03. Februar 2024 - Von Phonsavan nach Thathong
KM 18.010
Es ist Samstag und in der alten Königsstadt Muang Khoun schickt man sich an, schick in die Ruinen der ehemaligen Metropole zu gehen. Wir haben die Bergziege vor der zugewachsenen Stupa geparkt, als dort zwei Musiker und ein Pärchen zu posen beginnen. Die Töne, die die Herren den Bambusintrumenten entlocken, haben den wohlschmeichelnden Klang zweier rostiger Eisenplatten, die man mit hohem Druck aneinander reibt. Ich frage höflich, ob ich ebenfalls fotografieren darf, denn wo bekommt man denn heute noch festlich aufgehübschte Hmong vor die Linse? Die Fotografin ist etwas pikiert, doch der Maitre begrüsst jede Form von
Fotoshooting und fordert mich ungeniert auf zu knipsen. Uns war irgendwie nicht ganz klar, dass es hier schon das nächste Königreich gegeben hat. Phonsavan wird von der lokalen Bevölkerung eher nur als Verwaltungsstadt angesehen. Aha, so so. Das gut 30 Kilometer entfernte Muang Khoun hingegen, ist die Hauptstadt der Herzen. Drei Backsteinstupas künden von der spirituellen Größe dieses Reiches, von denen eine, wenn auch vollständig, doch zugewachsen ist und die verbliebenen zwei anderen Stupas, eher einem Haufen Klinker gleichen, der achtlos am Rande einer westfälischen Großbaustelle liegt. Vom höchst gelegenen Klinkerhaufen aus, können wir über die, die, äh, ja - hmmmm - alte Königsstadt blicken. Irgendwie ist das für uns keine Königsstadt, nicht einmal der Geist einer Solchen. Es fällt
schwer zu glauben, dass es einst der königliche Sitz des Kleinfürstentums Muang Phuan war, dessen Ruhm im 16. Jahrhundert auf seinen 62 opulenten Stupas fußte. Außerdem wird heute noch in den dunklen Gängen der großen Markthalle gemunkelt, dass die Seiten der Stupas angeblich mit Schätzen bedeckt waren. Doch icht einmal die alten Ziegel, deren ästhetische Stapelung mich sehr an Khmerbauweisen erinnern, flüstern irgendetwas von Schätzen in die lauen Windböen, die die heiligen Hügel umwinden.
Nichts desto Trotz, als sich das Königreich Lan Xang 1707 in drei separate Königreiche aufteilte, wurde Muang Phuan ein Nebenstaat des Königreichs Luang Prabang. So ein Nebenkönigreich hats aber auch einfach nicht leicht. Immer wieder schauen Thailänder und Vietnamesen vorbei, veranstalten ordentliches Fratzengeballer und nehmen einfach alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Selbst wenn dann noch ein paar chinesischen Banditen reinschauen, gibt es für die erst Recht nix mehr mitzunehmen. Das dürfte dann wiederum in ein erneutes Fratzengeballer gemündet haben, so rein aus Frust, zumindest auf Seiten der chinesischen
Mannschaft. Von den gloreichenTempeln des Königreichs ist somit nichts mehr übrig. Xiang Khouang (Muang Khoun) selbst wurde nahezu verlassen. Dann ereilt Muang Khoun das übliche Schicksal kleiner Fürstentümer, die im Laufe der Zeit zwischen die Räderwerke der Mächtigen und Gierigen kommen. Jahrhunderte der Geschichte gingen ins Land und aus Geschichte wurden Legenden und aus Legenden werden Mythen. Was geblieben ist von der einstigen Pracht dieses kleinen Fürstentums, ist eine exquisite Buddhastatue in einem alten Sim (u. 1920).
Zumindest bis zum 1. und 2. Indochinakrieg. Erst wird das Sim und die Buddhafigur 1953 beschädigt und die Handvoll verbliebenen Einwohner von Muang Khoun restaurieren die Zerstörungen ein Jahr später. In den anschließenden intensiven Bombardierungen der Ebene wird das alte Sim zerstört, nur ein paar Säulen bleiben übrig. Die eben restauriere Buddhastatue kriegts natürlich wieder ab, is´klar. Obwohl die Stadt inzwischen wieder aufgebaut und in Muang Khoun umbenannt wurde, ersetzt Phonsavan nun dauerhaft ihre Rolle als Provinzhauptstadt.
