14. August 2023 - Von Kalinda zum Barisan Selatan National Park
KM 2165
Das Hotel in Kalianda ist nagelneu, mit einem englischsprechenden Rezeptionisten und keiner Moschee in der Nachbarschaft! Auch kein Hahn! Daher schlafen wir wie Dornröschen, als um 7 Uhr das Frühstück klopfenderweise angereicht wird. Das war war wieder so eine Nummer, "von wann bis wann gibt es Frühstück?" Um 7 Uhr! 7 Uhr? 7 Uhr! Keine Gnade - also sitze ich verpennt mit einem Teller Nasi Goreng auf dem Bett und glotze wie ein Mondkalb aus der Wäsche. Geschwind, Essen, Sachen packen und los . . .
Mit einem Pulk von Autos und Mopedfahrern verlassen wir tags zuvor, die Fähre von Java. Auf einem Hügel thront irgendeine religiöse Monstrosität, völlig vergoldet, und verbreitet den Charme eines Oskar Niemeyers kombiniert mit aktuellem Moscheedesign. Wir haben aber rausgefunden, dass es den Nullpunkt in Südsumatra symbolisiert. Wir lassen Bakuheni links liegen und machen uns auf den Weg in das 27 Kilometer entfernte Kalianda. Die Straße ist breit und nach ein paar Minuten sind wir nahezu allein auf der Landstraße, deren breites Betonband sich durch eine hügelige Vulkanlandschaft walzt. Es ist wirklich wesentlich weniger Verkehr als auf Java. Alle Indonesier, mit denen wir über unsere Route sprachen, bestätigten alle ein und dasselbe, nämlich Sumatra sei wilder, ursprünglicher und es gäbe viele weniger Menschen . . . Das erscheint uns auch so. In Richtung Penengahan sind die Hänge des Mount Rajabasa (1281 Meter) komplett mit Reisterrassen überzogen. Rechts und links der Straße angeordnet, ziehen sie sich über Kilometer hin, das Areal ist weitaus größer, als wir es irgendwo auf Java gesehen hätten. Alle Becken sind frisch bepflanzt und gewässert, was eine unglaublich feuchte Hitze durch die stehende Sonne erzeugt. Das Befahren der Straße fühlt sich an, als hätte jemand einen überdimensionierten Saunaaufguss gemacht. Verbunden mit den Abgasen der schrottigen Laster und Kleinbusse sowie dem Staub der Landstraße, ist das eine gelungene Kombination für die körperliche Hygiene. Die Dusche in unserem Hotel war nicht nur notwendig (!), sondern auch ein unglaubliches Frischeerlebnis. Selten war ein großes Fass mit lauwarmen Wasser und einem Litermaß bei mir so willkommen . . .
Das nächste Hotel soll sich laut Google Maps in Gisting befinden, was etwa 115 Kilometer von Kalianda entfernt liegt. Wir buchen es nicht, denn eigentlich müssen wir mehr Kilometer machen, wenn wir Sumatra so bereisen wollen, wie wir es planen. Wir folgen, diesmal recht früh - kein Wunder bei Frühstück um 7 Uhr, der Küstenlinie nordwärts. Es geht über eine breite Straße, die allerdings mit Schlaglöchern aller Artgespickt ist. Es geht nach Bandar Lampung, eine der größeren Städte Sumatras, vorbei an ziemlich hässlichen Industrieanlagen, großer Fischereiverabeitung und dicht gedrängten Kleinstädten. Die Fahrweise hier ist recht seltsam, viel weniger rücksichtsvoll als auf Java und auch etwas weniger diszipliniert. In Kombination mit den schlechten Straßenverhältnissen muss ich mich höllisch konzentrieren. Was sagte das Internet zu Bandar Lampung: Besonders sehenswert ist das 70 Kilometer entfernte Elephant Reserve ... Das erscheint uns auch so! BL ist eine schnelle, hektische Großstadt, voller Betonbauten und nur wenig Dingen, die uns ansprechen. Ausser das kleine Café, welches uns zum Anhalten bewegt und ein kleines Frühstück verspricht. Wir nehmen jeder einen belegten
