24. Oktober 2023 - Hua Hin nach Kanchanaburi
KM 7849
273 Kilometer sind unsere persönliche Etappenspitze - undenkbar in Indonesien, aber hier, in Thailand gehen solche Distanzen. Die ersten 100 Kilometer folgen wir noch der Schnellstraße 4, die nach Bangkok geht. Wir verlassen die Schnellstraße, weil es zum Einen sehr langweilig ist und zum Anderen wollen wir eher durchs Hinterland fahren. Die Fahrt durchs Hinterland entpuppt sich als sehr schön, aber auch sehr ereignislos. Kein Verkehr, eine topografische Ebene, von der aus wir zwar das gebirgige Myanmar sehen können, aber uns in raschem Tempo durch die landwirtschaftliche Nutzkammer Thailands hangeln. Kilometerlange Ananasplantagen, Zuckerrohr, Baumwolle, Manjok, Reis, Kartoffeln, Pfeffer, Linsen. Immerhin keine Ölpalmen oder Gummibäume. Wird sind zügig unterwegs, da die Straßen fantastisch ausgebaut sind. Hier und da gibt es ein paar Affenclans, die wieder mal gelangweilt an den Leitplanken rumhängen.
Unser Ziel ist Kanchanaburi, nahe der burmesischen Grenze im Westen Thailands. Von hier aus gibt es mehrere Möglichkeiten, unsere Reise fortzusetzen. Gegen 14:30 Uhr befahren wir eine massige Brücke, die sich über den breiten Mae Nam Mae Klong River spannt, der südöstlich in den Golf von Thailand mündet. Kanchanaburi ist eine durchschnittlich große Stadt, die von der Landwirtschaft lebt. Im bergigen Umland gibt es wohl auch Edelsteinbergwerke, deren Ausbeute hauptsächlich aus Saphiren bestehen. Die Stadt selbst ist nicht so attraktiv, wie dass Umland, was aber trotzdem einen stetigen Zustrom an Touristen bedeutet. Neben dem landschaftlich schönen Umland kommen Touristen, thailändische, wie internationale Touristen wegen "der Brücke am Kwai".
Der Fluss Mae Nam Khwae Yai, „Großer Nebenfluss“ oder nur Khwae Yai, (bekannt als Kwai) fließt im westlichen Teil Thailands an der Grenze zu Burma. In Kanchanaburi fließt er mit dem Khwae Noi zusammen und wird von da an Mae Nam Mae Klong genannt.
Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor und deren Eroberung Burmas, Malaysias und Singapurs, brauchten die Japaner eine Ausweichstrecke, um die immer noch gefährliche Straße von Malacca zu umgehen. Darüber hinaus plante Japan den Angriff auf Indien. Nachschub an Waffen und Materialien musste für ihre Truppen sicher gestellt werden. Nach dem Fall Singapurs waren den Japanern 300 Lokomotiven, Gleismaterial und Bahnschwellen in die Hände gefallen. Diese Kriegsbeute ermöglichte eine rasche Umsetzung der Pläne, eine Strecke zwischen Burma und Thailand zu bauen. Ohne dieses Material wäre die Umsetzung dieses Vorhabens wahrscheinlich schwerer gewesen.
1942 begann der Bau der Strecke, die über circa 415 km von Thanbyuzayat im heutigen Myanmar bis zur Nong Pla Duk Junction im Distrikt Ban Pong in Thailand führte. Von den 263 km, die durch Thailand führten, sind heute nur noch 131 km von der thailändischen Staatseisenbahn betrieben, der Rest wurde von 1945 bis 1950 nach und nach abgebaut. Die Eisenbahnstrecke wurde nur knapp ein Jahr nach Beginn der Bauarbeiten im Jahre 1943 fertiggestellt. Und daran lässt sich ungefähr ermessen, in welcher Eile man damals war. Menschenleben zählten bei der Erstellung kaum. Um ein solches Projekt in einer derart kurzen Zeitspanne zu verwirklichen, setzten die Japaner zahlreiche Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene ein. Die knapp 60.000 "POW"s (Prisoner of War) genannt, kamen aus Australien, England und Holland. Zusätzlich mussten vermutlich bis zu 270.000 asiatische Zwangsarbeiter für die japanischen Kriegsziele schuften. Die Bedingungen, unter denen die Arbeiter arbeiten mussten und wie sie zur Arbeit angetrieben wurden, waren grausam und absolut menschenunwürdig. Tropenkrankheiten, Überarbeitung und Schikane durch die japanischen Vorarbeiter kosteten während der Bauarbeiten das Leben von rund 97.000 asiatischen Zwangsarbeitern und circa 14.000 POWs.
