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AutorenbildIngo

Jacke wie Hose . . .

Aktualisiert: 10. Dez. 2022

Nun, es gibt - gefühlte 2 Millionen - verschiedene Motorradjacken. Natürlich sind alle, wie sagt man heute doch so schön neumodisch - mit diversen Features - technisch bis an die Zähne bewaffnet. Aber welche Jacke kann einen Menschen ein Jahr lang begleiten, sodass man immer zur Queen zum Tee erscheinen kann, wenn die Situation es erfordert? In unzähligen Gesprächen, bei unzähligen Kaffees kamen wir immer zu unzähligen Lösungen, die meist einen royalen Tee zuließen! Was soll ich sagen? Fragen über Fragen! Letztendlich würde nur eine Kombination aus allen Anforderungen uns glücklich machen. Kurz gesagt, hat man die staubigen Pisten elender Wüstenei überwunden, die Monnsooregenfluten überlebt und dem ewigen Eis hoher Berge trotzt, muss man anschließend im historistischen Operngebäude von Saigon ja richtig angezogen sein. Hm, nun ja, also muss eine bekleidungstechnische Kombination aller Anforderungen und ein tapferes Schneiderlein her. Jacke wie Hose sozusagen . . .

Einer der üblichen, knallbunten Rallyeanzüge schließt nun mal formal-gesellschaftliche Anlässe aus. Hippe Fashionformate passen aber einfach nicht zu den Unwidrigkeiten von asphaltlosen Bergpisten und heimeligen Campingszenarien auf verlassenen Hochebenen. Also machen wir es wie der geneigte englische Entdecker, wir kaufen preisgünstig eine alte, gebrauchte Jacke und nehmen kleine, aber feine, Veränderungen vor. Anni fand nach kurzer, wenn nicht sogar der kürzesten Internetrecherche aller Zeiten, eine gebrauchte weinrote Wachsjacke, das Modell Trailmaster der Marke Belstaff. Vorteil war, dass die Jacke bereits aussah, als wäre sie schon mindestens zwei mal um die Welt gereist. Schließlich sind wir ja keine Anfänger, natürlich nicht. Der sagenhaften Preis von 65 Euro schmerzt mich, da ich wusste, dass dergleiche Herrenmodelle niemals für diesen lächerlichen Preis erwerbbar sind. In der lieblichen Farbe Schwarz gibt es selbstredend hunderte von Angeboten in Netz, keine Frage, dennoch brauche ich Bleichgesicht ein kakhifarbendes Modell. Der geneigte Asienreisende ist sich der unfassbaren Hitze dieses Erdteils bewusst und eine schwarze Wachsjacke zieht nun mal die Sonnenstrahlen magisch an! Da alte englische Wachsjacken nicht über neueste Cool-Black-Technology verfügen, ist eine hellere Version, so wegen der Hitzebildung in wärmeren Gefilden von Nöten. Fündig wurde ich Monate später in Mailand, jawohl Mailand, die Stadt der Mode und Moderne. Dort lag genau das Modell, in meiner Größe und meiner Farbe bereit. Für schlappe 199 Euro! Was soll ich sagen? Jetzt hier bitte keinen bissigen Antifashion-Kommentar!

Die Jacken wurden also im folgenden Frühsommer probegefahren und im Hinblick auf eine reisetechnische Veredelung für gut befunden. Das tapfere Schneiderlein fanden wir in Witten. In einem unscheinbaren Studio arbeitet dort eine ehemalige BMW-Schneiderin, der wir in einem langen Konsultationsgespräch alle unsere Wünsche und Ideen unterbreiteten. Die größte Anforderung ist natürlich die Sicherheit von Leib und Leben. Also müssen irgendwo die ganzen Protektoren hin, die den Oberkörper schützen. Gleichzeitig möchten wir aber auch nicht die ganze Zeit wie eine Beutelratte mit Catcherschultern unterwegs sein, denn Ziel ist es ja nicht 365 Tage nur Motorrad zu fahren, sondern auch einfach eine Jacke für den Alltag zu haben. Das Problem haben wir durch eine federleichte Protektorenweste der Fa. Axcoc aus Österreich gelöst. Damit hatten wir Protektion und auch die Frage nach der Alltagsjacke geklärt. Zusätzlich musste ja nun auch Regenschutz und kälteabweisender Komfort her. Die Jacken sind leicht eingwachst und bieten einem normalen Regenguss die Stirn, nur bei Kälte ist mit der Komfortzone irgendwann Schluss.

Die wenigsten Motorradjacken sind wirklich wasserdicht und wenn, sind sie elendig schwer. Also werden wir jeder eine zusätzliche Regenjacke mitnehmen, auch wenn mein Gehirn parallel immer die Grammzahlen mitaddiert. Gewichtsfragen sind bei Motorradreisen immer ein Thema ... Für die Kältefrage fanden wir, sehr klein komprimierbare Hybridjacken der Marke Peak Performance. Mit daunenverstärkten Brust-, Unterarm- und Rückenbereichen ist das die ideale Isolierschicht, die wir benötigen, wenn wir in die höheren Himalayabereiche vordringen. Leider sind die Jacken sehr anfällig gegen raue Oberflächen, dass ich nach kürzester Zeit schon Aufnäher produzieren musste, um die Löcher unauffällig zu kaschieren . . .

Da Naß und Kalt geklärt war, machten wir uns an das eigentliche Jackensystem, dass unauffällig in den englischen Joppen integriert werden sollte. Für die sehr warmen Regionen Asiens wird ein Air-Flow-System „eingebaut“: Ärmel und Rücken werden geschlitzt, ein wasserdichter - natürlich frablich abgestimmer - Reisverschluß (den wir nach langem Suchen als Meterware irgendwo in Frankreich aufgetan haben) wird mit Meschgewebe vernäht, auf das der Fahrtwind in der Jacke zirkulieren möge. An jeden Ärmelaufschlag kommt eine Schlüsseltasche und eine versteckte Innentasche für Pässe, Kreditkarten o.ä.. Natürlich musste ich meinem kreativen Wahn wieder mal freien Lauf lassen und hab etliche Aufnäher gestaltet, die die Fa. Shirt Cut in Münster auch perfekt produziert hat.

Der ein oder andere Mitmensch schaut mich meist etwas befremdlich an, wenn ich von diesem ganzen Schnickschnack erzähle. Verständlich. Aber 5 Jahre sind eine lange Wartezeit, die sinnvoll mit allerlei Unsinn gefüllt werden will. Außerdem sage ich immer, wenn ich schon die Chance habe passende Socken zur Garderobe zu wählen, warum nicht!


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