09. März 2024 Von Orchha nach Khajuraho
KM 20.040
Dann springt der Tacho der Bergziege auf 82.000 Kilometer um, womit wir seit vergangenem Jahr, 20.000 Kilometer auf unserer Trans-Asien Reise gefahren sind. Wir halten auf dem Seitenstreifen der Schnellstraße nach Khajuraho, um den Moment gebührend zu feiern. Bei Kilometerstand 62.000 sind wir vor dem Münsteraner Rathaus aufgebrochen . . .
Unglaublich, was wir seit diesem Tage alles erlebt haben. 20.000 Kilometer durch die Vulkanregion Javas, über die Dschungelpfade Sumatras, Inseln und alte Regenwälder Malaysias, die einsamen Bergregionen Nordthailands, Tempelstädte in Kambodscha, entlang des Mekongs durch Laos, über Indiens Wüstenstaat Rajasthan nach . . . wo auch immer.
Irgendwie kommt mir diese Zahl ziemlich surreal vor, denn eigentlich fühlt es sich immer noch an, als wären wir gerade losgefahren und nicht schon vor fast 9 Monaten. Da stehen wir nun am Straßenrand einer hervorragend betonierten Straßen, so völlig unabenteuerlich und genehmigen uns einen kurzen Moment, um zu rekapitulieren. Das geht allerdings nur in Indien, daheim, hätten wir schon ein Chaos provoziert.
Der morgendliche Sonnenaufgang zählt zu den Schönsten und auch Eindrucksvollsten, die ich je gesehen habe, so viel ist mal sicher. Bewaffnet mit Kaffee und Tee bestaunen wir einen blutroten Sonnenaufgang, der seinesgleichen sucht. Auch wenn das Schauspiel nur wenige Minuten dauert, ist dieser ergreifende Moment doch ein beseelender Einstieg in den Morgen. Wir machen uns heute auf, nach Khajuraho. Ein kleines 20.000 Seelen Nest in der Tiefebene zwischen Agra und Varanasi. Ich war vor 15 Jahren schon einmal dort. Es gibt dort alte Steine, ich weiß, ich weiß, was auch sonst. Doch, zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, es sind sehr alte Steine. Vielleicht nicht so alt wie die Ebene der Tonkrüge in Laos, doch schon mal älter als Angkor Wat! Da unser Jagdschlösschen, trotz toller Zimmer, grandioser Sonnenaufgänge, leider nur über ein schlechtes und dabei noch überbezahltes Restaurant verfügt, werden wir vor der Abreise in Orchha frühstücken. Dort haben wir durch Zufall ein Restaurant gefunden, direkt an der Brücke zum Palast, das offenkundig die einzige Siebträgermaschine in ganz Orchha ihr Eigen nennt. Wirklich, Zufall! Um kurz vor 8 ist die Bergziege gepackt, der Concierge hat noch
zwei Blumengestecke für die Bergziege vorbereitet, so Vaya con dios-mäßig und wir fahren ins "Zentrum" von Orchha. Die Kaffeebude hat noch geschlossen oder vielmehr ist man noch am Wischen. Daher regulieren wir erst einmal den Luftdruck. Beim letzten Check von Öl, Bremsflüssigkeiten, etc. ist uns aufgefallen, dass der Hinterreifen so seltsame kleine Längsrisse hat. Das hat uns etwas besorgt, worauf wir uns mit dem Hersteller, der Firma Heidenau, in Verbindung gesetzt haben. Dankenswerterweise haben wir auch zeitnah eine Antwort bekommen. Wenn auch ungewöhnlich, so jedoch nicht besorgniserregend. Der Reifen hat erst 7,500 Kilometer runter und normalerweise fahre ich den "Scout" mindestens 15.000 bis 18.000 Kilometer. Aber der Luftdruck war von BMW nicht korrekt angegeben und so reduzieren wir den Luftdruck hinten auf die Werksvorgaben mit Copilot und Gepäck, auf 2,9 Bar. Als wir fertig sind
mit unserer Akkubetriebenen Luftpumpe - ich danke immer noch für die Eingebung dieses Teil für 39€ bei Aldi gekauft zu haben - und aufschauen, steht da eine ganze Ansammlung von beeindruckt dreiblickenden Männern. Alle fachsimpeln rum und sind schwer angetan von unserer USB-recharchable cycle pump. Heute hätte ich bestimmt 50 Stück davon an den Mann bringen können. Das angenehme in Orchha ist, dass die Menschen nicht distanzlos sind. Sie sind neugierig und nett interessiert, drängen sich aber nicht unkontrolliert auf. Da die Kaffeebude nun geöffnet hat, lassen wir die Meute weiter um die Bergziege stehen und fachsimpeln, während wir bereits Frühstück bestellen. Vor dem Restaurant steht ein kleines,
mobiles Chaiaufbrühwägelchen. Auf einem Gasherd dampft der frische und sehr würzig duftende Chai in einer massiven Messingschale. Ein Angestellter des Restaurants ist unermüdlich mit dem Umrühren der milchigen Teeflüssigkeit beschäftigt, dass das Wägelchen schwer in Dampf gehüllt ist. Ohne Messingtopf, geht das nicht, so erklärt mir der amtliche Chaiaufbrüher stolz und klopft dabei wissend mit der Kelle gegen das massive Messing. Im Gegenlicht verbreitet dieser dampfende Teepott eine derartig orientalische Stimmung, dass ich mich nicht zurückhalten kann und zücke meine Kamera. Er gebietet mir Einhalt, befeuchtet zunächst seine Finger mit Spucke, streicht den Bart glatt, positioniert sich für das Foto und rührt dann wie ein Berserker in der milchigen Brühe herum, als gelte es Tee für die berittenen Horden des Maharadjas zu mischen.
Schweren Herzens verlassen wir Orchha, einen so liebenswürdigen Ort, den wir richtig ins Herz geschlossen haben. Irgendwie ist hier alles eine Stufe gepflegter, als in anderen Teilen Indiens. Die Häuserfronten sind meist sauber bemalt, die Seitenstreifen sind kaum vermüllt, es wird
gelächelt und viel kommuniziert. Als wir vorbei fahren, winken Frauen, Kinder und Alte, die im Schatten vor den Häusern den Tag begrüßen. Wir müssen ein paar Kilometer zurück zur
Hauptstraße nach Khajuraho. Vor 15 Jahren wußte niemand, wer oder was oder wo Khajuraho überhaupt ist. Es gab natürlich auch keine Schnellstraße oder gar eine Beschilderung. In Anbetracht dieser, sagen wir einmal vorsichtig, rasanten infrastrukturellen Entwicklung, bin ich gespannt, was uns in Khajuraho erwartet. Bonne nuit folks!
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