14. Mai 2024 - Lalitpur/Patan
KM 22.108
Um es beim Namen zu nennen, so schön Patan auch ist, in Sachen Internetsignal, bin ich kurz vorm Axtmord. Jawohl! Selbst unser „privates“ WLAN, was wir immer für diverse Bankangelegenheiten o.ä. benötigen, hat hier im Hotel ein beschissenes Signal. Das musste mal so klar und deutlich gesagt werden!!!
Davon mal abgesehen, ist Patan ganz reizend. Wirklich. Nun, dazu kommt natürlich, dass wir fast auf dem Durbar-Square wohnen und immer sofort mitten im prallen Leben sind. Der Königspalast ist umgeben von einem Gewimmel kleiner, sehr gepflegter Gassen, Kunsthandwerksläden, Cafés, Restaurants oder auch von ganz einfachen, normalen Geschäften, in denen sich die Einwohner von Patan eben versorgen. Wir haben sogar eine Shopping Mall gefunden und das in Nepal - ein Novum. Nicht, dass wir jetzt in den totalen Konsumwahn verfallen wären, aber immerhin hat Anni hier ein Gericht bekommen, was sich „Wai Wai Laphing dry“ nennt. Dabei wird gekochter Nudelteig ausgerollt, so auf Backblechgröße. Dann zerkleinert man diese lustigen Pakete Instantnudeln, die es in ganz Asien an jeder Ecke zu kaufen gibt und streut die zerbröselten, trockenen Nudeln auf die ausgerollte Nudelplatte. Gibt Erdnüsse und sonst noch was hinzu, auch das beigefügte Chilipulver. Dann wird das Ganze gerollt und in so sushigroße Stücke geschnitten und serviert. Crunchy und mega scharf. Sie hatte nur
„mediumscharf" bestellt, war aber erst 30 Minuten nach Verzehr wieder sprachfähig, so viel ist mal sicher. Immerhin war die Nase frei, man muss halt auch für Kleinigkeiten dankbar sein, wie ich finde. Wie gesagt, in Patan entdeckt man immer viel Neues. Wir sind immer noch dabei, einen groben Überblick über dieses Städtchen zu bekommen. Doch eins ist jedenfalls klar, es ist die Stadt der Schreine. Hab ja schon viele „Tempelstädte“ besucht, doch Patan schlägt sie alle. Kein Innenhof ohne einen oder gar mehrere Schreine. Man stolpert förmlich über sie. Selbst im Innenhof von unserem Hotel stehen drei Hinduschreine rum. Wenn wir beim Frühstück sitzen, können wir die Großmama von gegenüber beobachten, wie sie morgens ihr Gebetsritual vollzieht. Dabei umrundet sie die Schreine, an etlichen Stellen wird die Hand aufgelegt und sich dann dreimal bekreuzigt. Naja, nicht richtig bekreuzigt, aber immerhin führt sie drei Mal hintereinander die Hand von der Brust zur Stirn. Morgens, nachmittags und abends. Schreine, Schreine, Schreine! Außerdem Pagodentempel, wo man hinschaut. Kaum eine Kreuzung oder ein städtischer Platz, wo nicht mindestens ein Tempel mit Pagodendach hingeflanscht wurde. Ich erinnere mich noch gut an Tanzen, wo wir unseren ersten dreistöckigen Pagodentempel gesehen haben. Da waren wir ganz aus dem Häuschen, in Anbetracht von soviel orientalischer Exotik. Dreistöckige Pagodendächer sind hier mehr so alltäglicher Teil einer jeden Kleinstgasse. Und, wenn sie nicht in einer Gasse stehen, sind sie schonmal zwischen zwei Wohnblocks gesetzt worden!
Aber, ich möchte den geneigten Leser nicht mit meiner Vorliebe für alte Tempel langweilen, denn Patan hat eine kulturhistorische Spezialität, die uns immer zum Schmunzeln bringt. Man höre und staune, denn, ernst wahr, die kunsthandwerkliche Spezialität der Steinmetze in Patan war und ist, der dümmlich dreinblickende Tempellöwe. Was soll ich sagen? Wunder über Wunder des Orients. Hier sitzen vor jedem Tempel, egal, ob buddhistischer oder hinduistischer Natur, zwei so Steinlöwen rum, die echt ziemlich einfältig in die Gegend glotzen. Und, zumindest laut der begleitenden Fachliteratur vom Durbar-Square Museum, gibt es diese, nun vorsichtig formuliert, Wächterlöwen ausschließlich vor den Tempeln in Patan. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich weder in Bhaktapur, noch in Gorkha, Panauti oder Kathmandu, irgendwie auf dümmliche dreinschauende Wächterlöwen geachtet hätte. Ich meine mich zu erinnern, dass in Bhaktapur an der fünfstufigen Nyatapola, immerhin ein populärer Ringer, zweifach in Stein gehauen, für den Schutz der Pagode gesorgt hätte. Aber, was soll ich sagen? Tatsächlich hocken hier immer zwei steigernde Glotzlöwen rum und versprühen richtiggehend eher den Charme völliger Unterbelichtung, denn zackiger Wachsamkeit. Vielleicht ist das aber auch nur ein raffinierter Trick der beiden Großkatzen, um zu Leichtsinn zu verleiten, wer weiß das schon?
