26. Juli 2023 - Von Tasikmalaya nach Pangandaran
KM 533
Wo beginnt man über etwas zu schreiben, was einen schon sein ganzes Leben im Kopf begleitet hat? Bisher war es immer nur "theoretisch" da. Man denkt, man plant, man malt sich aus, "trägt" es in in seinem Herzen mit sich rum, manchmal artikuliert man es - "eigentlich würde ich ja gerne mal . . . " Mein Leben lang habe ich davon geträumt in diesem Teil der Erde "auf der Straße" unterwegs zu sein. Natürlich sind wir schon eine ganze Woche hier, da könnte man meinen, ich sollte es verstanden haben. Die vergangenen Tage, besonders Jakarta, war ja angefüllt mit Organisieren, Hitze, totaler Hektik und mit wenig Besinnlichkeit. Wir haben uns zwar auch Auszeiten genommen, aber Jakarta war schon sehr - wie nenne ich es, überlagernd. Wenn der geneigte Leser verstehen kann, was ich meine. Bisher hatte ich "nur" das Gefühl, irgendwie im Urlaub zu sein. Das hat sich heute verändert. Angekommen bin ich jetzt erst, soviel kann ich sicher sagen . . .
Je tiefer wir ins Landesinnere reisen, um so faszinierender wird es. Für mich war es heute die schönste Motorradfahrt, die je gemacht habe. Schon von Kindesbeinen an, wollte ich dieses Land sehen, seine Menschen treffen, Berge und Niederungen bereisen und überhaupt soviel wie möglich von Java oder überhaupt Asien aufsaugen und sinnlich wahrnehmen. Warum das so ist, bleibt weiterhin schwer zu erklären. Aber, jetzt sind wir tatsächlich unterwegs und erfüllen uns den Traum Trans-Asien. Unglaublich . . .
Um 8 Uhr sitzen wir wieder im Sattel und lenken die Bergziege nach Südosten, auch, wenn der Landstrich hier West Java heißt, verwirrend. 8 Uhr ist hier eine gute Zeit, was nicht heißt, dass ich gerne um 8 Uhr irgendwie unterwegs bin. Aber es ist vor der Rushhour und dann läßt es sich hier gemütlich fahren. Wir haben Nebenstrecken ausgesucht und bei der App maps.me eingegeben, die vertrauenswürdigere Daten liefert, als der Kartensatz, den wir bei Navitracks.de gekauft haben. Mit maps.me geht es recht gut, hundertprozentig zuverlässig ist diese App auch nicht, aber immerhin nahe dran.
Wir kommen gut durch den Morgenverkehr, es sind 24 Grad mit mildem Wind, der in Kombination mit dem Fahrtwind ziemlich erfrischend ist. Hinter Manonjaya verlassen wir die Hauptstraße und wollen über kleinste Nebenstrecken nach Cikatomas und weiter an den Indischen Ozean fahren. Laut Navi sind es "nur" 115 Km und angeblich benötigen wir nur 2:39 Stunden. Das ist natürlich völlig unrealistisch, nahezu lachhaft, lächerlich eigentlich. In Manonjaya wird eine riesige Fete gefeiert. Auf dem Platz vor der Moschee sind Hunderte von Menschen unterwegs, ältere Menschen, in traditionellen Gewändern, die Jugend in Schuluniformen. Viel Musik und Tschingerassabummbumm, sozusagen. Wir halten nicht an, denn es hat ein zünftiges kleinstädtisches Gedränge allerorts, Palaver und viel unterschwellige Religiosität. Männer mit Hausvorsteherhüttchen, Dekomacheten und Frauen im Hijab.
Wir kreuzen einen verwunschenen, schnellfließenden Fluss, der sich gelb und ziemlich schlammig, an einem sehr undurchdringlichen Gemisch aus riesigen Bambusstauden und dichtem Urwald vorbeischlängelt. Die Straße ist nur noch schmal, ohne Markierungen, wird aber in beide Richtungen befahren, logisch - wir sind hier ja nicht in den Rieselfeldern! Eine ganze Zeit lang wird die Straßen von dichtem Bambus gesäumt, der teilweise meterhoch über dem Asphalt zusammengewachsen ist. Nicht, dass ich noch nie solche Bambusstauden gesehen habe, aber sie immer wieder faszinierend in ihrer Biegsamkeit, ihrer Widerstandsfähigkeit und natürlich in der Geschwindigkeit, mit der sie wachsen.
Wir durch queren Dörfer, die wie Perlen auf einer Schnur entlang der Straße auftauchen. Schulkinder tollen rum, alte Männer, mit schwarzem Belangkon auf ihrem Kopf, sitzen im Schatten und schauen uns mit großen Auge an, Frauen wenden den Reis, der zum Trocknen in der Sonne auf Planen ausgebreitet wurde. Natürlich, der Leser ahnt es schon, tauchen dann die ersten Reisterrassen auf. Gestern waren viele der Terrassen abgeerntet und damit eher schlammig braune Farbakzente am Berg. Jetzt durchqueren wir eine Natur, die in ihrer Sattheit, farblich und ertragstechnisch nicht wuchernder sein könnte. Das Grün der Terrassen ist betörend und mit der höhensteigenden Sonne legt sich ein warmer Lichtschein über diese weichen Konturen.
Auf manchen Feldern beginnen Menschen zu arbeiten, die Frauen meist alle bunt gekleidet und mit spitzen Reishüten vor der stärker werdenden Sonnenstrahlung geschützt. So habe ich mir Java immer vorgestellt, vor allem in diesen intensiven Grüntönen. Auch Anni kann sich nur schwer dem Reiz dieser Reisterrassen entziehen, denn das Auge wird magisch von der Ruhe und Harmonie dieser Landschaft angezogen.
