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AutorenbildIngo

Der Carnet de Passages en Douane . . .

Aktualisiert: 23. Juni 2023

Formulare, Formulare von der Wiege bis zur Bahre, oder wie heißt diese beamtentechnische Lebensweisheit? Was entgegnet hier der gesunde Menschenverstand, Alles könnte so einfach sein! Reisevorbereitungen bringen jedoch die wunderlichsten Dinge zum Vorschein . . .

Neben allen anderen Formalitäten müssen wir noch ein offizielles Zolldokument für die Bergziege haben, jawohl. Hier kann nicht jeder machen, was er will!!! So einen Wisch brauchte ich schon mal bei meinem kleinen Motorrad-Sahara-Abenteuer 1991. In meiner Erinnerung war das alles ganz schnell erledigt: Zum ADAC, zwei Seiten Papier ausfüllen, Bankvollmacht vorlegen, Bearbeitungsgebühr entrichten, 30 Minuten Termindauer, inklusive Bearbeitung, fertig und on the road . . .

Ha, zu welchen irrigen Annahmen mich doch unser viel gepriesenes digitales Zeitalter verleitet! Also, der überaus nette Mitarbeiter unserer örtlichen ADAC-Filiale bedachte mich mit einem Blick, den man in Trauerfachkreisen eher unter kondolierend verbucht, als ich selbstsicher, etwas im Terminstress, mal eben den Carnet de Passages erledigen wollte. Das großzügig hornbebrillte Gesicht teilte mir bekümmert mit, das sei jetzt eben nur noch zentral in der Münchener Grenzverkehr-Filiale möglich! Aha, so so. Aber er könne mir die Formulare per Email schicken. Es lebe das digitale Zeitalter, und zack war der Antrag da. Also in meiner euphorisch-spritzigen Art, dachte ich mir, schnell gemacht . . . 14 Seiten Formulare, Anmeldungen, Zollverordnungen, nicht zu vergessen der ADAC-Gebürenkatalog, der Vordruck für die Bankbürgschaft, und, und, und. Also direkt meinen Bankberater angerufen und ihm mein Begehr erklärt, was er mit einem, „Das habe ich noch nie gehört“ quittierte. Was letztendlich auch egal sei, erklärte er mir, denn die Bank würde keine Bürgschaften mehr ausstellen! Uff, das eben mal den Carnet de Passages en Douane (so heißt das Ding offiziell, wie mir der nette ADAC-Mitarbeiter erklärt hatte) beantragen und diese Formalität abhaken ist nicht drin. Also einen Spontantermin bei der Bank gemacht und direkt dorthin gerast. Die Datei hatte ich dem Bänker sofort weitergeleitet, aufdass er sich bitte mal in die Materie einarbeiten möchte . . . Aber mir schwante schon, dass es wohl ziemlich kompliziert werden würde.

Um das lange Gespräch mit dem Kollegen der Bank zu verkürzen: Es gibt keine Bankbürgschaften mehr für diese Fälle, außerdem wären die ADAC-Gebühren schon sehr saftig, ich solle doch mal mit der IHK sprechen, die auch Carnets ausstellen würden, vielleicht sei das kostengünstiger. Er hätte mal die Telefonnummer der zuständigen Sachbearbeiterin herausgesucht … Oh, wie nett - Service. Die zuständige Carnet-Dame der IHK war sehr hilfsbereit und fragte welche Maschine ich den wohin verschiffen wolle und zu welcher Messe es denn gehen sollte. Äh, wie jetzt? Welche Maschine? Welche Messe? Nein, nein, den Carnet brauche ich für eine BMW, so zum zollfreien Überqueren verschiedenster internationaler Landesgrenzen … Aha, so die Dame, das machen wir nicht! Wie jetzt? Nein, wenn ich bspw gedächte einen Mähdrescher, eine Dampfwalze oder irgendein sonst wie geartetes Ausstellungsobjekt auf einer Landwirtschaftsmesse in Französisch-Guyana vorzuführen, dann wäre ich bei Ihr an der richtigen Adresse. Aber ein schnödes Motorrad zu zertifizieren, so ohne ökonomische Zielsetzung einfach von A nach B zu verfahren, das falle nicht in ihre Zuständigkeit. Aha, also wieder zurück zum ADAC.

