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AutorenbildIngo

Auf dem Siddhartha-Highway unterwegs . . .

Aktualisiert: 22. März

21. März 2024 - Von Tansen nach Pokhara

KM 20.931


Mit dem Begriff Highway assoziiert mein Gehirn eine gut ausgebaute, mehrspurige Straße. Das geht eigentlich jedem Menschen so, denke ich. Weite Kurven, dunkler Asphalt, glatte Oberfläche, so halt. Kleeblattförmige Auffahrten, bzw. Abfahrten erleichtern das elegante Einfädeln in den Verkehr. Und überhaupt, es gibt ja berühmte Highways, wie die Route 66 oder auch die Panamericana, die von Nord- nach Südamerika führt, unterbrochen nur von einem unpassierbaren Landstrich, der Darién Gap genannt wird. Was soll ich sagen, der Name Siddhartha Highway löst in mir eine Vielzahl an Assoziationen aus, doch, nun ja, wie soll ich es formulieren . . . Highway? Siddhartha war ja nun der bürgerliche Name des Herrn Buddha und daher hatte ich etwas Erleuchtetes erwartet, etwas Erhabenes, doch vielleicht habe ich mich einfach täuschen lassen. Der "Highway" beginnt, wie bereits erwähnt, in Lumbini und daher der Name Siddhartha-Highway, also, habe ich mal so leichtfertig eine hohe Erwartungshaltung. Nach den ersten Kilometern, die sehr an den Darién Gap erinnern, bin ich mir jedoch sicher, dass man allein nur durch den Glauben an Buddha, den Highway übersteht . . .



Die Wolken liegen wieder tief im Tal, als heute morgen über Tansen die Sonne aufgeht. Unser Guesthouse steht am oberen Stadtrand, sodass wir von der Dachterrasse, wie auch von unserem Zimmer aus, einen umwerfenden Blick in das Palpatal haben. Die Berge, die Tansen gegenüberliegen, sind schon um die 2000 Meter hoch. Und diese Luft, wirklich, ich bin völlig geflasht von dieser frischen, klaren und auch würzigen Luft. Wenn ich daran denke, wie rußgeschwärzt unsere Jacken sind, möchte ich gar nicht um unseren Passivraucherstatus



wissen, den wir uns auf den Straßen Südostasiens und Indiens redlich erarbeitet haben. Aber hier kann man zum Sauerstoffjunkie werden. Ich lasse nachts das Fenster auf, trotz des Absinkens der Temperatur auf 10 Grad, und bin völlig trunken von der Kühle und Frische, die mir da beim Einschlafen um die Nase weht. Wir haben eigentlich nur durch Zufall in Tansen einen Stop gemacht. Von Bhairahawa nach Pokhara sind es gut 200 Kilometer. Da wir ja nun keinen Zeitdruck mehr haben, schlonzen wir ein wenig herum. Auf der Hälfte der Strecke gibt es keine größere Stadt mehr und da ist unsere Wahl auf Tansen gefallen, auch, wenn es nur



63 Kilometer von Bhairahawa entfernt liegt. Aber Tansen ist eine Überraschung für uns. Die Stadt liegt an einen lang gezogenen, steilen Berghang geflanscht, ein bißchen so, wie die niedlichen Städte an der Amalfiküste. Mit einem Gewirr von kleinen Straßen, engen, steilen Gassen, verwinkelten Treppenstufen und windschiefen Altbauten, präsentiert sich uns Tansen, wie ein unerschlossenes Touristenkleinod. Natürlich ist das Navi im Angesicht dieser steilen



Sträßchen überfordert und wir irren ein wenig durch dieses Labyrinth, bevor wir unser Guesthouse finden. Trotz der Enge der Gassen, brettern hier natürlich alle Fahrzeuge, mit ordentlich Gas, die steilen Steigungen empor, koste es, was es wolle. Tansen liegt auf 1360 Metern, auf dem Kamm des Mahabharat-Gebirges oder auch des "Kleinen Himalayas", mit Blick auf das Tal des Kaligandaki-Flusses im Norden. Für nepalesische Verhältnisse ist Tansen, mit seinen gut 30.000 Einwohnern, eine größere Stadt. Schon bei unserer "Einfahrt" in die Stadt, fallen die vielen gepflegten Altbauten auf und darüber hinaus, ist das saubere und auch ziemlich gepflegte Stadtbild, Balsam für unsere strapazierten "Indiensinne".



