27. Januar 2024 - Luang Prabang
KM 17.319
Wir stehen pünktlich um 13:20 Uhr vor dem Königspalast in Luang Prabang, Demokratische Volksrepublik Laos. Letzterer Zusatz soll meiner Einleitung kein formelles Gewicht verleihen, sondern schlicht und einfach auf die Tatsache verweisen, dass der König 1975, als die kommunistischen Pathet Lao ihn zum "Exil" zwangen, seinen Palast dem laotischen Volk "schenkte!" So kanns kommen. Doch noch ist das Tor fest verschlossen und der Ho Kham, was übersetzt Goldener Palast heißt, liegt noch verlassen unter den grauen Wolken. Eigentlich ist das Ho Phra Bang, das große Sim, was man schon von der Hauptstraße hervorragend sehen kann, viel augenscheinlicher als der Goldene Palast, der gar nicht golden daher kommt, sondern weiß getünchte Wände hat. 13:30 Uhr werden sich die schmiedeeisernen Pforten der goldenen Königskaschemme öffnen und ein sichere Anzeichen dafür ist die minütlich ansteigende Zahl an chinesischen Reisegruppen, sehr lauten chinesischen Reisegruppen. Gerade war Luang Prabang für zwei Tage sehr verschlafen und völlig ausgestorben, doch seit heute rattern unaufhörlich kleine Reisebusse in die Stadt und spucken vor den einschlägigen chinesischen Hotels, Herscharen aus Kunming und Kanton aus. Nachdem der Palastwächter die eiserne Kette gelöst hat, entsteht eine besuchertechnische Sog- und Druckwirkung . . .
Seit Wochen besteht unser Frühstück meist aus labbrigem oder wahlweise papphartem Toast, fettigen Würstchen und einer Gurkenscheibe. Irgendwie scheint die laotische Hotellerie der festen Überzeugung zu sein, dass das die internationale Nouvelle Cuisine sei, die anzustreben es gilt. Besonders hier in Luang Prabang, haben die französischen Herren ja so etwas, wie Backtraditionen hinterlassen. Die Menge an warmen Schokocroissants, die ich in den vergangenen Tagen verputzt habe, übersteigt die gesamte Anzahl der vergangenen 6 Monate. Gestern stolperte Anni im Café Zürich über ein Graubrot, dass nach altem bayrischen Rezept gebacken wird. Kurz entschlossen, der morgendlichen Weißbrotfalle zu entgehen, erstehen wir das dunkle, ofenfrische Brot, natürlich zu einem Preis, dass Bäckerei Tollkötter, trotz der eigenen saftigen Hausbrotpreise, neidisch würde. Doch heute morgen ist der Geldbörsenschmerz vergessen und endlich haben wir mal wieder ein kerniges dunkles Brot. Erstaunlich, wie schwer man aus seiner Haut kann, oder?
So gestärkt machen wir uns auf den Weg in die City, wir müssen unseren kleinen WLAN-Router wieder aufladen. Eigentlich traue ich mich gar nicht das zu erzählen. Wir kommen in den Becel-Shop, so heißt der ortsansässige Telekommunikationsanbieter. Der Junge Mann legt uns eine übersichtliche Tabelle vor, fragt wieviel wir aufladen möchten, wir tippen drauf und 2 Minuten später ist alles erledigt und wir haben für 2,33 € 30 Gigabyte Datenvolumen für weitere 4 Wochen. Beim Verlassen des Becel-Shops denke ich daran, wie lange man für diesen Service wohl bei uns in einem Telekom, O2 oder Vodafone Shop gewartet hätte. Vermutlich müsste man eh zwei mal wiederkommen oder einen Termin machen. Egal, wir sind schneller durch, als wir dachten und schlendern so durch das Viertel, dass wir noch nicht kennen. Bis zur Palastöffnung haben wir noch etwas Zeit und stolpern wenig später über ein Restaurant, dass uns
schlichtweg umhaut. Die Anlage liegt verborgen zwischen etlichen alten Häusern und ist auf den ersten Blick gar nicht so richtig als Restaurant und Café zu erkennen. Nicht umsonst heißt es Secret Tables. Doch als wir Platz nehmen und über eine palmengesäumte Wasserfläche mit rosafarbenen Teichrosen schauen, sind wir ehrlicherweise völlig verzückt. Ein Holzsteg führt über die Wasserfläche zu einem weiteren Teil des Restaurants. Die Anlage ist derartig schön gestaltet, dass man sofort einziehen möchte. Üppige Vegetation, hier und da hat der Designer kleine, blaugestrichene Longtails als "Blumenkübel" verwendet, handgefertigte blassgrüne Keramik mit passenden Leinenservietten, dunkle Holzbohlen zieren den Fußboden und im Hintergrund zischt beruhigend eine große Espressomaschine. So sitzen wir bei Cappuccino in einer Szenerie, die dem entspricht, wie sich der geneigte Reisende Indochina immer vorstellt.