Dennoch sind die Menschen hier in der Provinz stolz auf ihr Königreich und die damit verbundenen Mythen und Traditionen. Der Buddha hat übrigens die Haltung, "rufe die Welt als Zeuge auf!", stand zumindest auf der Infotafel. Als hätten es die Erbauer der Figur geahnt, dass diese Buddhastatue der allumfassenden Gewalt mehrerer Krieg ausgesetzt sein würde.
Doch die Einwohner von Muang Khoun haben längst den Mangel an spirituell wichtigen Tempeln ausgeglichen. Auf der anderen Seite des Stupahügels hat man, ebenfalls erhöht, ein genaues Abbild von Laos Staatssymbol errichtet, dem That Luang. Auch wenn es kleiner ist als das Original in Vientiane, ist es schon weithin sichtbar. Die Vergoldung wird von der Sonne kreuz
und quer durch das ganze Tal reflektiert und macht damit schon aus großer Entfernung auf sich aufmerksam. Im Kloster ist nichts los und so umrunden wir das Mini-That -Luang. Ein großes Sim ist davor gebaut. Alles scheint ziemlich neu zu sein, denn die Farben leuchten allen Orts und die Malereien an der Decke des Sim haben mehr so einen psychedelischen Charakter, was wohl erklären könnte, warum sich niemand blicken lässt.
In Muang Khon teilt sich die Straße und wir fahren weiter nach Süden, Richtung Thathong und Paksan. Für einen Imbiss wollen wir nicht in Muang Khoun verweilen, denn das örtliche Nationalgericht hat uns ein bisschen den Appetit verdorben. In den Tälern um die Stadt fangen die Menschen Schwalben . . . Der kulinarische Topact der Region sind fermentierte Schwalben mit saurer Chilipaste. Da wären ja gleich drei Zutaten drin, die bei mir nicht gehen: Schwalben, sauer und Chilipaste. Über das Fermentieren wollen wir hier mal kein Wort verlieren. Ich erinnere nur daran, dass Anni in Burma unbedingt die lokale Spezialität - fermentierten Schwarzen Tee - ausprobieren wollte. Über das tagelange Magendrücken verliert der Gentleman natürlich kein Wort . . .
Die Straße nach Paksan ist ebenfalls auch wieder mal ein Geduldsspiel mit den üblichen S- Komponenten: Steigung, Schlagloch, Schotter, Sand, Staub. Es ist zwar nicht so übel, wie die Gräberpiste nach Muang Hiem, doch manchmal fehlt nicht viel. Irgendwie ist dieser Teil der Berge einfach anders, als die kleinen Bergdörfer an der 1c. Hier sind ganze Bergzüge entwaldet und die Hänge dafür mit Mais und Manjok bepflanzt. Selbst die steilsten Hänge sind hoch bis zum Grat mit landwirtschaftlichen Nutzpflanzen bebaut. Immer wieder passieren wir die
obligatorischen Brandrodungen, die immer noch vor sich hin qualmen. Die typisch türkisen Plastiksäcke, in denen hier die Holzkohle transportiert und verkauft wird, lagern weithin sichtbar überall an den Schrägen der Berge. Selbst das schönste Flusstal wird irgendwann von einem chinesischen Damm versperrt, schlammig braunes Wasser gestaut und nur noch ein Rinnsal fließt weiter ins Tal. Während in der Mekongregion die Dörfer den penetranten Gestank
von fermentiertem Fisch verströmen, schlägt einem hier das durchdringende Aroma von trocknendem Manjok entgegen. Auf den Straßen, vor den Häusern, zwischen den Häusern, überall trocknen die Manjokschnitzel auf blauen Kunststoffplanen. Da Manjokanbau, die Ernte sowie die Weiterverarbeitung ja kein besonders aufwendiges Procedere ist, hängen die meisten Menschen in den Dörfern nur ab. Das ist jetzt nur eine Beobachtung, keine Wertung!
Für die 120 Kilometer nach Thathong benötigen wir genau die vier Stunden und 30 Minuten, die Google uns vorgerechnet hat. Bis Paksan sind es nur noch 93 Kilometer, doch bei dem Zustand der Straßen kämen wir da im Dunkeln an. Auf dem Land sind die meisten Roller und landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge unbeleuchtet . . . Der geneigte Leser versteht was ich meine. Wenn man sich im Dunkeln schon auf Schlaglöcher und Krater konzentrieren muss, ist so ein unbeleuchtetes laotisches Zweirad schon ziemlich gefährlich. Wir übernachten in Thathong und fahren morgen früh entspannt nach Paksan. Außerdem gibt es gerade einen unendlich romantischen Sonnenuntergang und wer wollte den schon missen? Bonne nuit folks!
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