09 August 2023 - Von Pameungpeuk nach Cibitung
KM 1601
West Java ist ziemlich leer, also nicht nur verkehrstechnisch. Es gibt auch einfach weniger Menschen, die in dieser Region leben. Spürbar ist das besonders an fehlenden Tankstellen. Ich meine so richtige, nicht die Ich-AG-Tanke, die ein kleines, putziges Holzregal an den Straßenrand stellen und darauf Glasflaschen mit grünlicher Flüssigkeit anbieten. Diese Holzregale sind oft so verwittert, dass sie den Charme eines künstlich gealterten Szenecafézubehörteils aus der Spiegelburgkollektion haben. Leider weiß man nie, welchen Sprit man da so bekommt und ob die Bergziege mit Oma Rhatis aufgesetztem Palmenfusel die volle Leistung bring, wage ich zu bezweifeln. Meine Devise ist immer, tanken, wenn es geht. Aber tatsächlich finden wir erst am frühen Nachmittag eine große Tankstelle, die auch wirklich geöffnet hat und darüber hinaus auch „Bensin“ im Angebot hat.
Unser 12-Euro Hotel in Pameungpeuk verlassen wir um 9 Uhr bei wolkenlosem Himmel und 30 Grad. Um 7 Uhr klopfte der Rezeptionist, um uns die obligatorischen Minudeln anzureichen. Keine Gnade mit den übermüdeten Bleichgesichtern. Wir hatten höflich gefragt, wann es Frühstück gäbe? Um 7 Uhr. Aha, bis wann? Bis 7 Uhr! So so. Nein, nein, wie lange man frühstücken kann? Bis 9 Uhr. Aha, gut. Können wir um 8:30 Uhr frühstücken? Ja, dann um 7 Uhr! Wir geben auf. Er klopft, hat das Tablett mit zwei Tassen Jasmintee - ohne Milch, Kropuk und zwei mal Mi Goreng „Spesial“, heißt mit Spiegelei. 7:01 Uhr! Unser 12-Euro Zimmer, Economy Class, mit Terrasse, WLAN und eigenem Bad, liegt zur Straße. Die N7, also eine Hauptstraße. Da ballert man schon mal ordentlich mit dem Zweitakter vorbei, dass die Scheiben klirren. Der Rezeptionist: Nachts ist es ruhig! Wir stellen fest, das ist relativ. Die Geräuschkulisse in der Nacht verlief programmgemäß folgendermaßen. Anni und Ingo liegen todmüde in Morpheus Armen. Der Muezzin legt los. Muezzin fertig, Anni und Ingo dämmern weg. Aufgemotztes Moped dröhnt vorbei, den Gashahn bis zum Anschlag durchgezogen. Wir stehen senkrecht im Bett. Ruhe. Anni und Ingo dämmern weg. Der Muezzin hat Kinder vors Mikro gezerrt und läßt 45 Minuten lang schiefen Kindergesang, religiösen Inhalts, über eine Karaokeanlage sprachlich publizieren, die selbst im Tokioer Nachtleben einen Guinnessbucheintrag aufweisen könnte. Anni und Ingo stehen senkrecht im Bett, denn das Hotelgewerbe und das Moscheebusiness scheinen immer Nachbargrundstücke zu erwerben. Ruhe. Anni und Ingo dämmern weg. Ein Suzuki Pritschenwagen mit defekten Stoßdämpfern und ramponiertem Getriebe ohne Auspuff nagelt am Hotel vorbei, hubt einen Fußgänger beiseite und kachelt Richtung Zentrum. Anni und Ingo sind hellwach. Stille, die Grillen zirpen, das Meer rauscht. Hellwach. Anni und Ingo beginnen zu lesen. Story ist spannend, immer noch hellwach. 2 Stunden später, Anni und Ingo dämmern weg. Der Suzuki Pritschenwagen kommt aus dem Stadtzentrum Pameungpeuk zurück, offensichtlich angetrunken, denn der Fahrer hupt ununterbrochen, bis er am Hotel vorbei ist. Anni und Ingo sind hellwach. Es ist 4:30 Uhr der Muezzin beginnt mit der einstündigen Gesangsstunde. Blutunterlaufende Augen, todmüde und hellwach. Gedanken an die 180 Kilometer im indonesischen Verkehr. Anni und Ingo dämmern weg. Der Hahn kräht. Es ist das letzte was Anni und Ingo hören, bevor sie in eine komatöse Tiefschlafphase fallen. Es klopft, 7 Uhr, Frühstück.
