20. Dezember 2023 - Von Siem Reap nach Kampong Thom
KM 14688
Die Landstraße Nr. 6 führt, nahezu schnurgerade, nach Südosten. Laut Karte, kreuzen wir dabei größere Städte, wie Roluos, Dem Daek, Kouk Thlok Kraom und Stoung. Die 6 verläuft im Grunde immer parallel zum großen Tonlé Sap See. Doch nie ist die Straße so nah am See, dass wir ihn sehen könnten. Ähnlich zu unserer Fahrt, von der thailändischen Grenze nach Siem Reap, liegt die Straße auf einem Damm, der sich, je nach Topografie, immer 1-2 Meter über das flache Land erhebt. Im Nachhinein muss ich unserem Ticketverkäufer am Hafen in Siem Reap recht geben, die Straße ist wirklich in gutem Zustand. Zumindest nach Roluos, doch es bleibt eine zweispurige Lebensader, die sich durch die tief liegende Zentralebene zieht. Faktisch nicht breiter als die Warendorfer Straße, zieht sich der gesamte Verkehr, vom Westen des Landes bis in seine Metropole Phnom Penh im Osten, über diese Straße. Der Verkehr ist ziemlich ruppig, nicht weil es so voll ist, sondern, weil es, ähnlich wie in Indonesien, so viele kleine Roller gibt, die permanent kreuz und quer fahren. Dazu kommt, dass es heute 34 Grad warm ist, nur mäßig
Wind hat und damit die Fahrt wieder einmal Backofenflair hat. Außerdem geht es immer gerade aus und auch die Landschaft ist nur mäßig abwechslungsreich. Das tiefer liegende Schwemmland ist überwiegend mit Reis bepflanzt, der teilweise abgeerntet ist oder teilweise noch reift. Dazwischen stehen die großen, leicht gebogenen Zuckerpalmen. Mal einzeln oder auch in kleinen Wäldern, erzeugen sie ein uneinheitlich, einheltliches Landschaftsbild, dass sich aber in seiner Eintönigkeit häufig wiederholt und meine Konzentrationsfähigkeit herausfordert.
Kambodscha ist die Heimat der Zuckerpalme. Seit fast tausend Jahren wird sie vermutlich schon wirtschaftlich genutzt. In Kambodscha hat diese Palme geradezu den Status eines nationalen Symbols. Daher ist sie letztendlich auch auf der 500 Riel- sowie der 2000 Riel-Banknote, neben den Temepltürmen von Angkor Wat, abgedruckt. Tatsächlich findet man sie in Angkor auch ziemlich häufig. Besonders im östlichen Baray, dem alten östlichen Wasserspeicher, der zwar kein Wasser mehr führt, aber eben feuchtes Schwemmland ist, dass sich während der Regenzeit so mit Wasser vollsaugt, dass die Bauern der umliegenden Dörfer dort ihre Reisfelder bestellen. Die Zuckerpalmen treten in diesem Teils Angkor sehr gehäuft
auf. Entlang der Landstraße Nr. 6 werden nahezu alle verwertbaren Bestandteile der Zuckerpalme angeboten. Ich habe gelesen, dass ausgewachsene Zuckerpalmen über dreissig Meter hoch wachsen können und auch mal100 Jahre alt werden. Ihre markante, runde Krone aus büscheligen Blättern ist in der Ebene weit hin sichtbar, auch wenn der Stamm schon lange für den Betrachter "verschwommen" ist. Oft stehen sie in kleinen Gruppen oder alleine inmitten von Reisfeldern. Die angebotene Produktpalette am Straßenrand zeigt, dass nahezu alles an diesen Palmen verwendbar ist. Die Blätter der Zuckerpalme werden für Dächer, Wände, Matten und Körbe benutzt. Die Wurzel wird in der traditionellen Medizin als Mittel gegen Bauch-
schmerzen eingesetzt und aus dem Holz werden Möbel etc. gefertigt. Darüber hinaus eigenen sich junge Pflanzen auch als "Gemüse." Auf wackeligen, ausgebleichten Holzgestellen werden hier Palmzucker und Palmwein angeboten. Interessanterweise liefert die Zuckerpalme erst ab ihrem zwanzigsten Lebensjahr bis zu drei Liter Saft pro Tag. Der Palmsaft wird vor allem durch Erhitzen geklärt und frisch oder vergoren als Palmwein getrunken. Wer nicht schnell genug "nein" sagt, dem kann hier das Zeug schonmal untergejubelt werden. Aber, ich habe ja die beste
Ausrede - don´t drink and drive - damit komme ich immer um so alberne Männlichkeitsspielchen drumherum . . . Den Palmzucker gibt es überall in den Cafés in Südostasien. Für seine Herstellung wird der Saft durch Kochen eingedickt und dann in Behälter gegossen, wo er zu einer leicht porösen, karamellfarbenen Masse erstarrt. Frischer Palmzucker schmeckt honigartig süss, eher mild, wie ein sehr lockeres, butteriges Zuckerbonbon mit deutlicher Karamellnote. Im Kaffee ist Palmzucker nicht so mein Favorit, aber, bspw. in Indonesien und Malaysia, gab es so gut wie keinen weißen Zucker.
