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AutorenbildIngo

Das Land der Zuckerpalmen . . .

21. Dezember 2023 - Von Kampong Thom nach Phnom Penh

KM 14863


Bei strahlend blauem Himmel verlassen wir Kompong Thom. Das ist eine seltsame Stadt, zumindest fühlt sie sich seltsam für uns an. Kompong Thom ist relativ groß, also für kambodschanische Verhältnisse. Da sich der Tourismus aber nur auf die Ruinen aus der Angkor Periode konzentriert, genießt die Stadt, vermutlich lediglich internationalen Durchgangsstatus. Wir haben in einem exorbitanten 4 Sterne Hotel genächtigt, das, vom Restaurant über einen riesigen Pool, Palmen und tropische Vollholzausstattung verfügt. Wir mussten für diesen chinesischen Konferenzbunker ohnehin nicht aufkommen, das hat unsere Bookingprämie übernommen. Frühstück haben wir ausfallen lassen, da Fuchs-Anni gestern Abend aus dem



Augenwinkel eine Bäckerei wahrgenommen hat. Nach dem Auschecken, laufen wir die Pink bemalte Baguetteschmiede an, in der Hoffnung, mal ein gutes französisches Backerzeugnis zwischen die nudelmüde Knabberleiste zu bekommen. Mit einem "Körnerbaguette", Wurstbrötchen und etwas, was sich am Besten mit "Fischbrötchen" umschreiben läßt, im Gepäck, verlassen wir Kampong Thom über die unvermeidliche Landstraße Nr. 6. Im Vergleich zu Indonesien, Malaysia und Thailand sind die Menschen hier unfassbar zurückhaltend. Gerade zu der umwerfenden Freundlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft Thailands, ist man hier verhalten. Selbst in Siem Reap, was sicherlich den größten Touristendurchlass des ganzen Landes hat, ist man reserviert. In Kampong Thom werden wir jedoch außerdem noch wie sprichwörtliche Mondkälber angestarrt, denn hier kommen allenfalls Reisebusse durch. Die Mädels in der Bäckerei waren unfassbar überrascht, als wir vorfuhren und da keine der hoffnungsvollen jungen Bäckereifachverkäuferinnen nur ein Wort Englisch zu sprechen vermochte, waren sie außerdem auch noch maximalst eingeschüchtert. Selbst ein Lächeln meinerseits, führte nicht zur entspannteren Kommunikation. Was soll ich sagen? Häufig liegt es einfach an den mangelnden oder nur rudimentär vorhandenen Englischkenntnissen,



dass kaum Austausch möglich ist. In den Hotels geht es natürlich immer, aber sobald man die Metropolen verlassen hat, ist da nichts mehr. Das ist in Thailand aber auch so, was uns ziemlich erstaunt hat. Doch die Thailänder scheinen in sich, kommunikationsfreudiger zu sein. Aber, wie gesagt, nach 150 Jahren französischer Kolonialzeit, 20 Jahren Bürgerkrieg, Schreckensherrschaft der Rote Khmer und der vietnamesischen Besetzung, wäre man vielleicht auch etwas argwöhnisch fremden Menschen gegenüber?

Der Verkehr auf der 6 ist heute ruppig. Die Nähe zu Phnom Penh macht Kampong Thom sicherlich zum mittelbaren Einzugsgebiet für Transport und Logistik. Riesige, wild farbig bemalte Trucks sind in beide Richtungen unterwegs. Alle hatten uns vor dem Verkehr auf den Landstraßen in Kambodscha gewarnt. Unberechenbare Verkehrssituationen waren nun 2 Monate lang in Indonesien unser täglich Brot, doch ich muss mich wirklich wieder umgewöhnen, schon einfach nach der relaxten Fahrweise der Thais. Außerdem, muss ich gestehen, dass 5 Monate strikter Linksverkehr sehr prägend war. Manchmal merke ich in letzter Sekunde, dass ich auf die linke Spur auffahren will oder rüber nach links schwenke. Nach dem regelkonformen Fahren der Thailänder, ich weiß, dass fällt schwer zu glauben, muss ich mich wieder darauf einstellen, dass der Teil der Straße, den ich befahre, inklusive der Fahrtrichtung,