Es gelingt uns vor der chinesischen Palastinvasion den königlichen Garten zu betreten und uns zügig zu den Hallen des Goldenen Palastes zu begeben. Damit der geneigte Leser jetzt nicht einen falschen Eindruck bekommt. Der Palast ist ziemlich klein und so wahnsinnig prunkvoll ist er auch nicht. Er beherbergt das gesamte "Vermächtnis" der letzten Königsfamilie, deren Schicksal ziemlich nebulös ist. Bis heute werden die Todesumstände des letzten laotischen Königs von der Regierung geheim gehalten. Man weiß nur, dass die königliche Familie 1977 in das Umerziehungslager Nr. 1 in der Provinz Houaphan gebracht wurde. König und der Kronprinz starben bereits 1978, warum, wieso, weshalb, liegt im finsteren Zeitalter postrevolutionärer Wirren begraben. Die Königin verstarb wohl 1981 an Unterernährung, wahrscheinlich weniger mysteriös als Gatte und Sohn, sondern einfach an mangelnder Gesundheitsversorgung. Doch zurück zum Goldenen Palast. Ursprünglich stand hier mal ein traditioneller laotischer Holzpalast, der sogar erst 1895 vollendet wurde. Doch die Franzosen waren der Meinung, dass die Bretterbude wohl nicht royal genug war und so begann man schon 1904 den, heute zu besichtigen, Palast zu bauen. Der Palast ist mehr oder weniger genau in dem Zustand, indem er 1975 "verlassen" wurde. Der Standort für den Palast wurde so gewählt, dass offizielle Besucher von Luang Prabang von ihren Flussreisen direkt unterhalb des Palastes aussteigen und dort
empfangen werden konnten. Wenn man sich in diesem Zusammenhang mal die "Palastmauern" anschaut, dann weiß man nicht, ob das nicht eher Heinz Klempkes nachbarschaftlicher Schutzwall gegen die Kosslowskis von nebenan ist. Alles in allem ist der "Palast" mehr ein Herrenhaus, zumindest nach abendländischen Maßstäben eines Versailles, eines Sanssoucis oder eines Neuschwansteins. Durch einen vielleicht 100 Meter langen und grob asphaltierten Weg, der von verschiedenen Palmenarten gesäumt wird, erreicht man eine große Treppe, aus italienischem Marmor, die von zwei aberwitzig kleinen Kanönchen flankiert werden. Natürlich
müssen alle Besucher die Pantinen ausziehen. Rucksäcke sind nicht erlaubt und das fotografieren im Innern ist bei Todesstrafe verboten. Über dem Eingang "steht" ein dreiköpfiger Elefant, der von dem heiligen weißen Sonnenschirm, dem Symbol der laotischen Monarchie, geschützt wird. Da wir im Innern nicht fotografieren dürfen, könnte ich mich jetzt ersatzweise in einer langatmigen, langweiligen Aufzählung der Innereien ergehen. Daher werde ich jetzt hier das illegal geschossene Foto des Thronsaales veröffentlichen:
Im Vergleich zu anderen Krönungsstätten, kommt der laotische Thronsaal mehr so wie ein "Vergolder-Hobbyraum" daher. Die Wände sind mit Spiegelmosaiken verziert, die typische Szenen des Reisanbaus zeigen, Buddhistische Parabeln und natürlich auch Mord und Totschlag. Überall stehen Vitrinen herum, die goldene Staatsschwerter, Krönchen und verschiedenste Buddhafiguren beinhalten. Häufig sind besonders die buddhistischen Devotionalien aus zerstörten Wats gerettet worden und aufgrund ihrer spirituellen Bedeutung in den Palast gewandert. Der Rest des Palastes hat zwei Schlafzimmer, einen Leseraum, ein Musikzimmer und zwei königliche Empfangsräume. Der Boden ist durchweg aus dunkelbraun lackiertem Holz und besonders die Privaträume sind derartig schlicht und formalistisch eingerichtet, dass hier gar nicht von Prunk gesprochen werden kann. So richtig viel Kohle, kann das Königshaus nicht besessen haben, oder aber der letzte König, der immerhin von 1959 bis 1975 regierte, war bis unter die Zehennägel geizig. Auch der Schrank im Schlafzimmer des Hausherrn war eher klein.