Doch die beiden schwatten Pelzwächter lassen uns heute Morgen unbehelligt das Klostergelände um den Goldenen Tempel Patans betreten. Genauer gesagt, heißt der Tempel nur im Volksmund „Goldener Tempel“, denn eigentlich heißt der Backs Hiranya Varna Mahavihar, was sich natürlich kein normales Bleichgesicht merken kann. Vor dem Eingang des Hiranya Varna Mahavihar, hocken, wie erwähnt zwei schwarze, dümmlich dreinblickende Löwen und
schielen einen scheel an. Danach muss man durch einen engen Eingang, zwischen zwei Wohnhäusern und gelangt in einen kleinen Vorhof. Dort wird man zur Kasse gebeten, doch die 100 nepalesischen Taler zahlen wir gerne, denn dieses Kloster und die beiden Tempel hat es beim schweren Erdbeben 2015, ziemlich hart getroffen. Teile des Daches, oberhalb der Klosterzellen der Mönche, ist immer noch mit blauer Bauplane abgedeckt, wenn auch die meisten Fassadenschäden bereits beseitigt wurden.
Es wäre vermessen, wenn ich auch nur in Ansätzen versuchen würde, die Mythologie, die uns bereits beim Tor zum Klosterinnenhof begegnet, verstehen oder gar erklären zu wollen. Doch ein ist klar, der Reichtum an Holzschnitzereien, Blech- und Metallskulpturen, lässt einem schon mal den Atem stocken. Sprichwörtlich gibt es kaum eine Fläche, die nicht irgendwie eine Buddhafigur oder ein mystisches Wesen, Darstellungen der verschiedenen Erleuchtungsgrade des Buddhismus darstellt, oder sonst wie dekoriert ist. Diese goldene Pagode wurde im zwölften
Jahrhundert von König Bhaskar Varman erbaut. Ach der Kerl, wars! Der Legende nach, wurde Hiranya Varna Mahavihar an einem Ort erbaut, an dem eine Ratte eine Katze jagt. Mal ehrlich, wenn ich mir den tumben Gesichtsausdruck der Wächterlöwen so anschaue, hab ich kein Problem damit, diese Legende für bare Münze zu nehmen. Wer so dümmlich dreinblickt, der lässt sich auch von einer Ratte ins Bockshorn jagen, keine Frage. Im ganzen Kathmandutal tauchen immer wieder große „Messingratten“ in den verschiedensten Tempeln auf. Vielleicht hat das damit zu tun, wer weiß´das schon? Aber, bis 1994 wurden hier im Goldenen Tempel von
Patan immer noch Ratten gefüttert. Dieser Tage nicht mehr, vermutlich sind sie weitergezogen. Ich stelle mal die gewagte These auf, dass sie nach Kathmandu, genauer gesagt nach Thamel umgezogen sind und nun im Rosemary Kitchen und Bar wohnen. So zwischen Gastraum und Damentoilette, wenn der geneigte Leser sich an diese Depesche erinnert. Heute war zumindest keine Rattenverköstigung, dafür war ein Heer an Spatzen unterwegs, um sich, um die dargebrachten Speisen zu balgen, die vor den Schreinen der Pagode in der heißen Sonne vor sich hin rotten.
