02. August 2023 - Von Tuktuk nach Tanjung Balai
KM 4234
Ein anstrengender und ereignisreicher Tag, so viel steht schon mal fest. Wir sind früh raus, schließlich gilt es 170 Kilometer plus Seeüberfahrt zu meistern. Wir müssen nach Tanjung Balai und unsere Überfahrt nach Malaysia organisieren. Wenn das von Tanjung Balai aus unmöglich ist, fahren wir morgen weiter nach Medan. Dort wäre auf jeden Fall eine Fähre nach Batam zu bekommen, die aber nur einmal in der Woche, Sonntags, über Dumai nach Batam schippert. Und da Anni und Boote keine gute Kombination sind, möchten wir eigentlich 30 Stunden auf einem Seelenverkäufer vermeiden, der über die Straße von Malakka segelt. Also viel zu tun heute.
Um 08:45 Uhr sind wir am Fähranleger in Tuktuk. 9 Uhr geht die erste Fähre nach Parapat. Runter von der Insel ist einfacher, als rauf zu kommen. Innerhalb von 5 Minuten sind wir im Besitz einer Bordkarte, das nennen die hier wirklich so, und können auf die Fähre. Der offizielle Preis sind 78000 IR - auf dem Hinweg hat es 90000 IR gekostet, auf dem Rückweg 80000 IR. Hmmm, irgendwie „vergoldet" sich da jemand seine private Kasse. Aber egal, sind für uns eh nur Centbeträge. Die Fährklappe schließt sich langsam und die Fährklappe öffnet sich langsam. Um 09:05 Uhr kommt noch ein Fahrzeug und will mit. Das geht hier. Auch muss noch die gesamte Anfahrt gefilmt werden, dafür habe ich vollstes Verständnis, aber dafür schneckt man im ersten Gang zur Fähre. Aber, das ist hier drin, keine Frage. Dann legt die Fähre ab und wir schippern Richtung Parapat.
Es ist Samstag und daher ist die Fähre von der Insel ziemlich leer, vermutlich wird sich schon die Wochenendmeute aus Medan in Parapat am Anleger die Füße platttreten, das sind schließlich nur 75 Kilometer bis zum Toba See. Genauso kommt es auch, die wartenden Autos sind zahlreich und die Busse auch. Es braucht ein wenig bis wir aus dem Gewühl am Hafen heraus sind und dann geht es, der Rallye Monte Carlo gleich die Berge rauf. Das erste Stück unserer Strecke ist deckungsgleich mit der Hauptstraße nach Medan. Jeder versucht voran zu kommen, koste es, was es wolle. Gefangene werden nicht gemacht, Bremsen sind vermutlich deaktiviert und das Rennen kennt keine Silbernedaille. Aber natürlich fahren auch die langsamsten Verkehrsteilnehmer in diesem Rennen mit und das sind über und über beladenen LKWs. Die schieben sich im ersten Gang die Berge rauf und in diesen kleinen und engen Kurven, können halt nur Zweiräder überholen. Irgendwann sind wir dann auch in der Poleposition
und lassen den ganzen Tross hinter uns. Auf der Gegenfahrbahn kämpfen sich ebenfalls Schlangen von schwer beladenen Fahrzeugen durch die Kurven. Auf den nächsten Kilometern sitzen Horden von Affen auf den Leitplanken und warten. Wirklich, Horden von Affen. Große, kleine, vorwitzige, mutige, feige, gewitzte und alle haben eins gemein, sie beobachten den Verkehr. Wir vermuten mal, dass sie die Gelegenheit nutzen und auf die beladenen LKWs zu springen, die bergauf tatsächlich nur noch Schrittgeschwindigkeit fahren. Da hier von der Matratze, üb er Geröll auch jede Menge Nudeln und Lebensmittel, gestapelt bis zur Überlandstromleitung, per LKW transportiert werden, gehen wir mal von geschickt eingefädeltem Mundraub aus . . . Aber das ist nur eine Vermutung.
Die Strecke ist anstrengend zu fahren. Der Belag ist immer wieder völlig desolat, dann hervorragend geteert, dann Schotter und wieder Schlaglöcher, Spurrillen und Sand auf dem Belag. Vom Toba See führt die Straße wieder auf 1200 Meter über N.N.. In dieser Höhe durchfahren wir sagenhafte Wälder mit sehr hohen und langgewachsenen Nadelbäumen, riesigen Farngewächsen und einer Palmenart, deren schlanken Einzelblätter einfach lang herunter hängen. Irgendwie sieht der Wald hier sehr gepflegt aus. Ich kann nicht sagen, woran das liegt, aber Anni empfindet es ähnlich.
Hinter Pematangsiantar, was ungefähr 1150 Meter tiefer liegt, bedrängt uns plötzlich wieder die brütende Hitze, nix mehr 22,5 Grad von Tuktuk, 35 Grad. Ich muss die Air Flow-Verschlüsse an meiner Jacke öffnen, doch selbst der Fahrtwind bringt nur wenig Abkühlung. Nach dem spärlichen Verkehr im Hochland von Zentralsumatra ist der Cityverkehr eine ziemliche Konzentrationsaufgabe. Chaos! Wir brauchen fast eine Stunde, um durch die Stadt zu kommen. Wir biegen auf die Nebenstrecke nach Kisaran ab und hoffen auf weniger Verkehr. Verrückte Welt. Die gesamte Region lebt vom Palmöl- und Kautschukanbau. Es gibt alte, mit sehr hohen Ölpalmen und neuere, die erst mit Setzlingen bepflanzt sind und ganze Hektar, die gerade dafür gerodet wurden. LKWs, LKWs, LKWs . . . Anscheinend werden Ölpalmen immer mit Kautschukplantage kombiniert. Zugegeben, theoretisch weiß ich wie das Gewinnungsverfahren von Kautschuk ist, aber halt nur in der Theorie. Also halten ir am Straßenrand und ich klettere durch einen Graben auf die Plantage.