Toast, der tatsächlich eine großartige Alternative zu Nasi Goreng oder Mi Goreng ist. Der Kaffee kommt aus einer italienischen Siebträgermaschine und die Baristajungs haben richtig Spass mit uns. Weiter geht es nach Pringsewu und Gisting. Unterwegs tauchen immer wieder große torähnliche Bögen über den großen Straßen auf, deren Sinn uns nicht so richtig klar ist. Imposant alle mal. Auch gibt es mehrfach so brunnenähnliche Kreisverkehre mit Figuren darauf,
verziert bis zum Abwinken, auf die wir uns auch keinen Reim machen können. Nach Gisting geht es dann auf einmal auf 690 Meter hoch, herrlich kühl, mit frischem Gegenwind. Gisting liegt auf der Südseite des Gunung Tanggamus, der schon über 2000 Meter Höhe hat. Die Straße wird schmaler, der Verkehr locker, aber unübersichtlich. In Gisting sind wir um kurz nach 11 Uhr und beschließen weiter zu fahren, denn ich unverbesserlicher Optimist habe zwei Autos mit Surfbrettern auf dem Dach gesehen, und denke, "in Kota Aggung, wird es Hotels geben." Die Straße schlängelt sich durch die Berge und irgendwie ist jetzt klar, dass diese kleine, schlaglochübersähte Straße die Lebensader für Südsumatra ist. Manchmal ist der Asphalt in Wülsten aufgeworfen und was bei uns schon dazu führt, ein Schild Spurrillen aufzustellen, geht hier als Rennstrecke durch. Es reihen sich Laster an Laster, Bus an Bus und die Überholmanöver werden noch erschwert durch Autofahrer, die offenkundig keine Fahrpraxis haben. Die gesamte private Mobilität Indonesiens funktionier hervorragend über Zweiräder, bis einer auf die Idee kam, ein Auto zu kaufen . . . Wie sagt Anni immer so schön, "und dann biegen sie auch noch mit -3km/h ab!" Dem kann ich nichts hinzu fügen. Kota Aggung liegt am Meer und so müssen wir hunderte Serpentinen die Hänge des Gunung Taqnggung wieder herunter, der auch völlig mit Reisterrassen kultiviert wurde. In Kota Aggung gibt es einen großen, übel riechenden Fischmarkt, jede Menge Moscheen und auch drei Hotels, die alle geschlossen sind. Die Stimmung auf der Bergziege leidet etwas unter meiner fröhlichen Antwort, "wir finden eine Möglichkeit!" Hinter Kota Aggung hört schlagartig der Verkehr auf. Das ist seltsam, weil wir jetzt
förmlich über die Dörfer fliegen und in kürzester Zeit 40-50 Kilometer machen. Da es keine LKWs mehr gibt muss, ich nur noch auf Schlaglöcher achten, die hier wieder quadratisch sind. Was mich, ehrlich gesagt, immer noch stutzig macht. Das Navi lenkt uns in Richtung Krui, was noch 150 Kilometer weit entfernt ist und wir es schon 15:15 Uhr haben. Zum besseren Verständnis, ab 17 Uhr spätestens beginnt die Dämmerung, um 18 Uhr ist es stockfinster und wir wollen nicht im Dunkeln hier fahren. Also sputen wir uns. Hinter Wonosobo geht es dann den Berg rauf, ein langezogener Höhenzug, der uns noch von der eigentlichen Küstenstraße nach Krui trennt. Es geht wieder mal steil den Berg rauf, mit viel Schotter und Split in den engen Kurven, LKWs, die im Schritttempo, unter dem Ausstoß von schwarzen Dieselwolken versuchen die Steigungen zu nehmen. Am Straßenrand sind bestimmt 10 Laster liegengeblieben, entweder mit geplatzten Reifen und wegen Motorüberhitzung oder wegen Bremsen, die sich in ihre Einzelteile zerlegt haben. Hatte ich schon Schlaglöcher und tiefe, ausgefahrene Spurrillen erwähnt? Aber wir fahren hier die engen Kurven lässigst, die uns vor 4 Wochen noch zittrige Knie bereitet hätten. Der Wald wird immer dichter und irgendwann passieren wir einen großen Steinbogen, auf dem Barisan Selatan National Park steht. 100 Meter weiter bergauf,