Während dieser Bauarbeiten für die Strecke zwischen Burma und Thailand musste der Fluss Khwae Yai, überquert werden, was sich als überaus problematisch darstellte. Es mussten zwei parallele Brücken gebaut werden und die erste Brücke war dabei ein Konstrukt, welches behelfsmäßig aus Holz erbaut und zur reinen Versorgung genutzt wurde. Die zweite Brücke wurde aus Stahl und Beton gefertigt. Diese steht hier heute noch und überspannt den Kwai. Die hölzerne Brücke wurde schon vor langer Zeit zerstört. Die Brücke errichten die Zwangsarbeiter innerhalb von knapp 9 Monaten unter dem Verlust Tausender Menschenleben. 1944 bombardieren die Alliierten die Brücke am Kwai, wobei drei Abschnitte der Brücke zerstört werden. Die Brücke wurde wieder instand gesetzt und wird noch heute genutzt. So weit die bittere Story hinter der Brücke. Bekannt wurde die Brücke und die Kriegsereignisse durch den Roman Die Brücke am Kwai von Pierre Boulle und die opulente Verfilmung durch David Lean (Lawrence von Arabien) mit Alec Guiness und William Holden in den Hauptrollen.
Dementsprechend ist hier auch viel los. Natürlich ist es einfach nur eine Brücke, aber die Geschichte dahinter bietet der Fantasie der Menschen genügend Anregung, um hier direkt den Haus der Geschichte zu atmen. Wir parken das Motorrad direkt neben der Brücke. Dazu müssen wir über den Markt fahren. Anni findet die Idee nicht gut und ich werde fast geboxt. Doch einer der Standbetreiber winkt mir zu und geleitet mich durch die Stände, sodass wir die Bergziege ziemlich exponiert parken können, Anni ist sprachlos, ich kann nur grinsen, ich liebe Asien! Die Brücke ist eines der beliebtesten Ausflugsziele in Zentralthailand. So viele Touristen haben wir in den vergangenen Monaten nicht auf einem Haufen gesehen. Reisebus an Reisebus, international und national. Sogar Schulklassen aus Bangkok sind hier. Wie gesagt, am Ende ist es nur eine Brücke. So richtig Infos gibt es auch nicht. Vermutlich müssen wir dazu ins Museum gehen. Ein paar alte Lokomotiven stehen auch noch in der Gegend rum. Aber, wie bei vielen Ereignissen unserer jüngeren Geschichte kann man natürlich Geschichte nur atmen, wenn das Gehirn die kalten Fakten und den moralischen Kompass mitliefert. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kwai liegt das Konzentrationslager Café (Concentration Camp Café). Das ist kein Witz. Innerlich winde ich mich vor Pein, allein bei dem Namen. Die restliche Meute findet es irgendwie witzig oder cool, so wie ich das auf der Brücke in der Menge mitbekomme. Etliche Japaner frönen ausgelassen einem Selfiemarathon, was mich auch etwas irritiert. Tja, was soll ich sagen, jeder geht mit seiner Geschichte anders um! Im Hinblick auf die aktuellen Kriegssituationen, empfinde ich die ausgelassene Stimmung hier, nennen wir es mal vorsichtig, situativ respektlos und gedankenlos. Bonne nuit folks.