In "Garten" des Palastes stehen noch einige Gebäude, an denen aber der Zahn der Zeit nagt. Darunter auch die königliche Garage, die insgesamt 5 Fahrzeuge enthält, die jeweils ein Geschenk verschiedenster Regierungen waren. Ein alter DS, damit fuhr der König inkognito herum, ein Toyota Land Cruiser für den Kronprinzen (Geschenk der japanischen Regierung), drei Amischlitten, zwei mal Lincoln und ein mal ein Ford (alles Geschenke der amerikanischen Regierung). Leider auch hier Fotoverbot. Am Ausgang, das Hintertürchen des Palastes
sozusagen, stehen zwei alte Schellzapfsäulen, die ich sofort abbauen würde, denn in jeder Schrauberhalle wären die ein super Dekogewinn. Wir schlendern noch einmal zum Wat Phra Bang zurück, dass inzwischen völlig von Chinesen okkupiert wird. Außerdem hat sich die Sonne durch die Wolkendecke gekämpft und das Gold des Sims beginnt zu funkeln, von den kleinen grünen Spiegelfliesen mal ganz abgesehen. Im Innern gibt es eine berühmte Buddhafigur, die aber recht klein ist und in Anbetracht der chinesischen Invasion bekomme ich kaum etwas von dem kleinen Kerl zu sehen. Hatte ich schon erwähnt, dass Fotografien verboten ist. Bei Kaffee und Croissant ziehen wir Bilanz des Palastbesuches. Sehr nüchtern, sparsam, klein, bescheiden, aber nicht unsympathisch.
Da die kalte Wolken- und Wetterfront für die kommenden Tage durch ist, wollen wir nun den Aufstieg zum Wat Phou Si in Angriff nehmen. Der Berg Phou Si, den die Einheimischen auch wortgewaltig Mount Phou Si nennen, ist ein 100 m (!) hoher Hügel im Zentrum der Altstadt von Luang Prabang. Er liegt mitten in der Altstadthalbinsel und wird auf der einen Seite vom Mekong-Fluss und auf der anderen Seite vom Nam-Khan-Fluss begrenzt. Der Hügel ist natürlich eine religiöse Stätte, wie kann es auch anders sein und beherbergt mehrere buddhistische Schreine. Außerdem ist das der beste Platz, um einen sagenhaften
Sonnenuntergang über dem Mekong zu erleben. Den Hügel habe ich schon mal erklommen, vor 16 Jahren und siehe da, hier hat sich echt viel verändert. Zunächst stehen da mal schon zwei steinerne Wächterfiguren rum, die auch ziemlich neu sein müssten. Wir schieben uns in einer Pilgerreihe, eingepfercht zwischen zwei chinesischen Sturmtrupps, älteren Semesters, langsam die Treppen zum Schrein empor.
Oben angekommen geraten wir in den Fotomarathon der fernöstlichen grauen Panther. Ein kleiner Felsenvorsprung lädt zur umgehenden Instapostproduktion ein. So balanciert einer nach dem anderen auf die spitzen Steine über dem Abgrund und wird abgelichtet. Dann gerät alles außer Kontrolle, denn diverse chinesische Reisegruppen versuchen jetzt die Fotostrecke durch die Mischung der Gruppenzusammensetzung zu variieren, dass es tumultartig laut wird. Die aus dem Westen angereiste Besucherschar, fühlt sich in der Romantik des sonnigen
Augenblicks gestört und mahnt den diskussionsfreudigen XVII. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, mit lauten, eindringlichen und unverhohlenen "PSSST"-Rufen zur leiseren Kommunikation. Der Chinese als solcher, kann das natürlich gar nicht verstehen und lärmt weiter, wohingegen die "PSSST"-Mahnungen eindringlicher werden, sodass der, in die Jahre gekommene Sinologenkongress, tatsächlich leiser wird - zumindest für 30-40 Sekunden. Immerhin! Wir stehen abseits, in der ersten Reihe und lassen uns das Gesicht von der abendlichen Sonne wärmen. Am Horizont erheben sich im Osten die Berge, die wir morgen in Richtung Nong Khiaw überqueren wollen. Bonne nuit folks!
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