einfach nicht mein temporärer Besitz ist. Auch nicht, dass ich irgendwelche Rechte hätte, die sich aus meiner, sich fortbewegenden Daseinsberechtigung, ergeben. Bei Weitem nicht. Wenn so ein 40 Tonner einen schwarz verglasten AC-Überlandbus überholt, verliert der schwächere Verkehrsteilnehmer eben sein Platzrecht. Mittels Aufblenden des Fernlichts signalisiert der König der Landstraße, dass er das Überholen erzwingen wird. Wenn also am Horizont im Gegenlicht der mittäglichen Sonne, die kantige Silhouette eines Lastbullen langsam größer wird, tut man einfach gut daran, schon mal die staubigen Seitenbankette zu beobachten. Der LKW macht den Verkehr aber nicht gefährlich, sondern die unberechenbaren und völlig überladenen Dreiräder, Kleinstlaster, Roller, Fahrradfahrer und Pickups. Heute trieb sich ein Konglomerat an Transportfahrzeugen auf der 6 rum, als hätte die ganze Welt Holzkohle, Sofagarnituren, Matratzen, Paletten, Wasser, Bier, Betonkonstruktionsteile, Reisstroh, Eisblöcke, Reissäcke, Monstermonitore, Erntemaschinen, Bagger und-was-weiß-ich-noch-alles bestellt. Außerdem führt auch das Ende eines Schul- oder Collegetages dazu, dass, einem Heuschreckenschwarm gleich, kleine Roller oder Fahrräder, mit je bis zu drei Schülern oder Schülerinnen beladen, in der fulminanten Geschwindigkeit eines grasenden Wasserbüffels auf die 6 auffahren.



In Skone Skun machen wir Pause. Dort hat man in einem alten Überseekontainer eine Erpressobar eröffnet, so richtig mit Siebträgermaschine. Wir brauchen tatsächlich einen Kaffee. Es sind heute 35 Grad, die wieder richtig Hitze durch den Helm und unsere Jacken treiben. Auch bin ich so hochkonzentriert, dass ich nach 100 Kilometern schon echt einen Kaffee trinken muss. Ein bißchen abgekämpft, sozusagen. Die junge Dame brüht sich da was richtig Leckeres zusammen, was sie dann netterweise auch noch in unseren Stahlbechern serviert. Selbstredend hat sie nur Plastikbecher für das Café, auch für den vor Ortkaffee. Nebenan reihen sich die üblichen Schnellstraßenrestaurants, je nach Geldbeutel gestaffelt.



Das reicht von der vollklimatisierte Glasbude, bis hin zum mobilen Dreirad. Aber, lieber geneigter Leser, wir sind in der Provinz der frittierten Spinnen. Vor dem Glasrestaurant hat der Betreiber große, liebevoll gestaltete Betonspinnen aufgestellt, um auf die Spezialität des Hauses aufmerksam zu machen. Da geht die Dame mit ihrer mobilen Spinnen- und Heuschreckenfritöse subtiler vor. Auf großen Blechtellern liegt die Speisekarte ausgebreitet, sodass der geneigte Reisende sich seinen knusprigsten Snack selbst erwählen



kann. Hab ja schon viel gesehen und auch viel probiert, aber bei Spinnen ist mein ästhetisches Verhältnis zu Lebensmitteln und Speisen echt gestört. Nun wird der ein oder andere geneigte Leser unken, dass ich doch auch Shrimps in jeder Größe und Form verputze - ich weiß um dieses perfide Argument. Doch, es geht nicht. Bei Spinnen ist Schluss! Bei Maden auch! In Nordafrika habe ich schon jede Menge Heuschrecken in Honig gegessen, kein Problem, was da mit den Spinnen nicht geht, kann ich nicht sagen. Wir lassen es da mal hingestellt!. Die Mobilköchin, der gepflegten 8-beinigen Fritöseerzeugnisse, grinst mich auch nur an und ihr scheint klar zu sein, dass ich nicht zur Zielgruppe gehöre. Wie auch der Rest der Truppe, die schlagartig ihre anregende Konversation unterbrechen, mich anstarren und dann breit grinsend tuscheln. Thema ist vermutlich, dass das Bleichgesicht, niemals eine Ahnung von richtigen Khmerspezialitäten bekommen wird. Wer kann es ihnen verübeln, schließlich servieren wir daheim ja auch Töttchen . . .



