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AutorenbildIngo

Die Spitze ist nicht immer oben . . .

29. August 2023 - Von Balige nach Tuktuk

Km 3959


Der Toba See ist der größte Kratersee der Welt! Dolle Sache, nein wirklich. Aber natürlich muss ich mich erst einmal in die Materie einlesen. Weiß ja kein Mensch einfach so. Wenn ich das alles richtig verstanden habe, entstehen Kraterseen, wenn in einem aktiven Vulkan Eruptionen in Seitenkratern die Magmakammer einstürzen lassen und sich dadurch der Boden absenkt. Wenn eine Magmakammer des Zentralvulkans einstürzt, hat sie sich vorher durch Magmaeruptionen nahezu entleert. Das wäre die eine Möglichkeit, die sogenannte Einsturzcaldera! Aha, so, so! Die zweite Möglichkeit ist schlicht eine Explosion im Zentralvulkan, wodurch eine Explosionscaldera entsteht. Also nun haben wir das typische Loch in der Mitte des Vulkans und wenn sich dieser Krater mit Regenwasser füllt, gibt es den Kratersee. Soweit so gut.

Unser Gastgeber Sebastian, mit dem wir abends zuvor tolle Gespräche über Gott und die Welt haben, fährt mit uns zum Abschied eine kleine Runde durch die Umgebung von Balige. Irgendwann stehen wir an einem Aussichtspunkt mit einer atemberaubenden Aussicht über den Tobasee. Von hier aus läßt sich der erhöhte Krater gut sehen und auch die Insel im „See“, die sicherlich - wissenschaftlich gesehen, die Spitze der ehemaligen Magmakammer ist, also die eigentliche Bergspitze. Ich mutmaße mal die gewagte These, „die Spitze muss nicht immer oben sein?“

Das Wasser des Sees ist dunkelgrün und wird zum Rand hin immer heller. Die Kraterhänge fallen steil ab und lassen nur wenig Platz für Bebauung. Balige liegt im „Inneren“ des Kraters, auf einem Plateau, oberhalb des Wasserspiegels. Irgendwo auf dem Kraterrand liegt ein kleines Dorf. „Kleindorf“ würde es besser treffen, denn es gibt nur 7 Häuser, alle aus Holz gebaut. Mittig steht ein traditionelles Büffelhorn-Haus, nicht jedoch im Minangkabaustil, sondern nach der Bautradition der Toba-Batak. Die Giebel sind nicht rund nach oben gebogen, sondern nur stilisiert angedeutet. Diese charakteristische Bauweise, der oft ziemlich großen und beeindruckenden Gebäude, werden „Rumah Bolon“ genannt. Je nach sozialer Situation der Besitzer ist der Giebel mit reichen Holzschnitzereien versehen und gelegentlich auch noch bemalt. Sebastian macht uns mit der Dame des Hauses bekannt. Sie ist vielleicht 1,50 Meter groß, tiefbraun gebrannt, das Gesicht mit faltiger Haut überzogen. Das Ergebnis tagein und tagaus der Sonne ausgesetzt zu sein. Sie trägt ein traditionelles Tuch, speziell gefaltet auf dem Kopf, um so zumindest einen geringfügigen Schutz vor der Sonne zu haben. Ihre wachen Augen liegen tief zwischen feinen Lachfalten und sie grinst uns herzlich an. Ihr Haus ist von 1937 und die Konstruktion komplett aus Holz ohne auch nur einen einzigen Stahlnagel. Sie gehört zu den Toba-Batakt, aber schließlich gibt es verschiedene Batak-Ethnien rund um den Toba See verteilt. Es gibt Simalungun-Batak, Karo-Batak, Pakpak-Batak, wobei die Toba-Batak die zahlenmäßig größte Batak-Community ist. Jede dieser Ethnien hat wieder ihre eigene kulturelle Ausprägung,

in Form von Sprache, Musik, Tänzen, Ornamentik und natürlich auch in der Tradition ihrer Rituale. Sebastian übersetzt das Gespräch, wobei viel gelacht wird. Mein Gott, ist die Frau klein und neben der schwer bepackten Bergziege sieht sie winzig aus. Das „Dorf“ besteht aus einem Vorplatz, um die sich die Häuser reihen. Der Speicher ist längst verfallen, wäre doch viel Geld nötig, um das Gebäude angemessen zu rekonstruieren. Gras bedeckt den Platz, etwas Wasserbüffeldung hier und da. Alle Häuser sind erhöht, auf Stelzen gebaut, darunter wird oder wurde das Vieh gehalten und außerdem behält man trockene Füsse, wenn die Regenzeit sturzbachartige Wassermassen bringt. Die Langhäuser haben nur an den Stirnseiten Fenster, um nach „Windkanalprinzip“ die Kühlung der Behausung zu erreichen. Sie sind arm, zumindest