Bis zum ersten Kaffeestop, den wir bereits 22 Kilometer hinter Pameungpeuk einlegen, bin ich ziemlich gerädert. Zum Kaffee gibt es salzige Meeresbrise, Strandblick und eine noch Halbweg gekühlte frische Kokosnuss. Grandios in dieser Kombination. Frische Kokosnuss ist mein Spinat. Danach geht das Mopedfahren wie von selbst. Die Straße ist noch leerer als gestern und es geht auf und ab, mal kurvig und mal mit langgezogenen Abschnitten. Alle sind warm angezogen, mit Pullovern, Lederjacken oder Hoodies. Bei 30 Grad ist das unverständlich - zumindest für mich. Der Wind, der jedoch ordentlich vom Meer bläst, ist herrlich kühl und erfrischend. Immer wieder vergesse ich, dass sie gerade hier Winter haben. An den Straßenrändern liegt viel braunes Laub, etliche Bäume sind kahl. Winter bedeutet hier Trockenzeit, viele der Flüsse, die aus den Bergen kommen, sind nur noch dünne Rinnsale. Hier und da fließt ein breiter, tiefgrüner Strom ins Meer, das Ende einer langen, gewundenen Reise von den Hängen der Vulkane in Zentraljava.
Die Gesichter der Menschen in den Dörfern verändern sich. Wie die hier ansässige Volksgruppe heißt, kann ich gerade nicht eruieren, denn wir haben heute Nacht ein 3-Euro Hotel und da gibt es kein WLAN und keine funktionierende WC-Spülung. Momentan weiß ich nicht, was die größere Tragweite hat. Die Männer, sind dunkler, haben viel höhere Wangenknochen und auch deutlich schmalere Augen. Die Frauen tragen alle ein Kopftuch, auch die kleinsten Schulmädchen in den Grundschulen. Wir haben heute übrigens einen Grundschulausflug überholt. Es saßen immer 3 Kids auf einem Roller, Jungs, wie Mädchen. Ist einfach befremdlich, wenn man so kleine Kinder schon auf einem Roller durchs Dorf kacheln sieht. Ob die Eltern wohl auch unterschreiben müssen, dass ihre Kinder mit dem Roller auf Ausflug gehen? Verrückte Welt. Interessant war außerdem, dass bei Schulschluss entweder alle selbst mit dem Roller heim fahren oder von einem Elternteil mit dem Roller abgeholt werden. Sah aus, wie bei Schulschluss bei uns vor dem Ratsgymnasium, nur das da alle Eltern mit dem SUV kommen. Wie gleich und wie verschieden die Welt doch ist. Aber hier muss man ziemlich vorsichtig fahren. Was man auf Java unbedingt verhindern sollte, ist abrupt zu bremsen. Denn es könnte leicht zu Auffahrunfällen kommen. Die Jungs kleben einem hinten am Nummernschild, dass man im Rückspiegel den Eindruck bekommen könnte, er sitzt mit auf dem Moped, noch hinter Anni. Außerdem gab uns der Manager vom Paku Mas Hotel in Yogya den guten und ernstgemeinten Rat (!), niemals für Fußgänger zu bremsen. Das würde auf Java keiner tun! Lächerlich, wie er auf die Idee kommt, wir könnten für Fussgänger bremsen, geradezu grotesk diese Vorstellung. Bremsen für Passanten . . . wird ja immer schöner hier. Also Augen auf, runter vom Gas, wenn die Schule aus ist und Schritttempo. Auch wenn von hinten alle drängeln!