Koffeingestärkt sind wir wieder auf der Bahn. Mit klarem Blick, strikt auf den Horizont gerichtet, verfolge ich den Verlauf der Straße. Die Hitze flimmert und die Luftspiegelungen lassen die entgegenkommenden Fahrzeuge verschwommen, doppelt so groß erscheinen. Das Wetter hat sich geändert. Starker Wind ist aufgekommen, kühler Wind aus Nordosten. Es ist seltsam, der Wind ist "kalt" und wird in meinen linken Ärmel geblasen, der im Schatten liegt. Mein rechter Arm ist in der Sonnen, die super heiß auf der Wachsschicht meiner Jacke brennt. Der Wind treibt immer wieder große, rote Staubwolken vom Rand der Straße über das Land. Wir sind immer noch in der Zentralebene Kambodschas, im Land der Zuckerpalmen. Seit Siem Reap hat sich die Landschaft so gut wie gar nicht verändert. Flach, weit, mit Reisfeldern, Brachflächen und den vermeintlichen einzelnen Zuckerpalmen.



Der Wind bringt die Blätter der Palmen in Schwingung, wobei das kratzenden Geräusch der harten Fasern sogar im Helm zu hören ist. Wenn ich da so über die Weite des Landes schaue, dann frage ich mich immer, wie überhaupt je ein Europäer glauben konnten, dass er dieses Land je beherrschen könne oder gar zu administrieren vermag. Alles sieht gleich aus und auch wieder nicht. Man versteht, was man sieht, doch das Land bleibt trotzdem eine Terra incognito, da man die Dimension in seiner Tiefe einfach nicht sehen kann. Das Auge hat nichts, keinen wirklichen Anhaltspunkt, um seine Verlorenheit aufzufangen. Nach 20 Kilometern sieht alles gleich aus. Immer wieder passieren wir Reisfelder, auf denen Menschen arbeiten, doch



meistens ist das Land einfach leer. Die einzige Bewegung ist das Wiegen der Palmen im Wind. Auf der Straße ist ein Übermaß an Bewegung, während das Land seltsam erstarrt ist.

Inzwischen haben wir die Provinz Kampong Thon hinter uns gelassen und sind in der Provinz Kampong Cham, zu der auch der Großraum Phnom Penh gehört. Von Westen her "nähert" sich der Tonlé Sap Fluss, während der Mekong östlich von uns fließt. Beide Flüsse "treffen" mitten in Phnom Penh, unweit des Königspalastes, aufeinander. Das Gute an einer längeren, landschaftlich eintönigen Fahrt ist meistens, dass man seinen Gedanken nachhängen kann, so es der Verkehr zuläßt. Doch seit unserer Kaffeepause hat sich der Verkehr geändert. die meisten Laster sind anscheinend auf der Landstraße Nr. 7 in andere Richtungen weitergefahren. Natürlich frage ich mich, wie wird Phnom Penh aussehen. Das letzte Mal war ich 2008 hier und da war es zwar eine Großstadt, aber eine recht verschlafene. Natürlich, wird das nicht mehr so sein. Ich vermute, dass es sich rasend schnell verändert hat. Interessanterweise war Bangkok viel einfacher für mich zu "identifizieren", war sie bei meinem letzten Besuch doch schon ebenso quirlig, voller moderner Betonriesen und Menschenmassen, wie heute. Doch auf Phnom Penh



bin ich sehr gespannt. Das Land hat sich sehr verändert, auf der einen Seite. Und auch wieder nicht, auf der anderen Seite. Ist gerade schwer in Worte zu fassen. Die Diskrepanz zwischen den Entwicklungen in Siem Reap und den "Nichtentwicklungen" auf dem Land sind frappierend. Gestern stand am Straßenrand der 6 ein blütenweißer Porsche Panamera, mitten im Nirgendwo und der Fahrer kaufte gerade eine Kokosnuss von einer Frau, die offenkundig zur ärmeren



Landbevölkerung gehört. Nichts ist ein größerer Anachronismus, als ein Porsche Panamera im Land der Zuckerpalmen. Vielleicht treibt mich aber auch nur die Frage um, ob Phnom Penh seine Seele verkauft hat?

Dann taucht auf einmal der Mekong neben der 6 auf. Einfach so, ganz unspektakulär, liegt er da in seinem tiefen Flussbett, graublau ist das träge fließende Wasser gefärbt. Neben mir stehen zwei junge Bullen angepflockt, grauweiß, zum Erbarmen rappeldürr und glotzen mich dösig an, als ich da so versonnen am Ufer stehe. Was ich da so will, scheint ihnen nicht ganz klar zu sein. Mit ihren langen Schlappohren, den großen Augen und dem leicht hin und her wackelnden Kopf, bringen sie uns dann richtig gehend zum Schmunzeln.