im Hinblick auf Indonesische Rupien. Im Hinblick auf spirituellen Reichtum jedoch, scheint die Erscheinung und Ausstrahlung der alten Dame, ganz andere Bände zu sprechen. Die Toba Batak leben in erster Linie von der Landwirtschaft, also Reis und Gemüseanbau. An der Straße zum Dorf liegen Reisterrassen, die sich in die tieferen Lagen hinabziehen und hinter den Häusern fällt das Gelände steil ab zum Toba See. Der See bietet ebenfalls einen Teil der Lebensgrundlage dieser Menschen. Gegen frühen Mittag müssen wir uns von Sebastian und seiner sympathischen Art losreißen, denn es sind noch 70 Kilometer bis nach Parapat, von wo aus die Fähren zur Insel Samosir ablegen. Natürlich weiß niemand genau, wann und wo die Fähren verkehren. Irgendwie ist das immer alles Hörensagen!

Der Himmel zieht sich langsam zu und so bleibt uns die stechende Sonne auf der Fahrt über den Trans-Sumatra-Highway erspart. In Parapat gibt es wieder einen Ticketdealer, der uns online anmeldet und für den Ausdruck der „Bordkarte“ sorgt - gegen eine Gebühr natürlich. Aber, ich glaube, wir können die 1,20€ in unserer Reisekasse verschmerzen. Um 15 Uhr geht es auf die Fähre, die tatsächlich eine Stunde Fahrzeit hat, obwohl Tuktuk nur einen Steinwurf entfernt zu sein scheint. Die Wolken hängen tief und Regen kündigt sich an. Die Fähre liegt jedoch ruhig auf dem See, denn es herrscht nur mäßiger Wind, was leider auch nur spärlich die Regenwolken vertreiben wird.

Wenn man so in der Mitte des Sees ist, also zwischen dem „Festland“ und der „Insel“ Samosier, dann ist die Dimension schon ganz schön groß. „87 Kilometer lang und 27 Kilometer breit“, rufe ich mir ins Gedächtnis, „und 500 Meter tief“. Der Toba See gilt als einer der größten Kraterseen der Welt und sein Wasserspiegel liegt auf 900 Meter über N.N.. Auf unserer Fahrt nach Parapat überqueren wir einen ziemlich großen Fluss, den Asahan, der den Toba See entwässert. Was hab ich gelernt, das Wasserprinzip eines Kratersees funktioniert im Gleichgewicht durch Versickerung und Verdunstung. Aha? Das mit der Lebensgrundlage für die Batak-Communities ist so eine Sache. Die Frage ist, wie lange er noch Teil der Lebensgrundlage für die Batak sein kann. Der See ist ziemlich nährstoffarm und daher gibt es auch nur wenig

Artenreichtum bei Fischen. Dazu kommt, dass die indonesische Regierung wohl Fischzuchtrechte an große Unternehmen verkauft hat und damit, ähnlich, wie beim Maninjau See, die Wasserqualität ziemlich leidet. Außerdem, wie wir am Anleger feststellen konnten, hat die Regierung den Toba See zum Top-Tourismusziel erklärt und will das Business ganz groß ausbauen. Am Anleger konnten wir eine neu eingestellte Truppe Tourismus-Polizisten, in wunderschönen brombeerfarbenen Hemdchen und schwarzen Kappen, sehen, die gerade neu ausgestattet wurde. Was auch immer die Tourismus-Polizei für einen Aufgabenbereich in ihren Brombeerhemdchen haben wird, ist mir schleierhaft. Hier werden jedenfalls große Veränderungen kommen . . .

Während der Überfahrt können wir sehen, dass an Land ein riesiger Regenguss über die Hänge der Insel Samosier geht. Beim Blick auf das Navi fällt mir auf, dass genau dort Tuktuk liegt. Aber wir haben Glück und irgendwie bekommt der Kapitän, oder vielleicht sein Auszubildender, die Fähre nicht eingeparkt. Es dauert, sodass der Regen abgezogen ist, bevor wir in Tuktuk ankommen. Leider ist das Hotel wieder einmal enttäuschend hässlich und auch die breite Fensterfront zum See ist nicht sehenswert. Aber gut, man nimmt das Hotel, was man kriegen kann. Bonne nuit folks.


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1 Comment


marc.luetjens
Aug 31, 2023
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