Irgendwann führt die Straße, weg vom Meer hinauf in die Berge. Die Berghänge sind hier dicht bewachsen mit Dschungel. Anders als in den Bergregionen, die wir bisher gesehen haben, gibt es hier dichten, undurchdringlichen Primärwald. Immer wieder überqueren wir einsame Flüsse, die sich seit Urzeiten ihr Bett durch die bewaldeten Täler gegraben haben. Auf 645 Meter, sagt unser Navi, endet das Hoch und Runter der engen Serpentinen und wir befahren für 20
Kilometer nur den Bergkamm. Wahnsinn, was für eine Motorradstrecke. Mit leichten Kurven schlängelt sich die neu geteerte N7 hier durch lichte Palmenhaine, durch dunkle Schatten alter Bäume, entlang an riesigen Bambusstauden, durch kleine Dörfer und wieder in das Dickicht des Urwaldes. Für mich ist es wieder mal eine wunderschöne Fahrt durch die Exotik eines fremden Erdteils, der nicht grundverschiedener zu uns sein könnte. Angekommen im Tal gibt es frisch bepflanzte Reisterrassen, Wasserflächen, steinige Gebirgsbäche und schattige Palmengruppen. Hier und da kreuzen Ziegen und Kühe unseren Weg und auch eine Schlange rettet sich vor unserem ziemlich groben Reifenprofil und schlängelt zügig über die Piste.
Am frühen Nachmittag erreichen wir ein ziemlich heruntergekommenes Teilstück der N7, sodass wir eigentlich nur Schritttempo fahren können - wie alle anderen auch. Hier reiht sich Schlagloch an ausgebessertes Schlagloch und umgekehrt, was die Sache nicht besser macht. Wieder klemme ich mich hinter einen Rollerfahrer, der den Weg wie seine Westentasche zu kennen scheint, und geschickt jedem Schlagloch ausweichen kann. Wir kommen tiefer in die Berge, was zu einem neuerlichen Hoch und Runter der Straße führt. Da das Verkehrsaufkommen hier so gering ist, läuft es großartig.
Um unser Hotel zu finden, müssen wir uns durchfragen, denn die angegebene Adresse bei booking findet weder das Navi, noch maps.me, noch google.maps . . . Aber mit einigem Improvisieren und der umwerfenden Hilfsbereitschaft der Indonesier sind wir kurz vor 16 Uhr in unserer 3-Euro-Behausung angekommen. Es gibt Fußballbettwäsche - Juventus - ausgerechnet der größte fußballgelangweilte Mensch auf der Erde bekommt Fussballbettwäsche! Der Betreiber verlangt 12 Euro, was mich natürlich fuchst, denn weder das versprochene WLAN, noch ein funktionierendes WC, noch eine funktionierende Dusche, nicht mal ein Waschbecken, ist schon krass. Immerhin gibt es frisches, fließendes Wasser, eine Tonne und eine Schöpfkelle. Also der abendlichen Reinlichkeit steht nix mehr im Weg. Außerdem soll es ja ein Abenteuer sein und da darf nun mal kein Abenteuerklo fehlen! Bonne nuit folks.
Ki erklärt: Es handelt sich um kleine Geschäfte, die Benzin in Glasflaschen verkaufen, die oft an der Straße aufgestellt sind. Diese Flaschen haben meist eine grünliche Farbe, weil das Benzin mit Palmöl gemischt ist. Dieses Gemisch wird auch “Palmenfusel” genannt und ist billiger als reines Benzin. Allerdings hat es auch eine geringere Qualität und kann den Motor beschädigen oder die Leistung verringern. Deshalb ist es ratsam, nur an offiziellen Tankstellen zu tanken, die “Bensin” oder “Pertamina” heißen. Diese Tankstellen haben Zapfsäulen und bieten verschiedene Sorten von Benzin an, wie zum Beispiel “Premium”, “Pertalite” oder “Pertamax”. Die Preise variieren je nach Region und Qualität, aber liegen meist zwischen 7.000 und 10.000 Rupiah pro Liter (ca. 0,40 bis 0,60 Euro).
Wenn du…