Getrieben vom Wind erreichen wir die Stadtgrenze von Phnom Penh. Der Kontrast zu dem, was wir zwei Tage lang entlang der Straße gesehen haben, könnte nicht größer sein. Schon 10 Kilometer vor dem Zentrum, tauchen riesige Werbetafeln für neue Eigenheime auf. Fertiggestellte neoklassizistische Italobetonmonströsitäten, mit feinst, asiatisch abgestimmten Renaissancebalustraden dominieren die neuen weißen Vorstadtvillen. Platz zwei der Architekturhitliste belegt der, auch bei uns populäre, ebenfalls weiße, Bauhauskubus mit schwarzgerahmten Fensterbändern. Weiß scheint überhaupt die Farbe des neue Wohlstands in Phnom Penh zu sein. Innerhalb von Minuten setzen sich weiße Audi Q8, Porsche und jede Menge BMW in der gehobenen X und 7er Reihe vor uns. Langsam erhebt sich, einer Fatamorgana gleich, das Zentrum Phnom Penhs seltsam dreidimensional vor uns. Wie Frankfurts Bankendistrikt, eine Ansammlung hoher Glastürme. Die 6 führt über den Tonle Sap in das Stadtzentrum. Biege hinter der Brücke sofort links ab, denn ich möchte als Erstes zum Königspalast. Die Straße ist verstopft, weiße SUVs, weiße Tuktuks, Rollerfahrer, überwiegend weiße Modelle, Radfahrer versuchen sich gegenseitig im Straßensolitär, um eine freie Verkehrslücke den Rang abzulaufen. Das Ufer ist gesäumt von hohen Betonsplittern, fertige und unfertige. Durch die Straßenschlucht gelingt es mir den Königspalast in der "Ferne" auszumachen, er wirkt verloren, wie ein Relikt aus alter Zeit, geschrumpft durch die Dominanz





der angebrochenen, in Beton materialisierten, Zukunftsträume. Ich erinnere mich, dass die Landzunge, wo Tonle Sap Fluss und Mekong zusammenfließen, eine, mit Bäumen und Palmen bewachsene, gartenähnliche Anlage war. Nun steht ein riesiges Hotel darauf und seine Dimension degradiert doch eben diese starke Symbolik der beiden Flüsse, zu einer Nebensächlichkeit. Wie klein und zerbrechtlich der Königspalast zwischen all diesen Neubauten wirkt ist irre. Hier war das absolute Zentrum für die Menschen der Stadt. Am Pavillon vor dem Königspalast traf man sich. Überall war Polizei und Armee. Ich hätte niemals einfach so dort anhalten können, wo ich den Motor abstelle. Nach 5 Monaten unserer Reise und nach 14863 Kilometern sind wir in Phnom Penh angekommen.



Nicht weit vom Königspalast haben wir ein schönes Hotel gefunden, in dem wir 7 Übernachtungen gebucht haben. Ich hätte mir auch nie träumen lassen, dass wir mal Weihnachten in Phnom Penh verbringen würden, aber weihnachtlich ist es gerade eh nicht so, trotz der ganzen Weihnachtsmucke und den Dekobäumen. Von der Dachterrasse hat einen sagenhaften Blick über die "neue" Stadt, die auch Shanghai, Bangkok, Kuala Lumpur oder Jakarta sein könnte. Was soll ich sagen? Das ist das Land der Zuckerpalmen. Bonne nuit folks!




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2 Comments


Marc Luetjens
Marc Luetjens
Dec 21, 2023

KI spint nochmal:

Allerdings gibt es einige Kulturen, in denen Spinnen als Delikatesse gelten, zum Beispiel in Kambodscha, Laos, Frankreich oder Venezuela. Die besten Spinnen für Speisen sind diejenigen, die groß, fleischig und nahrhaft sind, wie zum Beispiel Vogelspinnen, Taranteln oder Skorpione. Diese Spinnen werden oft frittiert, gebacken oder gegrillt und mit verschiedenen Gewürzen serviert. Manche Menschen essen nur die Beine, andere auch den Körper oder den Kopf. Allerdings ist das Essen von Spinnen nicht für jeden geeignet, denn es kann gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Spinnen können giftig, allergen oder parasitär sein, und man sollte sie nur von vertrauenswürdigen Quellen beziehen. Außerdem sollte man immer darauf achten, die Spinnen vor dem Verzehr gründlich zu reinigen und zu kochen, um mögliche Krankheitserreger…


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Marc Luetjens
Marc Luetjens
Dec 21, 2023

KI spinnt:

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