In Ta Ong machen wir Pause. Der Straßenrand ist gesäumt von Verkaufsständen, die trockene Kokosflocken anbieten. Unter bunten Sonnenschirmen stehen seltsame Geräte, die eher Schmiedehämmern ähneln. Über mehrere Umlenkräder wird ein wippenähnlicher Holzbalken in Bewegungen versetzt, der am Ende einen Klöppel hat. Dieser schlägt mit hohem Druck das getrocknete Kokosmark in schmale, flache Flocken. Außer Tonnen von Kokosflocken, hat die junge Dame auch gekühlte Kokosnuss. Bei 35 Grad im Schatten gibt es eigentlich keinen besseren Durstlöscher, als den Saft einer gekühlten Kokosnuss. Sie zaubert zwei gigantische Exemplare aus der Eisbox und so bekommen wir für je einen US$, einen halben bis dreiviertel
Liter kalten Saft. Entlang der Landstraße 6 gibt es fast keine unbebauten Flächen mehr. Selbst wenn die Landkarte nur einzelne Dörfer und Städte ausweist, ist sie fast durchgehend beidseitig bebaut und bewohnt. Die meisten Häuser sind aus Holz, dunkelrot oder blau-violett bemalt, haben weit ausladene Wellblechvordächer und stehen meist auf Stelzen. Hier und da, hat sich auch ein verputztes Haus, mit häßlichen griechischen Balkonkonsolen, in die traditionelle Bauweise der Khmer eingeschlichen. Doch das beschränkt sich eher auf die Kleinstädte und
Dörfer. Auch wenn der der ökonomische Standart Kambodschas weit von dem Thailands oder Malaysias entfernt ist, kann man aber den Nachholbedarf der Menschen hier förmlich vibrieren hören und sehen. Kambodscha gilt zwar als das ärmste Land Asiens, ist aber auch gleichzeitig die am schnellsten wachsenden Volkswirtschaft in dieser Region. Natürlich ist Siem Reap nicht der Standart, sondern eher die Messlatte für andere Kommunen und Provinzen. Doch die werden es schwer haben, denn Siem Reap boomt eben nur wegen Angkor Wat. Entlang der
Straße kann man den Fortschritt besonders gut sehen, allein an den durchweg sehr schön hergerichteten Häusern und natürlich auch an der Anzahl der PKWs, die inzwischen Kambodschas Straßen bevölkern. Trotzdem ist der Roller immer noch Mobilitätsgarant Nr. 1. Was uns heute wieder an seltsamen und verkehrstechnisch spannenden Vehikeln entgegengekommen ist, würde jeden deutschen Polizisten auf ein psychiatrisches Zweibettzimmer mit einen TÜV-Prüfer bringen.
Noch hat die Wat-Dichte keine thailändische Dimension erreicht, bei Weitem nicht, doch sie arbeiten daran. Überall, in jedem Dorf, in jeder Stadt gibt es den Betongießer, der spirituelle Figuren, Tiere, Fabelwesen oder buddhistische Gottheiten produziert. Man kann sie bereits fertig farbig bemalt bekommen oder als rohen Betonguss, als do-it-yourself-Bastelpaket sozusagen. Am Straßenrand sichtbar, beginnen kleinere Kommunen sich selbst phantasievoll-spirituelle "Dorfeinfahrten" zu leisten. Was soll ich sagen - wen wundert es, nach 20 Jahren Bürgerkrieg, den Roten Khmer und der vietnamesische Besetzung.
Ziel ist heute die Provinzhauptstadt Kampong Thom, die ungefähr 160 Kilometer von Siem Reap entfernt liegt. Bis nach Phnom Penh sind es 320 Kilometer und wir haben keinen Stress. Daher leisten wir uns morgens noch eine Abschiedsfahrt durch Angkor. Ich mag diesen Ort sehr, daher bin ich immer etwas belegt, wenn ich hier wegfahre. Angkor ist einfach so weit weg von uns, dass man eben nie weiß, ob man es noch einmal wiedersehen wird. Aber uns ist natürlich klar,
dass diese ganze Reise - 5 Monate inzwischen - ein unglaubliches Privileg und auch Glück ist, daher will ich jetzt mal nicht jammern, dass wir Angkor verlassen müssen. Wir drehen noch eine Ehrenrunde durch Angkor Thom, fahren zum Südtor rein, umrunden das Bayon und verlassen die alte Stadt durch das Osttor und brechen nach Osten auf.
Gegen frühen Nachmittag erreichen wir Kampong Thom, eine Provinzhauptstadt, von der unser Reiseführer meint, dass es keinerlei touristisch Interessantes birgt. In der Nähe befindet sich zwar die Tempelstadt Sambor Prei Kuk, die werden wir aber nicht besuchen. Wir haben in der vergangenen Woche so viele Tempel gesehen, dass wir das erst ein mal sacken lassen müssen. Die Sonne hat am frühen Abend ihre Kraft verloren und verströmt jetzt das angenehm warme Flair eines südspanischen Sommerabends. Die Menschen in Kampong Thom verlegen ihr Alltag auf die Straße und als wir vom Abendessen kommen ist überall Leben in den Gassen. Bonne nuit folks!
KI gibt weitere Informationen:
Der lateinische Name der Zuckerpalme ist Arenga pinnata. Das ist eine Art von Palmen, die in den feucht-tropischen Gebieten Malaysias und Indonesiens wachsen. Zuckerpalmen sind eine Art von Palmen, die in den feucht-tropischen Gebieten Malaysias und Indonesiens wachsen. Sie werden für die Herstellung von Zucker, Stärke, Ethanol, Fasern, Holz und anderen Produkten genutzt. Sie können bis zu 15 Meter hoch werden und haben große Fiederblätter. Sie produzieren einen süßen Saft aus ihren Blütenständen, der zu Zucker verarbeitet wird. Die unreifen Früchte können auch gegessen oder in Sirup eingelegt werden. Zuckerpalmen sind eine wichtige Nutzpflanze für die lokale Bevölkerung, die von ihrem Anbau und ihrer Verarbeitung leben. Sie sind auch ökologisch wertvoll, da sie in Wäldern mit…