weist ein Schild ein Camp aus: Rhino Camp. Wir fahren rechts raus und ich bitte Anni nachzusehen, ob es eine Schlafmöglichkeit gibt. Ich schalte den Motor aus und sofort umgibt mich Stille, nur das leise Knacken des Motors ist zu hören. Dann, als mein Gehör sich an die Stille gewöhnt hat, kann ich die Geräusche des Waldes vernehmen. Die Zikaden machen ein Dauerkonzert, irgendwo brüllen Affen, aus den Bäumen kommen Geräusche von Vögeln, die durch dichtes Blattwerk fliegen. Der Blick in den Wald bei schwächer werdenden Sonnenlicht ist faszinierend. Dann ruft Anni, ich soll die Bergziege die Schotterpiste hochbringen. Am Ende der Schotterpiste öffnet ein Campmitarbeiter bereits ein Tor und zwischen zwei Bäumen wir die gepackte Bergziege auf einen abschüssigen Parkplatz manövriert.
Er bietet uns Kaffee an, der für mich untrennbar ist, und meint er hätte ein Zelt, in dem wir nächtigen könnten. Allerdings will er auch Eintrittskarten für den Park verkaufen. Ich mache ihm klar, dass wir nur übernachten und in aller Frühe wieder auf die Bahn gehen. Dann geht er weg, um zu Telefonieren, mehrere Rollerfahrer kommen und gehen, dann erscheint ein blutjunger Park-Ranger, ganz in Grün gekleidet und in Gummistiefeln. Er meint, dass wir bei ihm im Büro schlafen können. Aha, ok?!? Er spring auf seinen Roller, schaut mich an, "Wollen wir?" Äh, ja, selbstverständlich! und sausen wieder den Berg runter zu einem giftgrün gestrichenen Gebäude.
Die offizielle Försterei Nr. 1 des Barisal Selatan National Parks. Wir parken vor der Tür und Arif,
der junge Förster, verschwindet im Innern. Palaver, Kriegsrat sozusagen, Dann kommen zwei andere In Grün und heißen uns herzlich Willkommen. Dede ist nur die Hälfte von mir, in horizontaler und vertikaler Ausdehnung, hat eine GoreTex-Jacke an, die mich noch mehr schwitzen lässt. Adji ist die ständige Vertretung auf dem Berg, hat nur rote Shorts und ein grünes Shirt an. Aber alle grinsen, die universelle Sprache weltweit für Herzlichkeit und Problem Yok, wie mein türkischer Basarhändler immer sagen würde. Englisch ist nicht drin, ausser bei Arif, der verschwindet aber mit Dede nach ein paar Minuten, man müsse noch irgendwo arbeiten. Aha! Adji zeigt uns das Büro, ein riesiger Raum mit einem 2m x 2m großem Kingsize Bett, die Küche und das Bad. Also alles in allem ist das hier eine Männer WG, soviel ist klar, zumindest bei dem Blick in die Küche. Aber, wer wird bei dieser Freundlichkeit, sich schon über
eine Männer WG Küche Gedanken machen. WLAN gibt es nicht, daher gibt es die Depesche von gestern auch erst heute! Jawohl, denn wir kochen uns ein paar Instantnudeln, die Anni an einem kleinen Kiosk vor der Försterei, nebst Wasser und Melonensaft einkaufen konnte. Hinter dem Dienstgebäude der Park Ranger öffnet sich der Blick in die Weite des Waldes und so bauen wir unsere Helinox Stühle auf und genießen die Aussicht bei Nudeln mit frischem Kropuk, bis die den Wald in tief Dunkelheit hüllt. Bonne nuit folks.