber der Weg wäre befestigt und jeder Mensch könne den Weg machen. 40 Minuten bis zum Viewpoint. Wir lassen das Wasser in den Koffern der Bergziege, Lächerlich! Bei der letzten 40-Minuten-Zeitangabe unseres Reiseführers (Wasserfall-Langkarwi) waren wir nach 10 Minuten oben. Ich schultere also den Equipment Rucksack, von der Drohne bis zum 300er Zoom ist alles an Bord, denn die Gegend ist wirklich atemberaubend schön. Leicht zementierte Treppenstufen führen ins Dickicht. Die schroffen Kalkfelsen sind mit nahezu undurchdringlicher Vegetation überzogen, was sehr angenehm ist, da man sich im Schatten
aufhält. Schon seit meinem ersten Erklimmen der Chinesischen Mauer in Badaling, weiß ich, Treppenstufen, die irgendwo am Horizont im Orbit verschwinden, geht man gleichmäßig und langsam. So bewegen wir uns langsam, stetig und zunehmend schräger höher. Irgendwann verschwinden die betonierten Stufen, wobei entweder der Zement knapp wurde oder die Tourismusmaurer hatten einfach keine Lust mehr, die Speissäcke den steilen Hang rauf zu knechten. Wer weiß das schon? Jedenfalls liegen jetzt nur noch Steinquader im festgetretenen Humus, natürlich alle unterschiedlich weit auseinander. Es geht unerbittlich steil bergauf. Mein
Tshirt ist am Rücken bereits durchgeschwitzt und kurzfristig überlege ich, ob ich die Fotoausrüstung nicht sherpagerecht auf dem Kopf balancieren soll. Hab ich mal in so einem stylischen Everest-Base-Camp-clip auf Instagram gesehen. Die Steinquader werden abgelöst von rauem Gestein, dessen scharfkantig gezackter Pfad tief ins Herz der Finsternis führt. Kein Sonnenstrahl dringt mehr durch das dichte Blätterdach. Kurz hinter der ersten Aussichtsplattform, sackt mein Kreislauf weg. Was mich zutiefst erschüttert, denn normalerweise habe ich keinerlei Blutdruck- oder Kreislaufbeschwerden. Doch das Alter, denke ich so bei mir? "Das ist bestimmt der Tee", höre ich da Anni sagen. Wie, was, welcher Tee? Na der Maulbeertee, der hat blutdrucksenkende Eigenschaften. Na großartig, der schmeckte eh muffig! Bähhh, nie wieder Mufftee! Anni hat etwas Muffensausen, weil ich super gut die bleiche Wasserleiche im nächsten Börne /Thiel geben könnte. Das Fisherman´s Friend mit
Orangengeschmack und vermutlich überdurchschnittlich viel Zucker (!), reißt es wieder raus. Nach ein paar Minuten bin ich aber wieder ganz der fitte Reinhold Messner und es kann weiter gehen. Inzwischen ist es so steil geworden, was die laotische Bergwacht wohl dazu bewegt hat, den Klettersteig zu sichern. Dadurch hat am Hang liegendes Bruchholz so eine lebensrettende Aufgabe bekommen, indem man mit ein bisschen Blumendraht da mal was festgetüdelt hat. Zusätzlich sind etliche Seile angeflanscht worden, die jetzt die Sicherheit der todesmutigen Zweimannexpedition zum Pha Ngern View Point gewährleistet. Besonders gut gefallen hat mir der rostige Nagel, 12 Zoll, den man einfach in einen Bambus getrieben hat, das Seil
damübergelegt und anschließend wurde der Nagel dann krumm gehauen. Flexibles System, würde ich mal sagen. Der Bambus schlägt so weit aus, dass man im Falle des festklammernden Ausrutschen, auf jeden Fall lang hinschlägt. Als wir uns dem Gipfel nähern, brandet das tosende Geplapper einer chinesischen Reisegruppe zu uns herunter. Die letzten 30 Höhenmeter sind so steil, dass die ältere Touristin, die uns entgegen kommt, sich mit zitternden Knien an uns vorbeischiebt.
Auf dem Gipfel hat man eine Bar eröffnet und auf unterschiedlichen Ebenen Aussichtsplattformen. Die Chinesen schlürfen gerade jeder eine 5 Minuten-Instand-Nudel-Terrine und reden dabei alle mit offenem Mund. Der normale Chinaknigge halt! Anni will meine gesunde Gesichtsfarbe zurück und schüttet zwei Pepsi im mich rein, doch meine ganze Aufmerksamkeit gilt inzwischen den Luft-/Landemöglichkeiten unsere Fliewatüts. Die Aussicht ist grandios. Vor uns erstreckt sich die Ebene mit den steilen Felswänden. Hinter uns erheben sich die Berge weit über "unsere" 500 Meter über N.N., auf der, der View Point liegt. Im Osten
kann man den Fluss und Vang Vieng sehen, nach Westen erstreckt sich die weite Ebene. Sagenhaft. Das Fliewatüt schafft tatsächlich 1070 Meter Entfernung von der Bergspitze und bringt uns weitere atemberaubenden Blicke auf das Land der spitzen Karstfelsen. Ich lasse die Drohne an den steilen Felswänden entlangfliegen und allein, was ich schon auf dem hochauflösendem Bildschirm des Controllers gesehen habe, begeistert mich wieder einmal mehr für dieses Medium. In Luan Prabang werden ich Zeit haben, diese Aufnahmen mal in einen kurzen Clip zu bringen.
Wir verbringen bestimmt zwei Stunden dort oben. Besonders als die, sagen wir mal vorsichtig, etwas lautstarke Reisegruppe sich zurück ins Basiscamp aufmacht, kehrt schlagartig Ruhe ein. Wir hingegen genießen jetzt die Ruhe, die Ferne, die warme Sonne und den milden Wind, der die Hitze des Tages hier erträglich macht. Natürlich hinterlassen wir einen oyotr-Sticker, den der junge Servicemitarbeiter der Bar gerne applizieren möchte. Der Junge ist echt süß, kam immer vorbei und hat fasziniert mit mir gemeinsam auf den Drohnen-Controler geschaut. Vor dem Abstieg gibts noch eine Pepsi, denn den Mufftee hätte ich nicht genommen, selbst, wenn sie ihn under der Theke versteckt hätten! Bonne nuit folks
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