Diese Plantage ist ziemlich aktiv, denn Mitarbeiter wuseln von Baum zu Baum und wechseln die Auffangbehälter. Der Wechselbehälter hat jeweils eine andere Farbe, sodass die Mitarbeiter immer im Blick haben, an welchem Baum der Wechsel bereits vollzogen wurde. Die Rinde des Kautschukbaumes wird angeritzt, und zwar immer nach schräg unten. Am Ender der Ritze wird ein kleiner Ablauf ins Holz getrieben, unter dem die Auffangschale angebracht ist.
Der sogenannte Milchsaft läuft jetzt über die abfallenden Ritze zum Ablauf und tropft in den Behälter. Die Ritzung wird mehrfach untereinander gemacht, sodass an den Bäumen dieser Plantage bereits große Teile der Rinde fehlen. Die letzte Ritzung kann noch nicht so lange her sein, denn, während der paar Minuten meines illegalen Besuchs, läuft der Milchsaft ziemlich „schnell“. Naturkautschuk wird als Pulver, in Ballenform oder wird auch als stabilisierendes Latexkonzentrat gehandelt. Um Kautschuk zu erzeugen, muss Latex gerinnen, was man früher über Erhitzung erzielte, wohingegen heute Chemie zugeführt wird. Indonesien ist nach Thailand mit fast 2 Millionen Tonnen jährlich der zweitgrößte Kautschukproduzent der Welt. 70% des weltweiten Kautschuks wird für die Produktion von Autoreifen benötigt. Außerdem für Teppischrückenbeschichtungen, Matratzen, Porengummi (Moosgummi), Dichtungen und, und, und. War mir so gar nicht klar, wie viel Kautschuk heute noch Verwendung findet. Hatte gedacht, dass es längst durch synthetisierte Kunststoffe ersetzt worden sei. Aber, dem ist wohl nicht so.
Um 14:40 Uhr kommen wir im Hotel an, beide ziemlich erledigt, denn heute hatten alle Autofahrer wohl mehr als einen Kaffee zum Frühstück. War echt anstrengend und erstmalig fühlt sich meine Gesichtshaut von den ganzen Abgasen richtig gereizt an. Dann melden wir uns bei Toni. Was nun folgt, ist ein Lehrstück in asiatischer Effektivität. Also, vor unserem Hotel in Padang Sidempuan steht morgens ein Kerl, er heißt Ruly, und bestaunt die Bergziege. Wir kommen ins Gespräch, er ist ebenfalls ein Biker und wir berichten, was wir so machen. Er zeigt sich beeindruckt. Wir fragen nach Fähren mit Ziel Malaysia. Er sagt, er kennt jemanden, der kennt jemanden, den er fragen kann. Anni und er tauschen Telefonnummern und nach drei Stunden trudeln die ersten Infos ein. Irgendein Kontakt zu einem Mopedfahrer aus Medan, der gerade in Malaysia ist. Gegen Abend nochmal ein Kontakt in Medan. Zwei Tage später ist Ruly geschäftlich in Tanjung Balai und schickt uns den Kontakt von Toni. Toni wird allerdings auch in allen Motorradforen als der Mann angepriesen, der Verschiffungen organisieren kann. So der Vorlauf. Am Tabo See nehmen wir Kontakt mit Toni auf und vereinbaren für heute ein loses Treffen. Ich suche über Google ein gutes Café und uns wird das Simple Café als die Nr. 1 in Tanjung Balai ausgegeben. Wir vereinbaren ein Treffen mit Toni, dem Verschiffskönig, im Simple Café. Dann kommt die Überraschung: der Besitzer vom Simple Café ist ein super guter Kumpel von Toni und wir werden wie die Könige behandelt. Small World. Also, Toni hat folgenden Plan: Morgen früh kommt die Bergziege auf ein Frachtschiff, vorher erledigen wir mit ihm zusammen die Carmet-Angelegenheiten mit dem Zoll. Die Bergziege wird nach Port Klang, westlich von Kuala Lumpur, geschifft und bei seinem Kompagnon in ein Lagerhaus gestallt. Wir fahren Montag morgen mit der Fähre nach Port Dickson, südlich von Kuala Lumpur. Dann wird uns ein Taxifahrer nach Klang bringen, wo bereits alles mit dem Carnet geregelt wurde. Soweit der Plan. Abenteuer! Da Toni in allen internationalen Motorradblogs angepriesen wird, sind wir ziemlich beruhigt, dass alles glatt laufen wird. Also los - auf nach Malaysia. Der Besitzer vom Simple Café fährt uns abends zurück zum Hotel, da es bereits dunkel ist. Die Freundlichkeit der Menschen hier ist einfach umwerfend! Bonne nuit folks.
KI hilft dem Seefahrer:
Propriozeption (auch Tiefensensibilität genannt) bezeichnet die Wahrnehmung des eigenen Körpers nach dessen Lage im Raum, den Stellungen von Kopf, Rumpf und Gliedmaßen zueinander sowie deren Veränderungen als Bewegungen mitsamt dem Empfinden für Schwere, Spannung, Kraft und Geschwindigkeit. Es handelt sich dabei um eine Eigenempfindung.
Blinde können seekrank werden. Das liegt daran, dass der Gleichgewichtsapparat ebenfalls seinen Beitrag zur Übelkeit leistet. Zum einen weiß man das, weil Menschen mit „funktionsunfähigem Innenohr“ nicht seekrank werden können. Zum anderen erfährt man immer wieder, dass man das Aufkommen von Seekrankheit durch das Schließen der Augen nicht verhindern kann.