09. Januar 2024 - Von Savannakhet nach Thakhek
KM 16218
Im Vergleich zu den liebevollen, wenn auch etwas vernachlässigten Kolonialbauten, wirkt das vietnamesische Konsulat wie ein postsowjetischer Endzeitbau, mit bläulich verglasten Protzscheiben. Trotz dieser einschüchternden Dimension, sind wir ja immer noch in Laos, in Savannkhet genauer gesagt und damit ist man sehr gechillt. Das Tor steht sperrangelweit offen, der laotische Polizist nickt mir gähnend zu und ich gehe einfach durchs Tor. Sicherheit wird hier groß geschrieben, keine Frage. Unterm Arm habe ich den Carnet des Passages und im Herzen den Vorsatz, mir nicht die Einreise nach Vietnam madig machen zu lassen. Am gestrigen Abend haben wir darüber nachgedacht, dass es wesentlich sinnvoller wäre, bereits jetzt nach Vietnam einzureisen, da wir dann viel einfacher Hue, die alte Kaiserstadt, und Hoi An besuchen können. Hoi An ist zwar inzwischen zu einem touristischen Disneyland mutiert, doch ich bin gewillt, in Anbetracht meiner romantischen Erinnerungen an diesen bezaubernden Ort, über meinen
Schatten zu springen und Anni die Chance zu geben, dieses herzige Städtchen zu besuchen. Geografisch wären wir dann mittig, bräuchten nur noch über den Wolkenpass, der Süd- und Nordvietnam „trennt“, also so wettertechnisch. Tropisch und Subtropisch. Über die Halbinsel Lang Co nordwärts, vorbei an Ninh Bin, die „trockene“ Ha Long Bay und weiter nach Hanoi, meine „alte“ Heimat. Von dort könnten wir durch die Berge nach Dien Bien Phu fahren, wo die Franzosen im zweiten Indochina-Krieg so richtig den Hintern versohlt bekommen haben und dann wieder nach Laos einreisen. Eigentlich ganz einfach, wir müssen nur noch klären, wie die Bergziege reinkommt.
Am Schalter Visa steht ein junger Mann, der mich auch sofort aufruft und nach meinem Begehr fragt - in hervorragendem Englisch. Unendlich freundlich weist er mich darauf hin, dass wir kein Visum mehr benötigen, sofern wir denn Germanese seien! „Are you Germanese?“ „Yes!“ „Very good - you got 45 days visit time, without a Visa!“ Am Schalter neben mir bekommt der Laote, der krampfhaft ein Visum für Vietnam möchte, große Augen. Offenkundig ist er des Englischen mächtig und ich winde mich innerlich ein wenig, ob der krassen Privilegien, die unser roter Reisepass mit sich bringt. Dann muss ich die Frage nach der Bergziege stellen. Da ist der Mann überfragt, bittet um einen Moment Geduld, da müsse er den Grenzposten anfragen. Greift zum Telefon und 10 Minuten später kommt ein Fax mit allen gesammelten Informationen. Die erfüllen wir alle - bis auf eine: die ministerielle Erlaubnis mit dem Fahrzeug einzureisen. Aha, so so, wo bekomme ich die? Bei einer staatlichen Reiseagentur. Diese Adresse sucht er mir sofort heraus und ich mache mir ein Foto davon. Ist natürlich alles auf Vietnamesisch, was auch sonst. Wirklich ein netter Bursche und zügig alle Fragen geklärt. Da wir nicht mit den
Vietnamesen der staatlichen Reiseagentur telefonieren können, kontaktiere ich Lim, unseren Agenten in Kambodscha, der Kontakte nach Vietnam hat. Dann das Ergebnis: Einmal keine Vietnam-Motorradreise, bitte! So, nu haben wir es amtlich: Man benötigt eine ministerielle Erlaubnis zum zeitweiligen Import eines Motorrades. Diese Erlaubnis wird aber nur erteilt, wenn man über einen staatliche zugelassenen Reiseagenten eine Gruppenreise nachweisen kann oder eine Eskorte, auf einer vorgegebene Reiseroute! Maybe not.
Beim Frühstück verwerfen wir also den Vietnamplan. Ehrlich gesagt, schmerzt mich das sehr, denn besonders Vietnam ist mir sehr ans Herz gewachsen und ich hätte Anni gerne so vieles gezeigt. Aber nun gut, in so einer 10 tägigen Gruppenreise, mit 5-8 Motorrädern von Handcraftmarket zu Handcraftmarket zu ötteln, ist so gar nicht meine Vorstellung einer ausgewogenen individuellen Vietnamreise. Nun gut, das war eigentlich absehbar, aber natürlich ist es einfach schade. In den vergangenen Monaten haben wir einfach festgestellt, dass das eigene Fahrzeug, auch wenn es hier und da an den Grenzen kompliziert ist, doch so viele Vorteile bietet, dass wir das in Vietnam eigentlich nicht missen wollen.
Aus Frust esse ich in einem französischen Bistro zwei Baguettes, dick bestrichen mit guter salziger Butter und Orangen-Ananasmarmelade. Das hilft ungemein. Damit konkretisieren sich auch unsere Laosstrukturen: Gemütlich nach Vientiane schippern, dort eine Air Freight Möglichkeit nach Indien suchen, Termin setzen und dann machen wir noch entspannt eine Hochlandtour nach Luang Prabang, so schön mit Zeit, bevor wir wieder nach Vientiane zurückfahren. Also gut, einmal kein Vietnam-Aufenthalt bitte!
Bis nach Thakhek sind es nur 120 Kilometer und faktisch haben wir ziemlich viel Zeit für diese Etappe. Doch die böse Überraschung kommt auf der Fernstraße. Wo auf dem Stück, Pakse nach Savannakhet, gähnende Leere herrschte, ist die Etappe, Savannakhet nach Thakhek, mit riesigen Lastwagen belegt. Der Belag ist ziemlich mies, die LKWs ballern förmlich über die unebene Piste, dass ihre hochaufgetürmte Ladung, das ganze Gefährt immer bedrohlich
schwanken läßt. Überholmanöver mutieren zu perversem Vergnügen, denn häufig ist die Straße mit trockenem „Staubpulver“ belegt, dass das, hinter dem LKW fahrende Fahrzeug beim Überholen nichts sehen kann oder selbst nicht zu sehen ist. Ist wirklich anstrengend. Die Landschaft ist monoton trocken, nur da, wo die Fernstraße in die Nähe des Mekong kommt,
erstrahlen die Reisfelder in tiefem Grün. Wir wundern uns ohnehin, warum man in Laos keine zweite Reisernte anstrebt. In Indonesien gibt es bis zu vier Ernten im Jahr und hier nur eine Ernte? Vielleicht liegt das an dem gemütlicheren Wesen des Laoten an sich - der geneigte Leser
erinnert sich an den Ausspruch unserer Reiseführers, so mit der sympathischen Schläfrigkeit. Oder aber der Wassermangel läßt das einfach nicht zu oder aber der Boden gibt nicht mehr her? Fragen über Fragen des Orients. Doch wir sind weiteren Verwirrungen ausgesetzt. Am Ortsausgang eines kleinen Dorfes stolpern wir über ein Schild, dass mehrere Interpretationen zuläßt: Vorsicht, Kühe benutzen den Zebrastreifen oder Vorsicht! Kühe, benutzt den Zebrastreifen! Wie gesagt Fragen über Fragen des Orients? Bonne nuit folks!
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