23. August 2023 - Padang
KM 3224
Selamat pagi! Heute machen wir in Kultur, jawohl! Nach den Tagen des bildungsfernen, nutzlos durchs Land tingelns, ist jetzt der Moment gekommen, unsere kleinen grauen Zellen mal wieder mit Wissen zu füttern und nicht nur mit flüchtigen Bildern. Wir gehen ins Museum nach Padang. Unser Reiseführer, der sich nur wenig über Padang ausläßt, was darüberhinaus zwischen den Zeilen auch nicht so positiv klingt, empfiehlt auf jeden Fall das Museum! Pro Person müssen wir 5 Riesen (insgesamt 60 Cent für zwei Personen?) hinblättern, bekommen einen QR-Code und dürfen darüber hinaus die Bergziege neben dem museumseigenen Spielplatz parken. Damit sind wir Stadtgespräch, vermutlich weiß bis zur Mittagszeit ganz Padang, dass zwei Bleichgesichter mit Moped in der Stadt sind.
Hier ist niemand, wir sind alleine auf dem Museumsgelände. Eine Parkanlage führt zum Museumsgebäude. Es ist ein wirklich unglaublich schönes, traditionelles Gebäude der Minangkabau. Es besteht aus einem Langhaus, mit jeweils vorn und hinten einem Eingang, was den Eindruck eines Querhauses erzeugt. Unterstützt wird dieser Eindruck dadurch, dass jeweils die Dachfirste über den Eingängen ebenfalls gebogen hochgezogen wurden, wie die 6 Spitzgiebel über dem Langhaus. Dachabschlüsse sind mit Metall verblendet, das Giebelfeld selbst ist über und über mit farbig ausgelegten Schnitzereien verziert. Wände und die massigen Stützpfeiler sind im gleichen Stil mit Farben und Formen der Giebelfelder versehen. Die Anzahl der "Hörner" gibt angeblich an, wieviele Räume ein solches Haus hat. Irgendwie ist es seltsam, dass außer uns niemand hier ist. Es ist wunderschön anzusehen, von der handwerklichen Perfektion der Menschen hier mal ganz abgesehen. Auch hier wieder muss ich daran denken, was wohl die ersten Europäer gedacht haben, als sie hier diese fremdartigen Bauten zu Gesicht bekommen haben. Wer sich das Gebäude genauer ansehen möchte, habe eine Drohnenaufnahme bereits unten bei den Videos hochgeladen. So, nun aber zu den Fakten, wer
sind denn jetzt diese Minangkabau. Diese Ethnie umfasst etwa 3 Millionen Menschen aus dem westlichen Teil Sumatras. Wann und wie genau alles anfing, scheint schwierig zu eruieren zu sein, denn Aufzeichnungen zu den Minangkabau gibt es erst, seit Europäer die Insel betreten haben. Das dürfte mit den Portugiesen im 16. Jahrhundert losgegangen sein und ist danach von den Holländern fortgeführt worden. Die Holländer unterwarfen ab 1596 nacheinander alle Sultanate der Insel. Obwohl das Volk der Minangkabau eine eigene Schrift hatte, ist ihrerseits nur das erhalten, was auch in Stein gemeißelt ist. Papier oder Textilien mit Überlieferungen sind dem rauen, feucht-heißen Klima zum Opfer gefallen. Gesichert scheint zu sein, dass es ein Königreich war, das ohne eine militärische Streitmacht funktionierte. Im Alltag haben die Jungs und Mädels mit Gold gehandelt, was sich im Museum auf eindrucksvolle Weise bestaunen läßt.
Da liegt jede kunstvoll gearbeitetes Goldblech in Vitrinen und kündet von einer sehr florierenden Vergangenheit. Aber das eigentlich Spannende ist die Nummer mit den Frauen. Denn die hatten hier wirtschaftlich das Sagen, bis heute. Ist nicht so einfach, wie es sich anhört. Also erstmal heißt das offiziell die sogenannte Matrilinearität, damit wird die Weitergabe und Vererbung von Werten und Besitzt ausschließlich von der Mutter an die Tochter bezeichnet. Dolles Ding, wie ich finde. Aber, durch die Islamisierung Indonesiens traf jetzt diese Lebensgewohnheit und das damit verbundene Gewohnheitsrecht, das Achat, auf ein patrilineares System. Was nun? Verzwickt? Ist ein bißchen widersprüchlich so alles in allem. Ein systemisches Dilemma, würde ich sagen. Ist so, wie mit den ganzen Millionären in den kommunistischen Parteien dieser Welt. Aber die Minangkabau fanden eine Lösung und kombinierten beide Systeme miteinander und fanden einen Kompromiss - sie sehen sich als orthodoxe Muslime! Problem yok! Natürlich "verblasst" das matrilineare System zunehmend, obwohl sie sich alle Mühe geben, die Traditionen am Leben zu erhalten. Dazu gehören definitiv die "Büffelhorngiebel" verschiedenster Häuser. Im Museum gab es sehr viel Anregendes zu dem Thema.