Neben der Fülle an buddhistischen Skulpturen, tauchen in diesem Komplex auch einige hinduistische Skulpturen auf. Hatte ja erwähnt, dass man hier in Nepal eher so eine buddhistisch-hinduistische Religionsschnittmenge praktiziert. Alle buddhistischen Gläubigen haben übrigens heute morgen auch einen roten Punkt auf der Stirn, was ja eigentlich eher in die Rituale der Hindus gehört. Aber, dass nimmt man in Patan nicht so genau. Her mit den roten Pigmenten, drauf gespuckt, verrieben und mit dem Daumen einen ordentlichen Abdruck auf dem Haupt des Gläubigen hinterlassen. Wen juckt da schon Vishnu oder Siddhartha? Denn hier gibt es auch Inkarnationen von Vishnu und Shiva, die man zwar als Dachstrebe verbannt hat, um das Tor zu stützen, aber immerhin! Auch ein Ganesha hockt da auf dem Tor, so zur Bewachung der heiligen Stätte. Was ich verstehen kann, zumindest, wenn man die dümmlich
dreinblickenden Wächterlöwen gesehen hat. Da ist so ein gemütlicher Elefantengott zum Schutz wohl ganz kuschelig. Ist man durch das zweite Tor, so erwartet einen auf der Hofseite zwei goldenen Elefanten, die ihrerseits auf Schildkröten stehen. Warum auch immer? Über der Tür befindet sich eine Torana aus vergoldetem Kupfer. Das ist diese halbrunde Scheibe, die immer so verziert über Türen und Toren findet. Man bräuchte Jahre, bis man alle spirituellen Zusammenhänge begriffen hätte, zumindest als bleichgesichtiger Nichtbuddhist. In der Mitte des quadratischen Innenhofes steht eine kleine, ebenfalls mit Goldblech verkleidete Stupa, die Swayambhu gewidmet ist. Wem, wat, wer? Nun wird’s kompliziert, denn Swayambhu ist ein Synonym für Brahma. Aha, so so. Aber irgendwie hatte ich im Hinterkopf, dass Brahma im
Hinduismus als der Weltenschöpfer angesehen wird? Was macht der hier in einem buddhistischen Tempel? Fragen über Fragen des Orients! Es wird ein bißchen unübersichtlich, wie ich finde. Außerdem mögen die Hindus, vom ihrem göttliche Dreigestirn Brahma, Vishnu und Shiva, ersteren am allerwenigsten. Der Grund liegt darin, dass Brahma seine eigene Tochter Saraswati geheiratet hat und sich des Inzests schuldig machte. Aha, so so? Verwirrenderweise besitzt jeder dieser Götter mehrere Inkarnationen, einige dieser Inkarationen gibt es aber nur in Nepal. Hm, so so. Hier gebe ich inhaltlich auf, denn die Story wird mir zu unübersichtlich, da ich nicht verstehe, wieso die drei Inder bei den Buddhisten mitspielen und das ausschließlich nur in Nepal??? Wer weiß das schon so genau?
Ich konzentriere mich also mehr auf die kunsthandwerkliche Seite und überlasse die verwirrende Spiritualtiefe gebildeteren Menschen. Für so einen kleinen Tempel, ist das aber schon ganz schön viel Glaube, so viel ist mal sicher. Was wir sehr herzig finden ist, dass man überall Kokosmatten hingelegt hat, damit man verweilen kann. Das Verweilen braucht mein Kopf auch, denn es gibt hier so viel zu sehen. Immer wieder kommen Reisegruppen herein und sind nach 15 Minuten Picturepoint bereits verschwunden und wieder einmal mehr freue ich mich, dass wir so viel Zeit haben, diese Orte zu erkunden und zu entdecken.
Heute ist es wieder recht heiß, es sind 27 Grad, die Bewölkung der vergangenen Tage reißt auf und die Regenfront ist nach Süden abgezogen. Im südlichen Janakpur, im Terai, also im nepalesischen Flachland, sind es jetzt bereits über 40 Grad und der Monsun nähert sich mit großen Schritten. Ende Mai bis Mitte Juni wird im Kathmandutal die Monsoonzeit beginnen, in Pokhara dürfte es in gut einer Woche beginnen. Pokhara liegt etwa 500 Meter tiefer, als Kathmandu und Patan, sodass der Regen vom Terai noch Norden zieht und erst durch die tieferen Täler Palpas und Syangjas ziehen wird. Wenn wir Glück haben, ist in den kommenden zwei Wochen noch möglichst viel Sonne, zumindest wird das Wetter hier in den nächsten Tagen, wieder an der 30 Gradmarke kratzen.
Nach unserer Mittagspause stravanzeln wir noch einmal los, um zu schauen, wie weit das Neujahrsfest hier so ist. Anders als in Bhaktapur, wo die Kutschenzieherei nur eine Woche dauert, geht das in Patan einen Monat lang. Aha, so so. Abends, immer zwischen 16 und 19 Uhr, werden die riesigen Holzwagen, mit ihren Pagoden und den darin befindlichen Bhairava-Masken, ein Stück weiter um den Stadtring von Patan gezogen. Das war auch das Tschingbummrassatäterääää, was wir vorgestern nicht recht einordnen konnten. Heute sind wir den Wagen mal ziemlich nahe gekommen und die Dinger sind hier in Patan riesig. Damit es nicht zu Unfällen kommt, werden die Wagen beim Ziehen von Soldaten abgeschirmt. Im Bhaktapur war das ja echt krass, wie wenig da auf Sicherheit geachtet wurde. Doch bei der Größe der Wagen, ist das auch notwendig, den die Nepalis flippen dabei regelrecht aus, ganz so wie bei uns, wenn Deutschland die Fußball-WM gewinnt. Bonne nuit folks!
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