Früher, also mal ganz früher, war Tansen, was übersetzt "Nördliche Siedlung" heißt, eine Königsstadt. Die Jungs hatten zwischendurch, glaube mich zu erinnern, dass das im 16. Jahrhundert war, sogar so viel Schneid, fast Kathmandu erobert zu haben. Doch auch diese Periode verging und irgendwann war Tansen "nur" noch eine Marktstadt, wenn auch mit königlicher Vergangenheit. Unsere Rundgänge genießen wir richtiggehend. Hier ist man schon neugierig auf uns, doch die Menschen lassen uns auch Luft, die schöne Innenstadt zu genießen. Selfieorgien finden gar nicht statt. Scheint hier auch nicht so Usus zu sein, wie bspw. in Indien.



Die Menschen hier sehen völlig unterschiedlich aus, also, so in ethnischer Hinsicht. Der eine Teil der Bevölkerung hat einen unverkennbar indischen Einschlag und der andere Teil, tendiert eher zu chinesischen Gesichtszügen. Allen ist gemein, dass sie humorvoll grinsen, wenn ich mir bspw. mit meiner untersetzten Mammutstatur, wieder einmal den Kopf an einem niedrigen Türsturz angeschlagen habe. Hier herrscht viel Humor und alle freuen sich über Kontakt. Wenn ich einen alten Laden fotografieren möchte, frage ich und oftmals grinst der Besitzer, eilt ins diffuse Innere und kommt mit seinem Dhaka topi auf dem Kopf zurück. Das Dhaka topi ist so ein



offizielles nepalesisches Kleidungsstück, für den würdigen Herrn von Welt. Eigentlich wird es nur bei offiziellen Anlässen getragen, doch das glaube ich nicht, denn hier trägt jeder zweite bis dritte Kerl so ein Mützchen und das beim Mopedfahren, Teetrinken oder auch Rumlungern. Nun gut, wir waren ja noch nie hier, daher sind uns die offiziellen Gepflogenheiten im nepalesischen Alltag noch fremd. Zum Abschied haben wir heute ein Dhaka topi von unseren Gastgebern überreicht bekommen. Steht mir, wie ich finde. Der würdigen nepalesischen Blick, muss ich



noch üben, doch das bekomme ich hin! Neben der ganzen alltäglichen Folklore, gibt es natürlich in Tansen auch noch harte Geschichtsfakten. Dazu gehört ein sehr schöner kleiner Tempel, der Amar Narayan Tempel heißt. Der Komplex ist ein klassischer, dreistufiger Holztempel im Pagodenstil. Der Tempel wurde 1807 von Amar Singh Thapa, dem ersten Gouverneur von Tansen, erbaut und gilt als einer der schönsten Tempel außerhalb des Kathmandu-Tals, was






wir aber sowas von unterstreichen wollen! Leider ziehen weiterhin den ganzen Tag Wolken durch Tansen, sodass der Himmel immer eher grau ist. Nicht das schönste Fotowetter, aber so ist es nun mal. Wir sind allein in der kleinen Anlage, die aber sehr, sehr anheimelnd ist. Die reichhaltigen Holzdetails entschädigen für das fahle Licht, so viel ist mal sicher. Von unserer Dachterrasse können wir sehen, dass des Abends regelmäßig Gläubige hierherkommen, um zu Ehren der Schutzgottheit Vishnu, Butterlampen anzuzünden.




Tansen hat uns sehr gefallen, nicht zuletzt auch deshalb, weil wir hier von den letzten anstrengenden Tagen in Indien durchatmen können. Unsere Gastgeber verabschieden uns so herzlich, dass wir sehr berührt sind. Die Bergziege wird gepackt und lassen sie langsam den steilen Abstieg meistern. Leider verirren wir uns erneut und das Navi lenkt uns auf eine sehr steile und schmale Piste, die zwischen engstehenden Häusern ins Tal führt. Umkehren ist unmöglich und ich hab echt Angst, dass die schwere Bergziege auf dem losen Obermaterial der Piste, unkontrolliert ins Rutschen gerät. Aber es geht gut und wir erreichen wohlbehalten den Siddhartha-Highway, der nach Pokhara führt.