Der Akademiker als solcher tut sich ja ohnehin schon schwer mit dem korrekten Lesen von amtlichen Dokumenten, besonders schwer tut sich aber der Gestaltungslehrer mit Zolldokumenten! Tatsache. Nach dem mehrfachen Lesen der 14 Antragsseiten (das einmalige Lesen reichte meinem, auf Ästhetik ausgerichteten, Gehirn einfach nicht!) stellte sich nun heraus, dass wir einen Carnet de Passages en Douane der Klasse 1 benötigen. Der ist überall gültig, außer im Sudan, Äthiopien, Ägypten und noch ein, zwei romantischen Reisezielen, die wir eh nicht anfahren werden. Natürlich ist ein Carnet der Klasse 1 auch gleich der preisintensivste, war klar! Also neben etlichen persönlichen Angaben und der Fahrzeugnummer benötigen die Jungs in München auch noch die Motornummer! Welcher Mopedpilot weiß schon, wo die Motornummer an seiner Adventure ist. Musste ich erst einmal googeln, genauso, wie den ungefähren Verkaufswert der Karre! So, so… und da die Bergziege auf dem bundesdeutschen Gebrauchtwagenmarkt noch etwa 10000€ bringen könnte, sind wir nach der Gebührentabelle des ADAC verpflichtet, 5000€ Sicherheitseinlage zinsfrei (!) beim ADAC zu hinterlegen. Die werden nun fällig, wenn wir - so mir nichts dir nichts - beschließen, auf dem Bangkoker Nachmarkt einen Stand für gebrauchte Motorräder der Marke BMW zu eröffnen und heftig feilschend die Bergziege mit 100% Gewinn an einen dubiosen Goldhändler aus Chiang Mai veräußern. Da wir in diesem Fall die Karre natürlich finster ohne entrichteten Einfuhrzoll verbimmelt hätten, würden dem thailändischen Schatzamt ja jede Menge Bahtscheinchen durch die Lappen gehen. Dann könnten sich die königlich-thailändische Schatzwächter an den ADAC wenden und der würde meine fällige Zolllasten ausgleichen. So die Theorie . . .

Außerdem gibt es noch die Einschränkung, dass der Carnet nur 28 Tage im Vorfeld ausgestellt werden kann/darf. Super, ich hatte gedacht, meiner noch nicht leeren, ja sogar noch recht umfangreichen, To-Do-Liste einen weiteren grünen Punkt hinzufügen zu können!!! Also, bei all dem Hin und Herr, tut ein Telefonat mit der Münchener ADAC-Grenzverkehrfiliale not. Aber letztendlich war alles schnell geklärt, man war entspannt und zudem konnte auch alles digital (!) erledigt werden. Ich bin gespannt, wie dieses internationale Zollheiligtum aussieht, dass ich am Ende der Reise nicht einmal behalten darf. Wenn die Bergziege wieder europäischen Boden befährt, benötige ich, neben dem Einfuhrstempel, auch eine ebenso amtliche Fahrzeugverbleibserklärung (ich liebe beamtentechnische Neologismen) des bundesdeutschen Zolls oder eines anderen europäischen Zollbeamten. Diese Fahrzeugsverbleibserklärung und den Carnet de Passage, inklusiver aller Einreise- und Ausreisezertifizierungen werden dann an den ADAC - Filiale Grenzverkehr - geschickt und wenn dann alle Stempel in Ordnung sind, bekommen wir unsere Sicherheitseinlage, unverzinst natürlich, zurückerstattet. Dieser bürokratische Formalakt kostet übrigens 350 Schleifen. Natürlich bin ich mir ziemlich sicher, dass jeder Grenzposten, bspw im laotischen Dschungel, genau weiß, wie das Ding abgestempelt werden muss.



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