12. Januar 2024 - Ban Tiou
KM 16469
Wenn der geneigte Leser, angesichts des Titels, eine schlüpfrige Teenieromanze aus den 80ern erwartet, der wird enttäuscht sein. Die Blaue Lagune ist eine Frischwasserquelle, die den Nam Hin Boun River im Phou Hin Boun Nationalpark speist. Außerdem liegt die kleine Mündung der Blauen Lagune direkt gegenüber unseres Hotelbungalows.
Heute machen wir Sport, wir paddeln. Da unser Wahnsinns Resort förmlich am Ende der Welt liegt, kann man hier nur Höhlen besichtigen oder Flusstouren machen. Selbst wenn es die größte Höhle der Welt ist - Durchfahrt 7 Kilometer Länge (!) - ich bin einfach nicht so ein Freund von Höhlen, weder unter dem Berge, noch unter Wasser. Außerdem ist man natürlich auf Gedeih und Verderb der Touristenmaschinerie ausgesetzt. Denn hier gibt es nichts mehr, keinen regulären Taxiverkehr, nichts. Man muss also immer nehmen, was kommt und das was kommt, nimmt gerne. Hier wird übrigens gerne alles in 10 US$-Schritten genommen. Besonders am Ende der Höhle. Also erledigen wir erst einmal unsere Haushaltspflichten, der Wäscheberg türmt sich. Sofern man bei zwei T-Shirts pro Person von Berg sprechen kann. Alle Kameras müssen mal geladen werden, Komplettdatensicherung wieder einmal und überhaupt etwas entschleunigen. Der Herbergsvater hat etliche flache Kajaks im Wasser liegen und wir schnappen uns eine Zweimanngaleone.
Nachdem wir unsere Ruderschläge synchronisiert haben, gleiten wir über den Fluss, auf die kleine unscheinbare und auch ziemlich zugewachsene Mündung zu. Die Idee mit dem Trommler, den die Römer und wahrscheinlich auch die Griechen hatten, erscheint mir gar nicht so dumm, denn es dauert ein wenig, bis wir unseren Takt gefunden haben. Der Wasserstand ist ziemlich niedrig, nicht nur der Hauptfluss hat wenig Wasser, sondern auch der kleine Zufluss von der Blauen Lagune strotzt nicht gerade mit Hochwasser. Wir müssen ganz schön aufpassen, denn
direkt unter der Wasseroberfläche lauern schon mal gefährlich spitze Riffe. Bevor wir nun dieses bootstechnische Kleinod an einem Piratenriff zerschellen lassen, muss der vordere Maat immer den Flachwasserausguck machen. Doch das Wasser ist klar und hat je nach Lichteinfall eine türkisblaue oder türkisgrüne Färbung. Heute ist es wieder bewölkt, was aber durchaus normal ist, zumindest in diesem Teil des laotischen Hochlandes. So sagt unser Reiseführer, der empfiehlt nämlich immer Regenzeug in dieser Region dabei zu haben. Haben wir nicht, wird sicher von der Bergziege bewacht. Es ist übrigens schön warm, nicht zu heiß und da wir überwiegend unter alten Bäumen oder Bambus dahingleiten, ist der Schatten sehr angenehm.
Einige Kinder aus dem Dorf sind sich mit einem hölzernen Langboot in der Mündung unterwegs und "jagen" mit selbstgebauten Harpunen kleine Fische. Erstaunlich, die krummen und schiefen Bambuskonstruktionen mit den breiten Gummibändern, scheinen zum Erfolg zu führen, denn jeder der Stepkes hat schon "fette" Beute in seinem kleinen Bambuskörbchen, dass sie mit einem Seil um ihre Hüften geschlungen haben. Mädels sind auch dabei und die stehen den Jungs in nichts nach, wie man an ihrer Fangquote sehen kann. Irgendwie macht diese ganze Szenerie einen sehr friedlichen Eindruck, so glückliche Kindheit und so. Man wird am Fluss groß, spielt an den Ufern, lernt Fische mit der selbstgebauten Harpune zu fangen, lernt Longtails zu fahren und ist mit sich und der Natur im Reinen. Das ist natürlich nur naives Wunschdenken unsererseits, denn diese Kinder können vermutlich weder lesen noch schreiben und eine Schule werden sie auch nicht besuchen, weil die Eltern so arm sind, dass sie das Schulgeld nicht aufbringen können. Das fröhlichen Lachen und Prusten der Kinder hat uns heute morgen auf jeden Fall geweckt, was zumindest eine Form der Unbekümmertheit demonstrierte. Überhaupt sind die Laoten viel mehr im Hier und Jetzt.