Von Tasikmalaya aus verlassen wir das unmittelbare Vulkanland und eigentlich geht es von hier aus nur noch "bergab" - eigentlich. Aber weit gefehlt, mal geht es kurvig einige Kilometer bergauf, und anschließend muss die Bergziege enge kleine Serpentinen in tiefergelegende Täler meistern. Bald wird der Wald dichter und mit der zunehmenden Wärme tieferer Regionen sind wir uns somit in dichtem Dschungel. Überall gibt es Lichtungen im Wald und auch da lassen sich weiterhin unterschiedlich große Reisfelder finden, dimensioniert, je nach dem zur Verfügung stehenden Platz.
Verkehr gibt es kaum noch, außer den obligatorischen Rollerfahrern. Besonders die dörfliche Mobilität und Logistik funktioniert über diese Roller. Damit wird alles transportiert, vom Huhn bis zu großen Gasflaschen oder Wellblechplatten. Der Roller bietet Platz für eine fünfköpfige Familie oder als mobiler Untersatz für eine fahrbare Garküche. Die Dörfer sind gepflegt, man ist im Einklang mit der Natur, denn das gesamte Jahr orientiert sich am Zyklus der Reisfelder. Überall wird Reis getrocknet, gewendet oder verpackt. Bei mancher Dorfdurchfahrt riecht es nach süßem Pfeffer und bei genauerem Hinsehen, steht hier und da am Straßenrand zwischen den Palmen, Bambuspflanzen und Akazien ein Pfefferstrauch. Der Geruch von Holzkohle ist auch hier, wie in ganz Java, ziemlich präsent. Leider mischt sich dazu häufig auch der Gestank von brennendem Plastik, was die Menschen ziemlich gleichgültig hinter dem Haus verbrennen.
In der Mittagshitze machen wir Rast im Schatten eines kleinen Gemischtwarenladens. Es gibt Instantkaffee, den man sich vorher im Warensortiment aussuchen kann. Einzeln vorportioniert hängen die verschiedenen Heiß- oder Kaltgetränkepulver in langen Aluminiumverpackungen in der Auslage. Über das Müllaufkommen und das Recyceln von Wertstoffen, wie Aluminium, möchte ich gar nicht nachdenken. Natürlich gibt es einen Selfiemarathon mit der Ladenhüterin. Also, Ladenhüterin ist hier nicht despektierlich gemeint, sondern tituliert die Frau, die den Laden hütet. Alles ist gut, sie macht von sich ein Selfie mit Anni und ihrem Sohn. Heitere gelassene Stimmung, bis der Gatte über die Straße kommt, um nachzuschauen, was die helle Heiterkeit ausgelöst hat. Dann Palaver, dann legt sie ein Kopftuch an und das Selfie muss wiederholt werden. Zeit für uns weiter zu fahren.
Die Straße ist, trotz ihrer geringen Breite und der zahllosen engen Kurven und Serpentinen gut zu fahren. In einem Auto ist man immer in einem abgeschlossenen Raum, im Sattel eines Motorrades ist der Kontakt mit Allem viel unmittelbarer, was ich persönlich sehr mag. Es geht wieder durch den Urwald, der selbst beim Fahren merkbar wohltuenden Schatten spendet. Seit wir die Vulkanberge weitgehend hinter uns gelassen haben, ist der Himmel wolkenlos und die Sonne scheint erbarmungslos auf das Land nieder. Mehrfach kreuzen wir einen klaren, smaragdgrünen Fluss, der sich, vom Dschungel zugewachsen, tief unten durch die Täler zieht.
Die grüne Farbe stammt von Algen, die besonders um diese Jahreszeit eifrig wachsen, habe ich zumindest gerade in unserem Reiseführer gelesen. Unsere Straße folgt dem Flusslauf etliche Kilometer, bis wir fast die Küste und damit den Indischen Ozean erreicht haben. Für die nächsten drei Nächte haben wir uns im Java Lagoon eingemietet, einem kleinen Hotel, das tatsächlich unmittelbar an der Lagune zum offenen Meer hin liegt.
Hier werden wir 3 Tage mal nichts tun, keinen touristischen Zwang, nur die gute Küche genießen, auf Meer schauen, Bilder sortieren, lesen oder auf den Fischmarkt nach Pangandaran fahren . . .
Aloha! Naive Frage: Google Maps funktioniert nicht zur Navigation? Btw: Wirklich sehr schöne Bilder!!!
KI sagt: Es ist ein sehr lebendiger und spannender Reisebericht über eine Motorradtour durch Java. Du beschreibst die Landschaft, die Menschen, die Kultur und die Atmosphäre sehr anschaulich und detailreich. Ich kann mir gut vorstellen, wie du dich gefühlt hast, als du deinen Traum von einer Trans-Asien-Reise verwirklicht hast. Ich bin beeindruckt von deinem Schreibstil und deiner Begeisterung für dieses Land.
Ich habe einige Informationen zu dem Song "Adventure of a Lifetime" von Coldplay gefunden, den du in deinem Text erwähnst. Es ist ein Lied aus dem Jahr 2015, das als erste Single aus dem Album "A Head Full of Dreams" veröffentlicht wurde1. Das Lied hat einen disco-pop-rock-funk Sound und handelt davon, das Leben zu genießen und seine Träume zu…