Viele alte Aufnahmen aus Westsumatra, Alltagsgegenstände und natürlich Brautschmuck in allen Größenordnungen. Beim Heiraten ließen sie sich nicht lumpen, da wurde aufgefahren. Die Braut sah meist aus wie eine Adogardine, der geneigte Leser erinnert sich, die mit der Goldkante. Schwer ist das Zeug allemal gewesen, was Herr und Frau Minangkabau so bei der Eheschließung tragen mussten. Dazu kam, dass da auch schon ein bißchen Delfter Blau-Porzellan mit auf dem Tisch stand. Sehr schöne Exemplare hat das Museum, so schön, dass sich vermutlich derzeit alle Kochbuchfotografen für diese Teller die rechte Hand abschneiden würden. Passte bei uns einfach nicht in die Gepäckrolle. . . . Wer heute was auf sich hält, baut sein Dach mit Büffelhörneroptik, die BOI (Bank of Indonesia), das Padang Residence Plaza, usw. Ohne Horn geht nix. Auch nicht bei der Moschee. In Padang steht die größte Moschee Westsumatras und irgendwie ist das so ein architektonischer Mischmasch, der
aber doch sehr eindrucksvoll ist. Von weitem sieht es seltsam aus, so wenig Moschee, aber auch nur wenig Tempel. Wenn man näher kommt, ist wie bei Herrn Turtur, dann zeichnet sich ein ganz anderes Bild. Wie gesagt, sehr eindrucksvoll. Wir durften vor der Haustür parken und ich musste haufenweise mit verschleierten Damen Selfies machen, deren roter Lippenstift in meiner Jugend einem professionellen Engel der Straße peinlich gewesen wäre!
Da ja jetzt die Minangkabau schon den Goldhandel unter ihrer Fuchtel hatten, musste ja irgendwo der ganze Chilihandel von statten gehen. Richtig, Chinatown! Gewürze waren traditionell die Handelsware einer chinesischen Enklave in Padang. Es sind noch zwei Tempel im chinesischen Teil Padangs erhalten. Ähnliche Situation wie in Jakarta, man, wer auch immer, hat um die Jahrhundertwende die originalen Tempel niedergebrannt, sodass heute hier nur "neue'" chinesische Tempel in handwerklicher Perfektion und, sagen wir mal vorsichtig, fernöstlicher Farbintensität stehen. Nachdem wir geparkt haben, weiß 10 Minuten später die gesamte chinesische Community Bescheid, denn der Parkplatzwächter erzählt sofort jedem, dass da Bleichgesichter im Tempel verschwunden sind. Danach nahm die Besucherzahl chinesischstämmiger Indonesier im Tempel schlagartig zu.
Den Abend runden wir in einem empfohlenen indischen Restaurant international ab. Wir bestellen die reiseführertechnisch erwähnten Teigtaschen. Ich natürlich "not spicy!". Ist aber wieder schief gegangen und um die Feuersbrunst in meinem Gaumen zu löschen und um die gefühllosen Lippen sowie die taube Speiseröhre zu reanimieren, brauche ich 3 frische Mangosäfte, die einfach derartig gut waren, dass man für 60 Cent vielleicht mal einen 2. und 3. nehmen kann.
Zu dem guten Essen, ja - trotz des erneuten Schärfeangriffs auf meinen Gaumen, ist es echt lecker, kommt hinzu, dass die Teigtaschenschmiede sehr farbfröhlich, überwiegend orange, eingerichtet ist und auch insgesamt einen schönen Vorgeschmack auf Indien gegeben hat.
Bei Einbruch der Dämmerung fahren wir zurück, doch auf der großen Brücke hält man einfach an, um ein Selfie zu machen. Ein schöner Brauch, ach was sage ich, eigentlich kann man überall für ein gutes Foto anhalten, auch mal auf einer Brücke. Dass es einen Stau gibt erzürnt hier niemanden, denn es ist überall Stau. Und - wer so blöd ist, ein Auto zu benutzen, wo man doch mit dem Zweirad überall besser durchkommt, ist selbst schuld. Das gibt uns die Gelegenheit noch ein zwei Bilder vom großen Fluss zu machen. Morgen geht es nach Butticongo - äh stimmt nicht, wir können uns einfach nicht den Namen merken - Bukitinggi ist richtig, also, glaube ich.
Bonne nuit folks.
KI klärt auf: Die Fliesenmalerei in Holland hat ihren Ursprung in Antwerpen, wo sich Handwerker aus Italien niedergelassen hatten, die die Majolikatechnik beherrschten. Durch die Verbindung zu Spanien breitete sich der Einfluss der maurischen Keramik aus. Nach dem langen Unabhängigkeitskrieg lösten sich 1579 die nördlichen niederländischen Provinzen Holland, Zeeland, Utrecht, Gelderland, Overijssel, Friesland und Groningen von dem spanisch verwalteten Gebiet und bildeten die Utrechter Union. Daraus erwuchs 1581 die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen, in der sich der Protestantismus etablierte. Holländische Handwerker versuchten, chinesisches Porzellan mit Fayence zu imitieren. Um eine Ähnlichkeit mit dem chinesischen Porzellan herzustellen, begann in der Kachelmalerei, die bis zum 16. Jahrhundert mehrfarbig war, die blaue Farbe zu dominieren. Utrechter benutzten übrigens vornehmlich braun Töne.