Gestern Abend kamen wir mit unserem Schweizer Hotelier ins Gespräch und landeten unweigerlich beim Thema Manjok. Er berichtete, dass die Chinesen einen schier unbändigen Hunger auf Manjok hätten, in jeder Form und für jeden Zweck. Die Taktik ist sehr eindeutig, wurde uns erzählt, funktioniert etwa so, wie vor einigen Jahren die chinesische Drachenfruchtabzocke in Vietnam. Man animierte viele Klein- und Großbauern in Drachenfrucht zu machen, bezahlte 3 Jahre lang extrem gute Preise, sodass ein Großteil der Bauern investierte und sich ganz darauf spezialisierte. Nach drei Jahren gab es ein totales Überangebot an Drachenfrucht und die chinesischen Abnehmer boten nur Pfennigbeträge für das Kilo, im Gegensatz zum Zeitraum davor. Da aber nur China soviel Drachenfrucht verputzen kann, blieb den Bauern keine Wahl und mussten die Verluste akzeptieren, damit man nicht verhungerte oder alles von den Banken gepfändet wurde. Das scheint, zumindest wird es so berichtet, in Sachen Manjokanbau gleichermaßen so zu laufen. Gerade boomt das Geschäft, denn tatsächlich soll das Anbauen und Ernten von Manjok ziemlich einfach und nur bedingt arbeitsintensiv sein. Der Hotelier erzählte, dass er gerade gar kein Personal bekommt, denn derzeit können viele Menschen in ländlichen Gegenden mit wenig Arbeit "viel" Geld verdienen. Da scheint eine Anstellung in einem Resort eher unattraktiv, da man da viel mehr arbeiten muss. Spannend und ich hoffe für die Menschen hier, dass es ihnen nicht so ergehen wird, wie den Drachenfruchtbauern im Mekongdelta.
Der kleine Fluss der Blauen Lagune schlängelt sich durch den Dschungel, immer entlang an einer Steilwand von hohen Karstfelsen. Überall kann man den Grund sehen, was natürlich ein wunderschönes Ambiente macht. Hin und wieder kommt die Sonne zum Vorschein und die Strahlen lassen den teils felsigen Grund bläulich schimmern. Es ist still, nur das Summen hunderter Mücken, Fliegen und was weiß ich nicht noch alles, sorgt für ein Stimmungslied, was noch von den verschiedenen Zikadensoli untermalt wird. Sonst sehen wir nur kleine Fische. Weder Affen, noch Elefanten noch sonstige Viecher lassen sich blicken.
Gestern Abend saßen wir an der Brüstung des Restaurants und konnten eine Wasserschlange beobachten, die quer durch den Fluss geschwommen kam. Aber auch davon ist heute nichts zu sehen. Die Stille hat etwas Betörendes und wir lassen das Boot meist nur gleitend durch das klare Wasser ziehen. Manchmal ist die Vegetation so dicht, dass wir unter dem ein oder anderen krummen Baumstamm hindurchschippern müssen. Aber, was wäre eine richtige Dschungelflussfahrt ohne ein paar zünftige Hindernisse? Komme mir ein bißchen vor wie Livingston, als er auf dem Weg zu den Viktoriafällen war, keine Frage, ist nah dran!
Wir müssen gut 700 Meter "flussaufwärts" paddeln, dann kommen wir zur Quelle der blauen Lagune. Uns ist nicht ganz klar, wo dann die Lagune ist oder ob der ganze Fluss dann als solche angesehen werden kann. Fragen über Fragen des Orients!
Die Gegend hier ist völlig verlassen, was bedeutet, dass hier tatsächlich auch kein Plastikmüll rumschwimmt. Es ist zwar nicht so krass, wie in Indonesien, doch die Dörfer hier in der Ebene werden umlagert, von Tonnen von fludderigen Hemdchentüten, die der Wind in Bäume, Büsche, auf die Felder, in die Niederungen und sonst wo hingeweht hat. Es sieht gruselig aus. Heute morgen haben wir ein Schweizer Paar kennengelernt, die derzeit an einer Schule in Surabaya arbeiten, mit dem Schwerpunkt Ökologie. Was die Beiden erzählten, welche Unwissenheit gegenüber Plastik, Plastikverbrennung oder (Nicht-)Verrottung von Kunststoffen in Indonesien
herrscht, machte uns schon sprachlos. Aber zurück zur Blauen Lagune, die ist wirklich superschön. Irgendwann endet der Fluss einfach an ein paar großen Felsen, mitten im Urwald. Dort ist ein kleiner Naturpool, tatsächlich türkisblau gefärbt. Wir vertäuen die Galeere an einer
Baumwurzel, nehmen die Ruder mit an Land, denn hinter einem großen Felsens entspringt die Blaue Lagune. Und tatsächlich, hinter einem sehr großen Steinblock, kommt das blaue Wasser still und heimlich, aus 26 Metern Tiefe an die Oberfläche und fließt Richtung Nam Hin Boun River.
Was wäre also eine Dschungelexpedition ohne ein Bad in der Lagune? Das Baden an der Quelle beschreibt unser Herbergsvater, als ein unbedingtes Muss!. Also gut, erste Dschungelprüfung und rein in das trinkbare Wasser, wird erzählt, reines Trinkwasser. Es ist ziemlich kalt, das blaue Wasser, so viel steht mal fest! Augen zu und durch. Es ist, sagen wir mal vorsichtig, sehr
erfrischend. Trotzdem, super schön, in der Einsamkeit des Dschungels in tiefblauem Wasser zu schwimmen. Tarzan, wäre neidisch. Das Bad fällt nicht allzu lange aus, ist doch sehr erfrischend und wir genießen den Rückweg, ebenfalls in Stille dahingleitend. Den Rest des Tages, werden wir mal nix machen, lesen, Kaffee trinken und überhaupt, die Seele baumeln lassen.
Anbei noch ein kleiner Literaturtip für Laosliebhaber. Wer etwas aus der laotischen Zeit, kurz nach der Revolution lesen möchte, dem sei hier Dr. Siri und seine Toten, von Colin Cotterill empfohlen. Der alte kauzige Pathologe Dr. Siri, der einzige in Laos 1975, muss in Vientiane Mordfälle aufklären. Etwas verschroben, doch die Figur ist einfach großartig! Bonne nuit folks!
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