Der Siddhartha-Highway ist eine kleine Straße, die in regelmäßigen Abständen nur noch aus Sand- oder Schotterabschnitten besteht. Erdrutsche sorgen manchmal auch für das Verschwinden einer ganzen Fahrspur und dann wird das Fahren in den LKW-Staubwolken zum perversen Roulettespiel. Vielleicht übersieht man ein Schlagloch im Staubnebel, ein entgegen- kommendes Fahrzeug oder auch einen Straßenabbruch ins Tal . . . . Als wir vorgestern auf dem Siddhartha-Highway starten, wird die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit mit 40 km/h angegeben. Lächerlich, denke ich mir. Doch heute werde ich eines Besseren belehrt. Wann



immer ich heute auf den Tacho schaue und sehe, dass die Tachonadel bei 40-50km/h pendelt, erschrecke ich mich, weil ich so rase. Hier in Nepal halten sich alle ziemlich an die niedrigen Geschwindigkeitsvorgaben, selbst die wild bemalten LKWs fahren eher defensiv, was nach Indonesien und Indien eine ganz neue Erfahrung ist. Verzwickte Verkehrssituationen entstehen eigentlich nur, wenn sich zwei Straßenmoster in kleineren Ortschaften an engen Stellen treffen. Doch durch die defensive Haltung der Fahrer lösen sich diese Situationen recht schnell. Ob das eine Momentaufnahme ist, weiß ich nicht. Vielleicht bricht in Kathmandu das totale




Verkehrschaos über uns herein, wer weiß das schon! Unser Navi gibt die ungefähre Zeit, für die Strecke nach Pokhara, mit etwa 4-5 Stunden an. Für 120 Kilometer. Am Ende benötigen wir fast 6 Stunden, doch wir legen häufig mal Pausen ein, denn Berge und Täler sind sehr spektakulär. Trotz des bewölkten Himmels, der ein ziemlich unangenehmes Zwielicht erzeugt, sodass man nicht weiß, ob man eine Sonnenbrille zum Fahren braucht oder nicht. Morgens ist noch einiges los auf dem Highway, doch die Fahrzeugdichte nimmt stetig ab, sodass das Fahren, trotz des welligen Belags, den Sand- und Schotterabschnitten, den Schlaglöchern oder hochstehenden Betonplatten, ganz gut geht.



Im Grunde liegt Pokhara nur 57 Kilometer Luftlinie von Tansen entfernt, doch die Straße windet sich engkurvig entlang der mittleren Himalaya Gebirgsketten. Die Bergziege muss immer wieder runter in die steilen Täler und auch hinauf über die Grate der Berghänge. Die gesamte Region lebt von intensiver Landwirtschaft, die fast ausschließlich nur in Terrassenbauweise möglich ist. Darin wird nicht nur Reis angebaut, sondern alle Arten von Getreide und Gemüse. Zwischendurch kollidieren wir fast mit einem Geier, einem richtiger Geier, der im Landeanflug auf einen Baum am Straßenrand, wild mit seinen mächtigen Flügeln schlägt. Leider konnten wir nicht halten, denn da nahte schon einer dieser verrosteten Überlandbusse, mit seiner



trompetengleichen Hupe. Von der höher liegenden Straße aus, bietet sich uns ein unvergesslicher Blick in die Weite. In diesem Teil der Erde werden ganze Dörfer über Seil-Hängebrücken mit der straßentechnischen Lebensader des Siddhartha-Highways verbunden. Immer wieder tauchen diese Konstrukte zwischen engstehenden Bergrücken auf. Im Stillen hoffe ich, dass wir nicht über eine solche Brücke müssen. Ich erinnere mich noch zu gut an die Seilbrücke auf Java, die gegen Ende meiner Überfahrt ins Schwingen geriet und ich die Bergziege nur ganz schwer ruhig halten konnte. An einer Stelle unserer Route ist die Seilbrücke





jedoch nur ein touristisches Highlight, das einen sagenhaften Blick in das Flusstal ermöglicht. Nepal präsentiert sich uns in den vergangenen drei Tagen, als ziemlich abwechslungsreich und ungemein vielfältig. Schroffe, hohe Berge, grünes Farmland, türkise Flüsse, subtropische Bewaldungen, bunt gekleidete Menschen, mit den unterschiedlichsten Gesichtszügen. Wir sind sehr gespannt, wie es weitergeht. Bonne nuit folks!

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